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"Weimarer Dreieck"
Drei Länder, drei Meinungen

Polen, Frankreich und Deutschland haben 1991 das "Weimarer Dreieck" ins Leben gerufen, ein informelles Gesprächsformat, mit dem die Entwicklung Europas gestaltet werden sollte. Aber die Zusammenarbeit ist schwierig - bis heute.

Von Frederik Rother | 20.03.2018
    Bundesaußenminister Steinmeier mit seinen Kollegen Ayrault und Waszczykowski
    Die Außenminister Deutschlands, Frank-Walter Steinmeier (M.), Frankreichs, Jean-Marc Ayrault (r.), und Polens, Witold Waszczykowski (l.) beim Treffen des "Weimarer Dreiecks" 2016 (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Auf der Website des Auswärtigen Amtes sind die Aufgaben des "Weimarer Dreiecks" klar umrissen. Dort heißt es: "Die Außen- und Europaminister der drei Länder treffen sich regelmäßig, um über aktuelle politische Themen zu beraten und konkrete gemeinsame Impulse für die Außen- und Europapolitik zu geben."
    Von Regelmäßigkeit kann zurzeit keine Rede sein. Das letzte Treffen der Außenminister von Polen, Frankreich und Deutschland fand im August 2016 statt. Mit der neuen Bundesregierung könnte das Gesprächsformat wieder an Fahrt aufnehmen. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen intensiviert werden soll. Bei seinem Antrittsbesuch in Warschau legte Bundesaußenminister Heiko Maas Ende letzter Woche nach:
    "Deutschland und Polen sind trotz manchmal unterschiedlicher Perspektiven unersetzliche Nachbarn, Freunde. Ich finde es wichtig, dass wir gerade bei den Diskussionen, die zurzeit in Europa stattfinden, die Formate, die wir haben, wie das 'Weimarer Dreieck', wiederbeleben. Da sind wir uns einig."
    Keine Einigkeit mit Frankreich
    Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz unterstützte den Vorschlag. Etwas zurückhaltender sagte er: sein Land werde sich bemühen, den dafür notwendigen Willen aufzubringen. Denn es dürfte schwer werden, in zentralen europapolitischen Fragen Einigkeit herzustellen: Der französische Präsident will eine umfassende Vertiefung der Euro-Zone, plädiert für eine solidarische Verteilung von Flüchtlingen, und Emmanuel Macron hat wiederholt die umstrittenen Warschauer Justiz-Reformen kritisiert. Das ist in Polen aufmerksam verfolgt worden. Außenminister Jacek Czaputowicz:
    "Unsere Vision der EU unterscheidet sich von der Vision, die Frankreich hat. Wir sind keine Anhänger eines Europas der zwei Geschwindigkeiten. Wir sind keine Anhänger einer engeren Integration der Euro-Länder. Wir sind keine Anhänger von Protektionismus, denn so nehmen wir die Politik Frankreichs wahr. Die Interessensunterschiede von Polen und Frankreich, was die Konzeption der EU angeht, sind erheblich."
    Und auch Deutschland hat eine eigene Haltung: Beim Thema Reform der Euro-Zone etwa ist Berlin grundsätzlich auf Emmanuel Macrons Linie, stimmt aber in zentralen Punkten nicht mit ihm überein.
    "Ein Klima des Aufbruchs und der Freude"
    1991 wurde das Gesprächsformat "Weimarer Dreieck" in der thüringischen Stadt aus der Taufe gehoben. Dort traf sich der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher mit seinen französischen und polnischen Kollegen, Roland Dumas und Krzysztof Skubiszewski. Hans-Dietrich Genscher erinnerte sich 2006 im Deutschlandfunk:
    "Das hat in einem Klima des europäischen Aufbruchs und der Freude über die Überwindung der Teilung Europas und Deutschlands begonnen. Wir sind nach Weimar gegangen und haben uns dort am Geburtstag Goethes getroffen, um damit auch den kulturellen, geistesgeschichtlichen Gedanken der europäischen Einheit zum Ausdruck zu bringen."
    Hans-Dietrich Genscher wollte die bewährte deutsch-französische Zusammenarbeit auf Polen ausdehnen. Die Kernidee bestand darin, mit regelmäßigen Treffen die zukünftige Entwicklung Europas zu gestalten und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern zu verbessern.
    Immer wieder Meinungsverschiedenheiten
    Nach dem Ende der Sowjetunion und des Warschauer Paktes sollte Polen zudem an Nato und EU herangeführt werden. Das gelang 1994 – mit einem Europa-Abkommen zwischen Polen und der Union. Für Hans-Dietrich Genscher auch ein Erfolg des "Weimarer Dreiecks":
    "Das hat zunächst einmal den Weg geöffnet für die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft. Damit wurde symbolisiert, dass diese wichtigen Länder gesagt haben, wir gehören jetzt nicht nur zusammen, weil wir in einem Kontinent leben, sondern weil wir auch gemeinsam das Schicksal gestalten wollen."
    Dennoch gab es jahrelang keine Treffen auf der Spitzenebene. Das Format wurde immer wieder von Meinungsverschiedenheiten begleitet. Frankreich etwa wollte den EU-Beitritt Polens möglichst lange hinauszögern, da es eine Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten Deutschlands befürchtete. Die national-konservative Regierung in Warschau hat sich immer wieder mit Berlin angelegt, zum Beispiel bei der Frage nach Reparationszahlungen wegen des Zweiten Weltkrieges. Und Deutschland setzte immer wieder symbolträchtig auf die Zusammenarbeit mit Frankreich. Das dürfte eine Wiederbelebung des "Weimarer Dreiecks" schwierig machen. Jetzt liegt der Ball erstmal beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron – der hat sich dazu noch nicht geäußert.