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Weiß auf weiß

Medizin. - Was man schwarz auf weiß besitzt - das kann nicht nur nach Hause tragen sondern auch gut erkennen. Je größer der Kontrast, desto besser können wir Dinge erkennen. Diese Kontrastsehen funktioniert unabhängig von der Sehschärfe. Wir können also scharf sehen und erkennen trotzdem Dinge schlecht, weil sie sich kaum von ihrer Umgebung abheben. Bei augenärztlichen Routineuntersuchungen spielt das Kontrastsehen keine Rolle, denn es lässt sich nur aufwendig erfassen. An der Fachhochschule Jena wurde nun einer Verfahren entwickelt, mit dem sich das Kontrastsehen in jeder Augenarztpraxis testen lässt.

    Von Hartmut Schade

    Die Cafeteria der Fachhochschule Jena liefert das Anschauungsmaterial für Anja Müllers Arbeit: Weißes Geschirr steht auf weißen Resopaltischen. Wer jetzt die Kaffeetasse umwirft , obwohl er selbst das Kleingedruckte in der Zeitung ohne Brille mühelos erkennt, der könnte eine schlechte Kontrastwahrnehmung haben.

    Wenn wir die Sehschärfe bestimmen, ermitteln wir sie immer bei maximalem Kontrast, allerdings kommt es in der Praxis häufig nicht darauf an, feine Details zu erkennen. Vielmehr ist es wichtig, das Objekt selbst zu erkennen. Es ist möglich, dass jemand, der selbst eine sehr gute Sehschärfe hat, eine schlechtes Kontrastsehen hat

    Sagt die Diplomingenieurin für Augenoptik Anja Müller. Die Ursachen für schlechtes Kontrastsehen können Veränderungen an der Linse oder am Glaskörper des Auges sein. Krankheiten wie grauer Star, Diabetes aber auch einfach normale Alterungsprozesse sorgen dafür, dass sich Linse oder Glaskörper eintrüben.

    An den Trübungen wird Licht gestreut und das deutliche Bild auf der Netzhaut wird durch das Streulicht überlagert und dadurch undeutlich.

    Doch auch Veränderungen an der Netzhaut wie sie bei der Makuladegeneration, dem so genannten Tunnelblick auftreten, sorgen für eine verschwommenen Blick. Ein Effekt, den jeder Brillenträger kennt, wenn die Gläser schmutzig oder zerkratzt sind. Oder - für die Nichtbrillenträger - es ist so als wenn Sonnenlicht auf den Computerbildschirm fällt. Dann vermindert sich der Bildkontrast von rund 80 auf 40 Prozent und es fällt schwer noch irgend etwas zu erkennen. Klar, dass eine verschwommene Sicht im Alltag ein enormes Handikap ist. Ein Defizit allerdings, das oft gar nicht festgestellt wird. Denn das Kontrastsehen ließ sich bislang nur sehr aufwändig untersuchen. Anja Müller hat nun eine einfaches Verfahren entwickelt, das in jeder Arztpraxis funktioniert. Basis ist ein Display, das Augenärzte oder Optiker für die normale Sehschärfenbestimmung nutzen. Auf ihm tauchen Landoltringe auf. Landoltringe sind Ringe, die entweder oben, unten links oder rechts eine kleine Öffnung haben. So wie Buchstaben und Zahlen dienen sie der Sehschärfemessung, sind aber objektiver, weil weniger geraten und verwechselt werden kann.

    Begonnen wird bei kleinsten Ringöffnung, die bei maximalem Kontrast richtig erkannt wird. Dann wird der Kontrast so lange stufenweise reduziert, bis drei oder mehr Öffnungen falsch erkannt werden. Damit ist dann die Kontrastschwelle ermittelt. Dann wird der Landoltring wieder eine Stufe vergrößert und es wird die nächste Kontrastschwelle ermittelt, indem der Kontrast weiter stufenweise reduziert wird. Nach den Messungen kann aus dem Schema für jede Kontraststufe abgelesen werden, welche Schärfe für Erkennen der Landolt-Ringe nötig war.

    Je größer die Ringe sein mussten, um bei geringen Kontrast erkannt zu werden, desto schlechter ist das Kontrastsehen. Auf Basis ihrer Untersuchungen entwickelte Anja Müller eine Datenkarte, mit der das Gerät gefüttert wird und die dem Augenarzt künftig sofort verrät, wie es um das Kontrastsehen seiner Patienten bestellt ist. Doch Anja Müller fand noch mehr heraus:

    Wichtig ist, dass das individuelle Kontrastsehen kann einen Hinweis auf einen pathologischen Befund geben - durch Untersuchung des Kontrastsehens sind schon feine visuelle Störungen feststellbar.

    Diabetes, Makuladegeneration oder grauer Star sorgen nicht nur für einen verschwommenen Blick, sie verraten sich auch dadurch. Der routinemäßige Check des Kontrastsehens könnte also helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.