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Weißes Gold für August den Starken

1707 gelang der Brand des ersten europäischen Hartporzellans. Maßgeblich daran beteiligt war der Apothekerlehrling Johann Friedrich Böttger. Er legte die Wurzeln für die bis heute währende Porzellantradition im sächsischen Meißen.

Von Kay Müllges |
    "Ach, großer Gott und Schöpfer, aus einem Goldmacher machtest Du een Töpfer."

    So spottete angeblich der sächsische Volksmund bei der Beerdigung Johann Friedrich Böttgers, der am 4. Februar 1682 in Schleiz geboren wurde. Zum Porzellan kam Böttger eher unfreiwillig, eigentlich faszinierte ihn die Alchemie, die Lehre von der Herstellung des Steins der Weisen. Mit dessen Hilfe sollte es gelingen, unedle Materialien in Gold zu verwandeln. Mit dieser Leidenschaft stand er keineswegs alleine, selbst der große Isaac Newton hat wahrscheinlich mehr Zeit auf die Suche nach dem magischen Stein verwendet als auf die Physik der Schwerkraft. Böttger jedenfalls nutzte seine Lehrjahre bei dem Berliner Apotheker Friedrich Zorn nicht nur zum Pillendrehen und Salbenmischen, sondern auch zu alchemistischen Experimenten. Dabei lernte er einen geheimnisumwitterten griechischen Mönch namens Lascaris kennen, der ihm angeblich die Rezeptur des Steins der Weisen verriet. Apotheker Zorn blieb skeptisch und forderte von Böttger ein öffentliches Experiment. Dessen Ergebnis beschrieb Zorn am 1.Oktober 1701 in einem Brief an den Löwenapotheker in Leipzig:

    "Nur dienet zur Nachricht wegen meines gewesenen discipuli, das in Gegenwart meiner von in 3 Lot Zwei-Groschen-Stücken, so ich selbst geschmolzen, durch seine Tinktur, welches als ein dunkelrotes Glas war und nur ein Gran schwer, indem er es dareingetan, alsofort das feinste Gold an 3 Lot schwer und alle Proben ausgehalten."

    War es Böttger tatsächlich gelungen, aus Silber Gold zu machen? Wohl kaum, doch die Nachricht macht die Runde und erreicht auch den finanziell klammen preußischen König Friedrich I. Der bestellt den angeblichen Goldmacher zu sich an den Hof. Als Böttger nicht freiwillig erscheint, setzt er eine Belohnung von 1000 Talern für dessen Ergreifung aus. Böttger flieht in einem Planwagen versteckt nach Wittenberg in Sachsen. Apotheker Zorn ist nicht amüsiert:

    "Wenn ich solches gewusst, als dann kund geworden, ich hätte den Burschen nicht von mir lassen wollen, sondern an eine starke, eiserne Kette legen lassen und nicht eher losgelasssen, bis er mir solche zu Gold gemacht!"

    Die Flucht führte Böttger vom Regen in die Traufe, denn auch der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke hatte chronische Geldsorgen. Am 29. November 1701 lässt er seinen Goldjungen unter starker Bewachung nach Dresden bringen. Der gerade 19-jährige Apothekerlehrling ist hier zwar in Sicherheit vor den preußischen Häschern, aber zugleich in einer verzweifelten Lage. Denn August der Starke will Gold sehen, Gold, das Böttger nicht machen kann. So hält er seinen Herren mit Versprechungen hin:

    ": So gelobe und verspreche ich eurer Majestät, das ich mir niemals und zu keiner Zeit ohne Bewilligung und allergnädigstes Belieben eurer Majestät mich aus dero Kurfürstentum Sachsen entfernen will. So gelobe und verspreche ich alles was meines Wissens ist und eurer Majestät oder derolauten zu Nutzen gereichen kann, absonderlich mein Wissen des Arkanum, treu und aufrichtig, ohn einigen Falsch und Hünterhalt, mit meiner eigenen Hand geschrieben, schriftlich zu übergeben."

    August der Starke stellt Böttger zwei Aufseher an die Seite, den Bergbaubeamten Gottfried Pabst von Ohain und den bedeutendsten Gelehrten Kursachsens, Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Letzterer ist seit Jahren einem anderen Geheimnis auf der Spur - dem der Porzellanherstellung. Die Kunst des Porzellanmachens beherrschen damals nur die Chinesen und Japaner, entsprechend rar und kostbar ist das Material. Gelänge es Böttger und Tschirnhaus Porzellan zu machen, könnten sie August den Starken vielleicht von seiner Gier nach Gold ablenken. Und tatsächlich: Am Jahresende 1707 gelingt der Brand des ersten europäischen Hartporzellans. Ihro Majestät ist zwar begeistert, doch für Böttger bedeutet das keineswegs die Freiheit. Erst im Jahr 1714, nach fast 13-jährigem Arrest, kommt er frei, darf allerdings das Land nicht verlassen und das Geheimnis der Porzellanherstellung nicht verraten. 1719, im Alter von nur 37 Jahren, stirbt Johann Friedrich Böttger. Das Dilemma, in das ihn seine alchemistischen Experimente getrieben haben, hat er selbst in einem Gedicht beschrieben:

    "Es will der König sich nach goldnen Früchten sehnen/ so doch die schwache Hand nicht überreichen kann./ Drum lässt sie nur Porphyr und Borax in Kristallen/ jetzt vor des Königs Thron statt jenes Opfer fallen/ ja sie reicht selbst das Herz in porzellanen Schalen/ und bietet beides hier zu einem Opfer an/ doch will sie nicht hierdurch die schnöde Schuld bezahlen/ so doch vergossnes Blut alleine tilgen kann."