Antibiotikaresistenzen
Weil Medikamente nicht mehr wirken – die Zahl der Todesopfer steigt

Es werden zu viele Antibiotika verschrieben und zu wenige neue erforscht. Die Folge: Medikamente wirken nicht mehr. Sie können bestimmten Erregern nichts mehr anhaben. Infektionen und Operationen führen zunehmend zum Tod. Experten erneuern ihre Appelle an Medizin, Politik und Wirtschaft.

    Ein Blister mit blauen Pillen liegt neben einem gelben Becher auf rosa Grund. Vor dem Becher liegen ein paar lose Pillen.
    Ohne die Entdeckung von Antibiotika wären viele Krankheiten heute nicht heilbar. Vor allem durch zu häufige Anwendungen werden die Krankheitserreger jedoch resistent gegen die Medikamente. (picture alliance / Westend61 / RODOBOT)
    Am Robert-Koch-Institut rechnet man damit, dass weltweit bis 2050 fast zehn Millionen Menschen pro Jahr durch antibiotikaresistente Erreger sterben; derzeit sind es laut Weltgesundheitsorganisation eine Millonen. Schwere Infektionen könnten nicht mehr behandelt werden, sagte der zuständige Fachgebietsleiter Tim Eckmanns. Viele große Operationen, seien nur möglich, weil Antibiotika die Patienten prophylaktisch schützten.

    In der Medizin droht die Rückkehr in ein "präantibiotisches Zeitalter"

    Ähnlich sehen es andere Experten. Wenn der Antibiotikaverbrauch global nicht sinke, drohe die Rückkehr in ein "präantibiotisches Zeitalter", warnte Mathias Pletz vom Universitätsklinikum Jena. Selbst Routineeingriffe oder Kaiserschnitte könnten wieder lebensgefährlich werden.
    Andreas Peschel vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung erklärte, in vielen Ländern der Erde gebe es schon jetzt viele teils zunächst harmlos erscheinende Infektionen, die sich kaum noch behandeln ließen und zum Tod führen könnten. Vor allem durch eine generalisierte Blutvergiftung (Sepsis), fügte der Professor der Universität Tübingen hinzu.

    Neuer WHO-Bericht verdeutlicht erneut die weltweit prekäre Lage wegen der Antibiotikaresistenzen

    Laut einem neuen Bericht der Weltgesundheitsorganisation auf der Basis von Zahlen aus dem Jahr 2023 geht inzwischen eine von sechs laborbestätigten bakteriellen Infektionen auf einen antibiotikaresistenten Erreger zurück. Einmal mehr verdeutlichen auch die Ausführungen der WHO die prekäre weltweite Lage wegen der Antibiotikaresistenzen.
    Der Bericht basiert auf einem vor zehn Jahren von der WHO etablierten System zur Überwachung, Datenerhebung und Analyse - kurz GLASS (Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System). 110 Länder lieferten der WHO ihre Zahlen. 2016 waren es bloß 25.

    Bessere Schulung von Ärzten zum vernünftigeren Einsatz von Antibiotika gefordert

    Wissenschaftler fordern seit Jahrzehnten unter anderem, weniger Antibiotika einzusetzen, sowohl in der Behandlung von Menschen als auch von Tieren. Für Andreas Peschel braucht es eine bessere Schulung von Ärzten für einen verantwortungsvolleren und vernünftigeren Umgang mit Antibiotika. Zudem seien innovative Präventionsmechanismen nötig.
    Neben einem bewussten Umgang mit Antibiotika drängt Tim Eckmanns auf mehr Krankenhaushygiene und Impfungen.

    "Krankenhausreform konsequent umsetzen und Infektiologie in allen Kliniken verankern!"

    Wichtig sei auch, betonte Mathias Pletz, die konsequente Umsetzung der Krankenhausreform. Infektiologie und Mikrobiologie müssten strukturell in allen Kliniken verankert werden.
    Am Bundesinstitut für Risikobewertung hieß es allgemein, in allen Bereichen müssten umfangreiche Anstrengungen unternommen werden. Die Bemühungen dürften nicht nachlassen, führte die zuständige Fachgruppenleiterin Annemarie Käsbohrer aus. Dies betreffe den Human-, Veterinär- und Umweltbereich, sowie alle Ebenen vom Patienten oder Tierhalter, über die Verschreiber und Anwender von Antibiotika bis hin zu den politischen Entscheidungsträgern.

    Auch die Pharmaunternehmen sollen im Kampf gegen Antibiotika in die Pflicht genommen werden

    Peschel nahm schließlich die Pharmaunternehmen in die Pflicht. Langfristig könne nur die Entwicklung neuer, breitwirkender Antibiotika eine Lösung bringen, betonte er. Die größte Herausforderung sei hier, dass die Pharmafirmen praktisch keine wirksamen Anreize zur Antibiotikaentwicklung bekämen. Die Industrie fokussiere sich auf chronische Erkrankungen. Antibiotika aber könnten Patienten gesund machen, was, zynischerweise, nicht genügend Verdienstmöglichkeiten biete.
    Vor diesem Hintergrund kritisierte Peschel die deutsche Bundesregierung. Staatliche, an die erfolgreiche Entwicklung eines neuen Antibiotikums geknüpfte Anreize, sogenannte "Pull"-Mechanismen, würden bereits von einigen europäischen Staaten geprüft. Das Bundesgesundheitsministerium jedoch habe bislang keine entsprechende Bereitschaft gezeigt.
    Diese Nachricht wurde am 14.10.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.