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Weiterer Aufschub - neue Verhandlungen:

Seit gestern liegt er nun vor: der neue Vorschlag von Toll Collect zur Einführung einer Lkw-Maut in Deutschland. Und spätestens seit heute ist klar, auch dieser Plan stößt, vorsichtig formuliert, auf ein zwiespältiges Echo. Es gibt einen weiteren Aufschub und neue Verhandlungen. Die Maut soll nun Ende dieses Jahres in Betrieb gehen in abgespeckter Version, voll funktionsfähig erst Ende 2005.

Von Volker Finthammer, Brigitte Scholtes und Peter Kapern |
    13 Jahre hat es gedauert, bis die LKW Maut im Bundesgesetzblatt stand. Doch bei der Umsetzung sollte es zu guter Letzt ganz schnell gehen. In nur elf Monaten wollte das Konsortium Toll Collect ein bundesweit funktionierendes Mautsystem aufbauen, das in dieser Form einmalig auf der Welt sein sollte. Ein Exportschlager Made in Germany. Als nach langem hin und her und einem Rechtstreit über die Ausschreibung des Systems im September 2002, also kurz vor der Bundestagswahl, die Verträge unterschrieben wurden, sprach der damalige Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) von einem Leitsystem für Europa:

    Deutschland wird in einem solchen System eine internationale Vorreiterrolle einnehmen, denn es wird keine Mauthäuschen geben, keine besondere Spurbindung und keine durch die Mauterhebung veranlasste Geschwindigkeitsbeschränkung geben.

    Nicht minder optimistisch gaben sich die Vertreter des Konsortiums. Klaus Mangold, damals noch Vorstandsvorsitzender der Daimler Chrysler Services, die mit der Deutschen Telekom und der französischen Autobahngesellschaft Cofiroute zu den Partnern in dem Konsortium zählte, hoffte auf eine völlig neue Dimension in der privaten Finanzierung öffentlicher Projekte.

    Es sind auch Kosten drin, die wir glauben, sinnvoll auch denn später mal ausnützen zu können für die Ausrollung des Systems in andere Länder hinein.

    Fortan schaute die Welt gespannt auf den 31. August 2003. An diesem Tag sollte der Startschuss fallen. Allerdings wurden in der Eile, die der Verkehrsminister seinerzeit an den Tag gelegt hatte, auch einige Fehler begangen, die sich später sträflich rächen sollten. So gestand Bodewig seinerzeit eine Änderung bei den Vertragsstrafen zu. Statt 7,5 Mio. Euro am Tag sollte das Konsortium lediglich 7,5 Mio. Euro im Monat zahlen, wenn das System zum vereinbarten Termin nicht lauffähig sein sollte. Die ersten drei Monate sollten zudem noch ganz straffrei bleiben. Eine verlängerte Probezeit für das Konsortium, das offenbar die technischen Probleme auf sich zukommen sah.

    Die Unterzeichnung des Mautvertrages war unterdessen Bodewigs letzte große Amtshandlung. Er musste nach der Bundestagswahl dem ostdeutschen Manfred Stolpe weichen, der zuvor zwar nicht als Verkehrsexperte bekannt war, wohl aber aus Proporzgründen als Vertreter der ostdeutschen Länder ernannt wurde. Der Aufbau Ost mag Stolpe noch am Herzen gelegen haben. Mit der Maut aber handelte er sich ein neues Thema ein, das sich wie eine Schlinge um seinen Hals legte. Denn bereits Ende Juli gab es ersten Wirbel über technische Anlaufprobleme und fehlende Abrechnungscomputer. Kurz: Der Starttermin Ende August wurde um knapp zwei Monate auf Anfang November verschoben. Und Verkehrsminister Manfred Stolpe glaubte die Probleme bereits identifizieren zu können:

    Der Probebetrieb hängt noch an ein paar inzwischen identifizierten offenen Fragen. Jetzt weiß man, woran die Probleme liegen und dass sie lösbar sind. Und das wird in den allernächsten Tagen erarbeitet. Dann geht der richtige förmliche Probebetrieb los.

    Auch das Konsortium zeigte sich zuversichtlich, den neuen Termin halten zu können. Schließlich seien die ersten Tests positiv verlaufen, erklärte Toll Collect Manager Michael Rummel im September des vergangenen Jahres.

    Wir haben einen Betreibervertrag, der vorsieht, dass wir jetzt mit einer vorgeschalteten Einführungsphase zum 2. November dann in den eigentlichen Betrieb gehen. Und dann werden wir aus derzeitiger Sicht Ende Oktober mit dem Betrieb beginnen.

    Doch aus der Probephase ab Mitte Oktober wurde wieder nichts. Zu groß sind bis heute die technischen Probleme mit den so genannten On-Board-Units, den etwa Autoradio großen Empfängern, die nach dem Drehen des Zündschlüssels über Funk Kontakt mit dem Rechenzentrum von Toll Collect in München aufnehmen und über einen ständigen Datenaustausch die gefahrenen Autobahnkilometer exakt in Rechnung stellen sollen. Seit Mitte Oktober hat der Streit über die Maut jedoch nicht nur eine technische, sondern zusätzlich eine finanzielle Dimension, für die gleichermaßen eine Lösung gefunden werden muss.

    Auf rund 180 Mio. Euro belaufen sich die monatlichen Einnahmeausfälle des Bundes aufgrund der fehlenden Maut. Dabei hatte die Regierung zuvor pünktlich zum ursprünglichen Starttermin die Eurovignette in den Ruhestand geschickt, die immerhin für Einnahmen von 40 Mio. Euro im Monat gesorgt hatte. Vor diesem Hintergrund kamen beruhigende Worte des Konsortiums immer weniger gut an.

    Wir haben ein System, von dem wir glauben, dass es funktioniert. Wer sich das alles mal anschaut, der weiß, dass das wirklich "Hightech at its best" ist.

    Sagte der Daimler Chrysler Chef Klaus Mangold noch im vergangenen Oktober. Doch kurze Zeit später begann im Konsortium das Stühlerücken. Der Chefmanager Michael Rummel musste seinen Platz räumen, und auch Klaus Mangold schied aus dem Aufsichtsrat von Toll Collect aus. Die neue Führung unter dem Telekommunikationsexperten Peter Mihatsch begab sich seitdem auf Fehlersuche und Telekom Vorstandsmitglied Josef Brauner, geschubst durch den Hauptaktionär, der Bundesregierung, erklärte die Maut zur Chefsache, vermied es aber einen neuen Starttermin zu nennen.

    Bei einem komplexen System wie diesem können sie keine
    Garantie übergeben. Das wäre unseriös.


    Frühestens im Frühjahr 2004 könnte das System funktionieren. Verkehrsminister Manfred Stolpe aber, der bislang Verständnis für die Verzögerungen aufbringen konnte, bekam in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages die Pistole auf die Brust gesetzt. Allein 680 Millionen Euro entgingen dem Bund im Jahr 2003. Und für das Jahr 2004 wurden weitere Milliardenausfälle erwartet, so dass bereits im vergangenen November im Verkehrsetat des Bundes Ausgaben von 1 Milliarde für das Jahr 2004 gesperrt wurden, die durch die Mauteinnahmen finanziert werden sollten.

    Also, es muss Klarheit geschaffen werden. Und das war unsere Forderung an die Bundesregierung, wie es nun weitergeht, wann das funktionierende System möglich ist. Denn alle Alternativen hängen ja davon ab, wann und ob das System funktioniert.

    So der Vorsitzende des Verkehrsauschusses Eduard Oswald (CSU) Anfang Dezember. Ein Ultimatum sollte die Sache beschleunigen helfen. Denn von Mitte Dezember an war die Kündigung des Vertrages eine Option, über die die Bundesregierung einen Schlussstrich unter die unendliche Geschichte ziehen kann. Bis zum Jahresende sollte das Konsortium sich erklären, wann die Maut starten und wie die Entschädigung für die Einnahmeausfälle aussehen könnten:

    Es wäre eine auch von den Partnern her nicht vertretbare Situation, auf das Jahr 2005 zuzugehen. Der Zeitpunkt des Starts, der verlässliche Zeitpunkt des Starts ist ein wichtiger Faktor in unserer Abwägung, die wir zu treffen haben.

    Wieder eine Hoffnung des Verkehrsministers, die nicht erfüllt wurde. Das Konsortium ließ einen Monat länger auf die Bekantgabe der neuen Planungen warten, und das neue Konzept, das in dieser Woche im Verkehrsministerium eingereicht wurde, legt den Start einer eingeschränkten Version auf das Jahr 2005, und schreibt verschämt den 31.12.2004 auf das Papier. Erst im Jahr 2006 soll das System voll lauffähig sein. Doch ob der ganzen Vorgeschichte der LKW-Maut, bei der bereits das Ausschreibeverfahren eng auf das Konsortium von Daimler Chrysler und Deutscher Telekom zugeschrieben wurde, bleibt die Bundesregierung offensichtlich eng an das Konsortium gebunden. Bundeskanzler Gerhard Schröder fand da zuletzt klare Worte:

    Niemand kann ein Interesse daran haben, dass diese beiden bedeutenden deutschen Unternehmen, dass die das nicht hinbekommen. Niemand kann ein Interesse daran haben, weil die Alternativen auch nicht berauschend sind. Ich verstehe ja alle, die darüber ärgerlich sind. Was glauben Sie, wie ärgerlich ich darüber bin und der Verkehrsminister erst recht, denn der kann ja nichts daran tun. Der kann ja schlecht die Units selber einbauen.

    So Schröder zu Beginn dieses Jahres auf der Jubiläumsfeier zur Bahnreform. Vorsorglich hat Verkehrsminister Manfred Stolpe dem Konsortium bereits 1,3 Mrd. Euro an Schadenersatzforderung in Rechnung gestellt. Darüber solle doch ein unabhängiges Schiedsgericht entscheiden. Das Konsortium drängt jetzt allerdings darauf, die Haftung für spätere Ausfälle auf ein halbe Mrd. Euro zu begrenzen.
    Diese Haftung soll zudem erst greifen, wenn das Mautsystem ab 2006 die vorläufige Betriebserlaubnis auch erhalten hat. Ab 2005 jedoch soll der Bund für die Bereitstellung des Mautsystems zahlen. Für den Grünen Verkehrsexperten Albert Schmidt enthält das neue Angebot zu viele Fallstricke. Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte derweil den neuen Zeitplan und hält eine Stufenlösung für vertretbar. Auch für Telekom-Vorstand Josef Brauner ist eine Kündigung vom Tisch. Klar sind indessen nur die Mautausfälle im Verkehrsetat von rund 2,2 Milliarden Euro allein in diesem Jahr, die Stolpe in schwierigen Verhandlungen mit Finanzminister Hans Eichel anderweitig ausgleichen muss. Zugleich steht der Verkehrsminister vor dem Problem, sich bei den anstehenden Nachverhandlungen nicht erneut über den Tisch ziehen zu lassen.

    Betroffen von der Maut-Einführung sind vor allem die Spediteure. Was sie von dem neuen Vorschlag halten, schildert Brigitte Scholtes:

    Den Spediteuren ist das Lachen vergangen. Sie müssen im April wieder einmal ihre Lastwagen in die Werkstatt bringen, denn dann werden die etwa 120.000 schon eingebauten Maut-Erfassungsgeräte, die so genannten On-Board-Units, wieder ausgebaut und ersetzt durch baugleiche neue, mit einer ebenfalls ganz neuen Software. Mit der soll dann die erste Stufe der Maut zum Jahresende starten. Ob diese Software aber funktionieren wird, bezweifelt Karl-Heinz Schmidt, der Hauptgeschäftsführer des BGL, des Bundesverbandes Güterkraftverkehr und Logistik:

    Die alte Software hatte so viele Probleme, und wir können uns schwerlich vorstellen, dass auf gleicher Technologieplattform nachher etwas läuft, was vorher nur katastrophale Ergebnisse gezeigt hat. Vielleicht ist es ein bisschen besser. Aber es wird immerhin den Gebührenrechten der Bundesrepublik Deutschland standhalten müssen. Und das bedeutet, jede Fehlerquote, die deutlich über drei bis fünf Prozent geht, ist nicht tolerabel und wird auch von uns nicht toleriert werden.

    Vier- bis fünfhundert Euro haben die Unternehmer für den Einbau jedes Geräts bisher bezahlt. Geld, das sie ohnehin zurückfordern und jetzt erst recht, da Toll Collect die Rückrufaktion gestartet hat. Doch den Unternehmern sind darüber hinaus noch erhebliche Unannehmlichkeiten entstanden, angefangen von den technischen Problemen, die die Mautgeräte an den Fahrzeugen verursacht haben, bis hin zu der Unsicherheit bei den Preisverhandlungen mit ihren Kunden:

    Die Auftraggeber haben uns weitestgehend gesagt, also wir reden jetzt nicht über Preise, solange nicht die Maut kommt, dann wollen wir das alles mit der Maut zusammen machen. Insofern haben wir jetzt schon einen Riesenschaden durch die Hängepartie, wir haben zwar keine Maut bezahlt, aber wir haben auch keine Preisrunde 2004 bekommen, und vielen Unternehmen steht das Wasser heute schon bis zum Hals. Wer keine Preisanpassung bekommt bei starken Kostensteigerungen im Bereich der Versicherungen, im Bereich des Personals und im Bereich der Energie, dann ist das für viele Betriebe das Aus. Deshalb wollen wir, wenn jetzt ein Mauttermin genannt wird, dass der realistisch ist.

    Allein in den letzten vier Jahren habe sich die Konkurszahl verdoppelt, sagt Schmidt. Die Wiedereinführung der Vignette aber sei keine Alternative:

    Die Vignette ist der so genannte Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben die europäische Wegekostenrichtlinie, die limitiert den maximalen Betrag auf 1.250 Euro pro Jahr. Die hatten wir ja, und die bringt dem Bund etwa 400 Millionen in die Kasse, die LKW Maut sollte weit über zwei Milliarden bringen. Wer also jetzt eine Vignette einführt, muss sie auch wenigstens für zwei Jahre einführen, schon wegen der technologischen Voraussetzungen, die dranhängen. Und das würde dann bedeuten, dass man in den nächsten zwei Jahren statt über zwei Milliarden "nur” 400 Millionen kassiert. Darüber kann man sich nicht recht freuen und auch die Vignette aus diesem Grunde schon nicht als Lösung des Problems bezeichnen.

    Sorgen aber machen sich die betroffenen Industrieverbände auch um eine weitere Folge der verzögerten Mauteinführung: Die Einnahmeausfälle wirken sich direkt auf die Verkehrsinvestitionen aus, für den Straßenbau, aber auch für den Ausbau des Schienennetzes. Denn dafür waren sie ja ursprünglich gedacht. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, sieht in diesen ausgefallenen Investitionen ein dringliches Problem:

    Sie sind nicht nur ein Problem der ausgefallenen Maut. Sie sind durch die ausgefallene Maut verschärft worden. Aber ich sagte dieses deshalb, weil wir von Anfang an kritisiert haben, dass der Bundesfinanzminister, gleich nachdem die Konzeption der Maut aufgelegt wurde, die Konsequenzen daraus gezogen hat und entsprechende Mittel in seinem Haushalt, für den Verkehrshaushalt und insbesondere für den Verkehrshaushalt der Straße, entsprechend reduziert hat. Dieses war die eigentlich falsche Entscheidung.

    Gottschalk traut Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe und Bundesfinanzminister Hans Eichel zwar genügend Kreativität zu, diese fehlenden Mittel zusammenzubringen.
    Nun könnte man ja annehmen, dass die Spediteure durch den Ausfall der Maut im laufenden Jahr doch Kosten sparen, im Schnitt sind das 12,4 Cent pro Kilometer. Doch freuen können sich eigentlich nur die Verbraucher, erklärt BGL-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Schmidt:

    Die Lkw Maut, wenn sie denn gekommen wäre, wäre eine Steigerung der Kosten im Lkw-Transport von 15 Prozent gewesen. Jeder weiß, dass kaum etwas auf die Eisenbahn zu verlagern ist - das wird nur nicht gesagt. D.h., letztendlich hätte der Konsument im Supermarkt die Maut bezahlt (...), so dass der Bürger sich darüber freuen kann, dass diese versteckte Steuererhöhung, was anderes ist es ja nicht, an ihm bislang vorübergegangen ist.

    Die Spediteure sind trotz der höheren Kosten durch eine Mauterhebung aber doch für deren baldige Einführung:

    Mit der Maut sollte ja auch ein Stück Harmonisierung kommen, die liegt natürlich genauso auf Eis wie alles andere, und wir brauchten dringend diese europäische Wettbewerbsangleichung. Wir verlieren etwa pro Jahr zwischen 10- und 20.000 schwere Nutzfahrzeuge im internationalen Wettbewerb mit unseren EU-Konkurrenten. Nach der Ost- Erweiterung rechnen wir in den nächsten vier Jahren, dass rund 100.000 Arbeitsplätze in unserem Gewerbe verloren gehen, wenn es nicht zu einer nachhaltigen Angleichung der Wettbewerbsbedingungen kommt.

    Denn solange die Maut nicht eingeführt ist, können ausländische Unternehmen in Deutschland ihre Speditionsleistungen erheblich günstiger anbieten als die deutschen Unternehmer. Bis die Maut aber nicht nur in der ersten Stufe eingeführt ist, sondern in der endgültigen Version, wird es wiederum länger dauern als von Toll Collect bisher verkündet. Denn das Konsortium hatte als Zeitpunkt für den Beginn der zweiten Phase Ende 2005 genannt. Das halten die Spediteure für unrealistisch.

    Der Bundesverkehrsminister hat in Sachen Lkw-Maut nicht nur Ärger mit der Politik, mit dem Betreiber oder, wie wir eben hörten, ein wenig mit den Brummi-Unternehmen, nein, es gibt nach wie vor auch Unstimmigkeiten zwischen Brüssel und Berlin.

    Mitte Juli 2003 wurde offensichtlich, dass sich Brüssel und Berlin auf Kollisionskurs in Sachen Lkw-Maut befanden, da leitete die EU-Kommission nämlich ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland ein, ein klares Signal, das bedeutete: So, wie ihr die Maut plant, stimmt sie nicht mit europäischem Recht überein. Die für den Verkehr zuständige Kommissarin, Loyola de Palacio, stieß sich vor allem an einer Regelung, nämlich an der Kompensation für deutsche Spediteure. Die hätten ihre in Deutschland gezahlte Mineralölsteuer teilweise mit der Lkw-Maut verrechnen dürfen. Dahinter vermutete die Kommission einen Verstoß gegen den Binnenmarkt und das europäische Beihilferecht. Mindestens bis zum Jahresende, so die Ankündigungen der Kommission im vergangenen Juli, werde die Prüfung dauern. Und bis dahin, so das Verdikt, dürfe die Maut in Deutschland nicht erhoben werden. Um zu retten, was zu retten war, machte sich Verkehrsminister Manfred Stolpe vier Wochen später auf den Weg nach Brüssel. Dort handelte er mit der Verkehrskommissarin einen Deal aus: Die Maut an sich bekam den Brüsseler Segen, aber die Kompensationsregelung musste storniert werden. Manfred Stolpe:

    Wir werden die Entscheidung abwarten über das Maut-Ermäßigungsverfahren, das ansteht. Und wir werden danach zu befinden haben, ob dieses Verfahren durchsetzbar ist, d. h. also, ob es akzeptiert ist von der Kommission oder ob wir eine andere Variante wählen müssen.

    Während der Auseinandersetzung, die das Brüsseler Sommerloch füllte, machte Loyola de Palacio keinen Hehl daraus, dass ihr die gesamte deutsche Maut-Regelung gegen den Strich ging, und zwar aus einem einfachen Grund. Während in Deutschland nämlich ein Maut-System aus der Taufe gehoben wurde, das sich in vielen Details von den in Frankreich, Italien und anderen Ländern geltenden Systemen unterschied, bemühte sich die Kommissarin um eine Harmonisierung. Ihre Experten arbeiteten gerade an einer Neufassung der EU-Wegekostenrichtlinie, vulgo Euro-Vignette. Mitte Juli, als der Streit mit Berlin gerade eskalierte, präsentierte Loyola de Palacio ihre Pläne der Brüsseler Presse:

    Dies ist sicherlich ein schwieriger Vorschlag für einen sensiblen Sektor, der von entscheidender Bedeutung ist für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Es geht nicht darum, irgendjemanden zu bestrafen. Es geht ausschließlich darum, die Kosten tatsächlich dem aufzuerlegen, der die Infrastruktur nutzt, und nicht dem Steuerzahler allgemein.

    Auf allen transeuropäischen Autobahnen, so der Kommissionsplan, soll vom 1. Januar 2005 an bei Lastwagen von mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht eine entfernungsabhängige Maut kassiert werden. Brüssel zog außerdem enge Grenzen, was die Höhe und die Verwendung der Maut angeht. Nur die Summe, die ein Staat für die Instandhaltung bestehender oder den Bau neuer Autobahnen ausgibt, sollte er bei den Straßenbenutzern abkassieren dürfen. Das schloss Quersubventionierungen aus. Die Verwendung von Maut-Einnahmen, etwa zum Bau von Eisenbahnstrecken, wollte die Kommission nur in ökologisch sensiblen Gebieten wie den Alpen genehmigen. Mit diesem Entwurf, das war klar, war die deutsche Maut-Regelung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Und das wusste auch Manfred Stolpe.

    Sollte also am Ende ein Text dabei herauskommen, der sich an ein paar Punkten erheblich stößt an den Regelungen, die wir haben, dann werden wir dementsprechend bei uns nachsteuern müssen.

    Der Kommissionsentwurf ist derzeit auf dem Weg durch die europäischen Instanzen. Bis zum Sommer soll der Auftrag, den die Regierungschefs bei ihrem letzten Gipfeltreffen den Verkehrsministern erteilt haben, soll das Ganze unter Dach und Fach sein. Im Dezember befasste sich das Europaparlament schon einmal mit der Frage, ob die Technik zur Maut-Erfassung europaweit harmonisiert soll. Die Abgeordneten sprachen sich dabei gegen das Vorhaben der Verkehrskommissarin aus, das deutsche satellitengestützte Maut-System zur Norm für die ganze EU zu machen. Der Markt solle entscheiden, so das Parlament, welches Erfassungssystem das beste sei.

    Das Thema Lkw-Maut ist aber noch längst nicht abgeschlossen. Fortsetzung folgt.