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Weit weg von grünem Standard

Der Kartonhersteller Tetra Pak verwende in seinen Werbekampagnen "irreführende Falschaussagen", so die Deutsche Umwelthilfe. Tetra Pak erwecke den Eindruck, seine Produkte zu 100 Prozent zu recyceln. Das sei falsch. Die Umwelthilfe reicht nun Klage gegen den Kartonhersteller ein.

Von Philip Banse | 17.10.2011
    Wegen "unzulässiger Irreführung der Verbraucher" hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Klage gegen den Kartonhersteller Tetra Pak eingereicht. Damit solle die Werbeaussage, Getränkekartons würden «vollständig recycelt», in Zukunft verboten werden, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Montag in Berlin. In Wirklichkeit werde nur ein Drittel der Getränkekartons recycelt.

    Zudem sei das vor zehn Jahren vom Umweltbundesamt verliehene Prädikat "ökologisch vorteilhaft" für Getränkekartons fragwürdig, sagte Resch. Die Verpackungen seien in den vergangenen Jahren deutlich schwerer geworden und würden mehr Kunststoffe und Aluminium enthalten.
    Mit der Milch hatte es angefangen. Heute ist Tetra Pak Marktführer bei Karton-Getränkeverpackungen und hat zum Beispiel bei H-Milch-Verpackungen einen Marktanteil von 82 Prozent. Und es hat Ziele, Umweltziele, die Tetra Pak erreichen will mit nachhaltigen Verpackungen aus erneuerbaren Materialien. Dazu gehört, dass bis 2020 die Recyclingquote verdoppelt werden soll. Was nach eigener Aussage ökologisch vorteilhaft daherkommt, beziehungsweise auch so eingestuft wurde, ist aber für die Deutsche Umwelthilfe nur Makulatur. Sie wirft dem Unternehmen vor, diesem Kriterium nicht zu entsprechen und Verbraucher hinters Licht zu führen. Philip Banse, Sie haben die Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe besucht: Was genau kritisiert die Organisation?

    Die Deutsche Umwelthilfe wirft Tetra Pak vor, die Verbraucher bewusst zu täuschen. Der Marktführer bei der Herstellung von Getränkeverpackungen erwecke in seinen Werbekampagnen den Eindruck, dass Getränkeverpackungen besonders umweltverträglich seien und zu 100 Prozent recycelt würden, kritisiert Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Das sei eine irreführende Falschaussage und deswegen werde die Deutsche Umwelthilfe heute Klage einreichen. Heike Schiffler, Sprecherin von Tetra Pak, weist den Vorwurf zurück. Das Unternehmen habe stets nur behauptet, dass Getränkekartons zu 100 Prozent wieder verwertet werden können. Diese Strategie sei schon perfide genug, weil - juristisch schwer angreifbar - etwas Falsches suggeriert werde, kritisiert Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Wir haben aber eben auch eine Formulierung gefunden, die eben auch gebraucht wird, und die lautet: vollständiges Recycling. Und deswegen greifen wir hier den Begriff "vollständiges Recycling" an, weil das unseres Erachtens ganz eindeutig falsch ist. Vollständiges Recycling ist das nicht, was hier beim Getränkekarton stattfindet und diese Aussage darf nicht getroffen werden."

    Denn Getränkekartons würden nicht komplett, sondern nur zu einem Drittel wieder verwertet, sagt Maria Elander von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Bezogen auf das Gewicht der insgesamt in Deutschland in den Verkehr gebrachten Getränkekartons werden nur 34 Prozent recycelt. Und das ist eine ganze andere Nummer als das, was Tetra Pak und Branchenvertreter vermitteln."

    Statt 100 Prozent Recyclingquote also nur 34 Prozent Recycling - Tetra Pak weist diese Zahlen zurück. Die Berechnungsmethode der Deutschen Umwelthilfe entspräche nicht den Standards der Bundesregierung. Tetra Pak, sagt, 64 Prozent der Getränkekartons würden recycelt. Wie kommt die Deutsche Umwelthilfe zu diesem Zahlen? Die Deutsche Umwelthilfe nimmt erstens die gesamte Menge der in Deutschland in Umlauf gebrachten Getränkeverpackungen. Davon würden schon mal nur 75 Prozent im Gelben Sacken landen, der Rest würde als Restmüll verbrannt. Von den 75 Prozent im Gelben Sack würden in den Sortieranlagen weitere zehn Prozent der Getränkeverpackungen aussortiert und verbrannt. Und in den Recyclinganlagen würden dann weitere Getränkeverpackungen aussortiert, weil sie etwa zu nass seien. Vom Rest würde dann wiederum nur der Zellstoff wiederverwertet. Nicht jedoch andere Stoffe der Verpackungen wie Aluminium und Kunststoff. Aus dieser so berechneten sehr niedrigen Recyclingquote leitet die Deutsche Umwelthilfe eine zentrale Forderung ab: Getränkeverpackungen dürften nicht mehr als "ökologisch vorteilhaft" gelten. Das wiederum würde bedeuten: Es müsste Pfand erhoben werden, etwa auf Milch und Saft in Tüten.

    "Wir sind der Auffassung, dass es nicht gerechtfertig ist, dass eine Einwegverpackung wie der Getränkekarton vom Pfand befreit ist. Denn mit Pfand bekommen wir eine ganz andere Rückgabequote. Zudem sind die Pfandkartons viel reiner sortiert und damit wesentlich besser zu recyceln."

    Bislang gelten Getränkeverpackungen als "ökologisch vorteilhaft", weil das Umweltbundesamt eine günstige Klimabilanz errechnet hat. Diese Berechnungen sind allerdings rund zehn Jahre alt und dieser Zeit hätten sich Getränkeverpackungen grundlegend verändert, sagt die Deutsche Umwelthilfe: So seien Getränkeverpackungen schwerer geworden; sie bestünden oft zu großen Teilen nicht aus Zellstoff, sondern aus Kunststoff; und nicht zuletzt hätte das Umweltbundesamt in seiner Ökobilanz angenommen, dass knapp 70 Prozent der Getränkekartons wieder verwertet werden - und nicht 34 Prozent. Das Umweltbundesamt bestätigte eben, dass es die Klimabilanz der Getränkeverpackungen überprüft. Erste Ergebnisse werde es Anfang 2012 geben. Das Umweltbundesamt weist jedoch darauf hin, dass sich Getränkeverpackungen nicht nur zum Schlechteren verändert hätten. Ökologisch besser sei etwa, dass diese Getränkekartons nicht mehr wie früher auf Deponien landeten. Da ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen.