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Weiter staatsfern?
CDU-Politiker jetzt KEF-Mitglied

Bereits im Juni hatten die Ministerpräsidenten Ulli Meyer zum Mitglied der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) berufen. Meyer ist Bürgermeister von St. Ingbert und war bis Oktober Staatssekretär in der saarländischen Landesregierung (CDU/SPD). Daran gibt es Kritik, weil aktive Politiker nicht Teil des Gremiums sein sollten.

Von Christopher Ophoven | 08.07.2020
    Die Flaggen mehrerer Bundesländer, darunter Mecklenburg-Vorpommern, und Hamburg, wehen an Masten
    Wehende Flaggen deutscher Bundesländer (dpa / Stefan Sauer)
    Der Posten in der Kommission war mehrere Monate unbesetzt, nachdem der bisherige Vertreter des Saarlands, Norbert Holzer, im Februar gestorben war. Die saarländische Landesregierung nominierte daraufhin den 46-jährigen Meyer, der im vergangen Jahr zum Bürgermeister der Stadt St. Ingbert gewählt worden war.
    Laufbahn in der Politik
    Bis dahin war Meyer seit 2017 Staatssekretär im saarländischen Finanzministerium. Der CDU-Politiker bekleidete auch schon vorher zentrale Positionen im saarländischen Politikbetrieb. Er war Büroleiter unter Ministerpräsident Peter Müller und unter Annegret Kramp-Karrenbauer mehrere Jahre stellvertretender Chef der Staatskanzlei.
    Meyer vertritt in der KEF also ein Bundesland, dessen Landesregierung er bis vor einem Jahr noch angehörte und für die er jahrelang gearbeitet hat. Genau daran stört sich die Sprecherin für Netzpolitik der Grünen im Bundestag Tabea Rößner. Sie schreibt auf ihrer Homepage:
    "Mit der Berufung eines aktiven Politikers in die KEF setzt die saarländische Regierung das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufs Spiel."
    CDU-Politiker in der KEF:
    Im Interview äussert sich Medienrechtler Bernd Holznagel kritisch zur Berufung von Ulli Meyer in die KEF. Holznagel ist Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster.
    Unabhängiger Sachverständiger?
    Laut Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag dürfen Politiker nicht in das Gremium gewählt werden, damit die Staatsferne gewährleistet wird. In dem Gesetz werden allerdings nur Bundes- und Landespolitiker explizit ausgeschlossen – Bürgermeister nicht.
    Der Medienrechtler Professor Bernd Holznagel von der Universität Münster sagte im Deutschlandfunk, dass Meyer trotzdem nicht in das Gremium hätte gewählt werden dürfen: "Hier spricht vieles dafür, dass das Verfassungsrecht dagegen spricht, dass Meyer ins Gremium berufen werden kann, denn die KEF ist, so Duktus des Verfassungsgerichts, staatsfern oder staatsfrei zu besetzen."
    Holznagel, der 2019 eine medienrechtliche Studie im Auftrag von Deutschlandradio verfasst hat, steht mit dieser Meinung nicht allein da. Wie Holznagel verweist auch der Medien- und Verfassungsrechtler Dieter Dörr im Fachdienst Medienkorrespondenz auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2014. Das Gericht hatte damals entscheiden, dass der ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig ist, weil die Aufsichtsgremien der Anstalt mit zu vielen Politikern besetzt sind. In diesem Urteil werden dazu auch Bürgermeister gezählt.
    Die Rundfunkkommission der LänderMedienpolitik ist in Deutschland Ländersache. Die Vertreter der Landesregierungen kommen deswegen regelmäßig zusammen, um zum Beispiel zu diskutieren, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk kosten darf.
    Politik sieht kein Problem
    Die saarländische Landesregierung verteidigt die Berufung, weil Meyer über die entsprechende Fachexpertise verfüge und kein Interessenkonflikt vorliege. "Die Landesregierung teilt die vorgetragene Kritik daher nicht," schreibt der Sprecher der Landesregierung auf Nachfrage von @mediasres.
    Ähnlich fällt die Antwort der rheinland-pfälzischen Landesregierung aus, die in der "Rundfunkkommission der Länder" die Medienpolitik koordiniert: "Beim konkreten Fall lag das Vorschlagsrecht für die Nachbenennung beim Saarland. Juristisch betrachtet ist die Benennung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht zu beanstanden." Das sogenannte "ZDF-Urteil" sei kein Maßstab, weil sich es sich auf ein Aufsichtsgremium beziehe und nicht auf eine Sachverständigen-Komission, die den Finanzbedarf regele, heißt es in einer Mail der Landesregierung.