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Weimarer Bibliotheksdirektor warnt vor Bränden in Museen

Direktor Michael Knoche hat zwei Jahre nach dem Brand der Weimarer Anna Amalia Bibliothek einen besseren Brandschutz für Bibliotheken und Museen insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern angemahnt. "Es gibt einen riesigen Handlungsbedarf in den nächsten Jahren", sagte Knoche unter Verweis auf eine Untersuchung des Thüringer Kultusministeriums.

Moderation: Katja Lückert |
    Katja Lückert: Leicht beschädigte, schwer beschädigte, mittelschwer beschädigte Bücher - zunächst musste man nach dem verheerenden Brand vor zwei Jahren versuchen, die zu rettenden Bücher in verschiedene Gruppen aufzuteilen, um sich überhaupt einen Überblick über die Schäden in der Anna Amalia Bibliothek verschaffen zu können. Inzwischen sind 11.000 leicht beschädigte Bücher nach erfolgreicher Gefriertrocknung zurück in die Regale geordnet worden, und man widmet sich nun der Gruppe der 22.000 mittelschwer beschädigten Bücher.

    Insgesamt können vermutlich 70 Prozent der verlorenen Bücher wiederbeschafft werden. 17 Millionen Euro an Spenden und öffentlichen Geldern wurden bisher gesammelt. Das ist allerdings erst ein Viertel der 67 Millionen Euro, die voraussichtlich für die Sanierung der Bibliothek gebraucht werden. An den Bibliotheksdirektor Michael Knoche die Frage: Droht der Brand langsam in Vergessenheit zu geraten? Und wenn ja, was tun Sie dagegen?

    Michael Knoche: Ja, zum Beispiel nutzen wir den heutigen Tag, um auf das Unglück noch einmal aufmerksam zu machen. Es finden Veranstaltungen hier in Weimar statt, Informationsveranstaltungen. Und wir sind natürlich auch im Gespräch mit Firmen und Stiftungen, um die Spendensumme noch einmal zu erhöhen. Es wird allerdings immer schwieriger. Nach zwei Jahren ist das Ereignis natürlich schon Geschichte für viele Menschen. Und es ist gar nicht so leicht, das Interesse an den Problemen der kulturellen Überlieferung noch aufrechtzuerhalten.

    Lückert: Vieles kommt ja durch Schenkungen oder Erwerbungen wieder. Gibt es Stücke, die Sie als unwiederbringlich verloren erklären müssen?

    Knoche: Ja, das sind vor allen Dingen Stücke aus der Musikaliensammlung Anna Amalias, die mitten im Brandherd standen. Darunter befanden sich eben auch 700 Notenhandschriften. Die sind unwiederbringlich verloren. Zum Teil haben wir Mikrofilme herstellen können vor dem Brand. Das ist vielleicht der größte kulturhistorische Verlust.

    Außerdem tun mir besonders weh die Drucke aus dem Umkreis der "Fruchtbringenden Gesellschaft", der ersten deutschen Akademie, die 1617 in Weimar gegründet wurde. Und diese Drucke hatten eben viele handschriftliche Kommentare gelehrter Vorbesitzer. Das sind natürlich auch Unikate geworden durch eben diese Eintragungen. Und da ist es besonders schade drum.

    Lückert: Brandgeruch ist ja eine ziemlich penetrante Sache. Kann man noch was riechen an den Büchern?

    Knoche: Ja, wenn Sie unser Ausweichmagazin betreten, dann fällt Ihnen der stechende Brandgeruch durchaus noch auf. Er wird sich mit der Zeit etwas abmildern, auch durch die Maßnahmen, die wir ergreifen werden. Aber der Geruch wird für viele Jahrzehnte noch ein Indiz dafür sein, dass die Bücher diese Katastrophe mitgemacht haben.

    Lückert: Erst vor zwei Tagen berichteten wir über den neuen Fund von Bach-Handschriften in der Bibliothek. Ist das möglicherweise mittelbar eine Folge, ja, ich will nicht sagen, des Brands, aber sucht man und besucht man und forscht man wieder verstärkt in der Bibliothek?

    Knoche: Mit dem Brand würde ich das eigentlich nicht in Zusammenhang bringen. Die Funde sind Ergebnis einer systematischen Recherche des Bach-Instituts in verschiedenen thüringischen Bibliotheken und Sammlungen. Aber es ist natürlich eine große Freude für uns, wenn wir nach den Verlusten, die wir erlitten haben, auch wieder eine Aufwertung des Bestandes erfahren, wenn sich also herausstellt, dass bisher unbekannte Manuskripte eindeutig der Hand Johann Sebastian Bachs zuzuschreiben sind.

    Lückert: Aber Sie sind Bibliothekar genug, als dass Sie wissen, dass, wenn Bücher verschoben werden, alles umgeräumt wird, plötzlich wieder etwas zutage kommen kann. Und ich vermute, es wird auch wieder etwas zutage kommen, was man vorher noch nicht wieder solange gesehen hatte.

    Knoche: Das hoffe ich im Stillen nach wie vor. Man muss ja auch sehen, dass die großen Sammlungen in Ostdeutschland weniger gut erforscht sind als vergleichbare Bibliotheken und Archive in Westdeutschland. Hier sind noch Entdeckungen zu machen. Wir sind ja eigentlich weniger ein Museum als eine Forschungsbibliothek.

    Lückert: Wo vermuten Sie, in welchem Bereich wären Schätze noch zu heben?

    Knoche: Der Fund der Bach-Arie vor einem Jahr - "Alles mit Gott, nichts ohn' ihn" - ist zum Beispiel in den Gelegenheitsschriften gefunden worden. Das ist ein Bestand, der überhaupt von der Forschung noch viel zu wenig in den Blick genommen worden ist. Und wir haben einige 100 Drucke aus dieser Zeit zum Beispiel.

    Lückert: Wie ist es - abschließend gefragt - um die Brandschutzmaßnahmen nun bestellt? Kann so etwas nie wieder geschehen?

    Knoche: Nach menschlichem Ermessen ist das jetzt in Weimar ausgeschlossen. Wir haben ja ein Erweiterungsgebäude beziehen können, das alle modernen Standards der Brandschutztechnik vorweist. Und bei der Sanierung des historischen Bibliotheksgebäudes, die im Moment vonstatten geht, werden ebenso Vorsorgemaßnahmen getroffen. Da habe ich für die Anna Amalia Bibliothek keine großen Befürchtungen mehr. Aber es ist nach wie vor unheimlich viel zu tun bei allen Nachbarbibliotheken, Archiven, Museen hier in Thüringen und in den ostdeutschen Bundesländern sowieso.

    Lückert: Das heißt, Sie deuten damit an, dass andere Bibliotheken im "Ländle" Schwierigkeiten hätten noch, und dass es da auch zu Bränden mal kommen könnte?

    Knoche: Ja, es ist eine Bestandsaufnahme vom veranlasst worden, die hat zum Teil erschreckende Ergebnisse gezeigt. Und es gibt einen riesigen Handlungsbedarf in den nächsten Jahren.

    Lückert: Heute vor zwei Jahren brannte die berühmte Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Ihr Direktor, Michael Knoche, war das.