"Jetzt kommen wir in den Eingangsbereich, wo also die Anmeldungen für die Teilnehmer - ein bisschen sieht es hier aus wie beim Arzt. Wir haben die Stühle hier an die Wand gestellt. Wir haben innerhalb von zwei Wochen das komplett hier auf die Beine gestellt und wir haben für meinen Geschmack außerordentlich schöne Schulungsräume erstellt."
Bochum, Bergmannstraße 32. An diesem sonnigen Apriltag erscheint das Industriegebiet mit den modernen Gebäuden durch die grünen Büsche und Bäume freundlich und hell. Gabriele Brinkmann führt durch das Erdgeschoss eines zweigeschossigen flachen Gebäudes. Hier entsteht ihr zweites Standbein: Ein Schulungszentrum, das vom Arbeitsamt zertifizierte Ausbildung anbietet.
"Unsere erste Maßnahme, die wir jetzt zertifizieren lassen am 30. April, heißt "Modulare Transporttechnik", das heißt, die Leute können bei uns den Kranschein erwerben, Kopf-Kabel-Magnetkran, Gabelstaplerschein. Wir machen Ladungssicherung. Hubarbeitsbühnen haben wir noch mit in unseren Bereich aufgenommen."
Eigentlich ist Gabriele Brinkmann Chefin einer Zeitarbeitsfirma, die ihr zusammen mit ihrem Mann gehört. Eigentlich beschäftigt sie Stahlarbeiter oder Spezialisten für Schallschutz, Wärme- und Kältetechnik. Da sie aber für einige der über 200 Mitarbeiter seit Februar Kurzarbeit angemeldet hat und die wiederum in einer Weiterbildungsmaßnahme sind, hatte sie die Idee für ein eigenes Schulungszentrum.
Gabriele Brinkmann hat den Job der Personaldienstleisterin von der Pieke an gelernt: Ursprünglich arbeitete sie bei Hoesch als Sekretärin in der Personalabteilung. Ihr Traum war, selbst mal Chefin zu werden. Doch das schien unerreichbar. Dann kam die Chance ihres Lebens:
Ihr ehemaliger Chef fragte sie, ob sie Lust hätte, Geschäftsführerin einer kleinen Zeitarbeitsfirma zu werden. Die junge Frau war begeistert: Endlich am Ziel! Mit den Reaktionen auf den Karrieresprung hatte sie allerdings nicht gerechnet. Als sie freudestrahlend nach Hause kam, zeigte sich ihr damaliger Mann reserviert und meinte,
"dass wäre ja dann besser, wenn man darüber nicht spricht, das bräuchten die anderen ja gar nicht wissen. Ich habe in zwei Welten gelebt. Ich habe in einer privaten Welt gelebt, wo ich das kleine Mäuschen war, was den Mund nicht aufmachte und im Unternehmen war ich halt die Geschäftsführerin."
Auch in der Firma hatte die neue Geschäftsführerin zu kämpfen. Einer ihrer engsten Mitarbeiter war 20 Jahre älter. Er hatte sich ursprünglich Hoffnungen auf ihren Job gemacht:
"Das war schon wirklich heftig. Der hat mich überhaupt nicht ernst genommen. Einer seiner Aussagen werde ich auch nie vergessen, meine Vorgängerin war ja auch eine Frau, etwas älter als ich, und seine Aussage war: 'Die schaffe ich auch noch!'."
Er schaffte sie nicht und musste sich arrangieren. Gabriele Brinkmann hatte damals das Glück, einen Vorgesetzten zu haben, der ihr Potenzial erkannte.
Das war vor 26 Jahren, ist aber heute immer noch die Ausnahme in der Wirtschaft. Aktuelle Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sprechen eine deutliche Sprache: In den 200 größten deutschen Unternehmen arbeiten nur 2,5 Prozent Frauen im Vorstand, bei Banken sind es gar nur 1,3 Prozent.
Zwar sieht es auf der mittleren Führungsebene etwas besser aus, doch nach wie vor gilt: Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Privatdozentin Dr. Elke Holst untersucht seit Jahren den Arbeitsmarkt und dabei insbesondere die Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Grundlage ihrer Studien bildet das sozioökonomische Panel. Das ist eine Befragung von über 12.000 Haushalten mit über 20.000 Personen, die jedes Jahr durchgeführt wird. In ihren neueren Forschungen geht es um Führungskräfte. In der Studie definiert Elke Holst sie als Personen, die
"in der Privatwirtschaft entweder Funktionen mit umfassenden Führungsaufgaben haben, also zum Beispiel Direktoren, Direktorinnen, Geschäftsführerinnen, Geschäftsführer oder auch Vorstände größerer Betriebe und Verbände"
oder aber
"in sonstigen Leitungsfunktionen tätig sind"
oder
"in hochqualifizierten Funktionen tätig sind als Abteilungsleiter, Abteilungsleiterin aber auch Ingenieurinnen, wissenschaftliche Angestellte und so weiter."
Seit 2001 beobachtet Elke Holst die Entwicklung und kommt zu dem Ergebnis,
"dass sich nichts signifikant verändert hat zu unserem Ausgangsjahr 2001."
Eine von ihr durchgeführte und jetzt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte Studie zeigt:
Im EU-Vergleich steht Deutschland bei dem Anteil von Frauen in Führungspositionen etwa im mittleren Bereich.
Frauen arbeiten - so Elke Holst - eher im Dienstleistungsbereich, Männer in der Produktion. Das heißt aber auch: Männer haben die besser bezahlten Jobs. Was die Wissenschaftlerin erstaunt hat, ist, dass selbst Männer in Frauenberufen besser bezahlt werden als die darin beschäftigten Frauen.
Auch der familiäre Status spielt eine Rolle:
"Wir sehen, dass Männer häufiger verheiratet sind als Frauen in Führungspositionen, wir sehen, dass in den Haushalten von Männern häufiger Kinder leben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Frauen in Führungspositionen seltener verheiratet sind und weniger Kinder haben, und das lässt sich natürlich vor dem Hintergrund erklären, dass die Frauen traditionell für die Familienarbeit zuständig sind und das lässt sich halt sehr schlecht mit einer Führungsposition vereinbaren."
Das sieht auch die Unternehmerin Gabriele Brinkmann so:
"Sie machen einen Führungspositionsjob nicht in acht Stunden. Das war noch nie so, ich habe jahrelang im Angestelltenverhältnis gearbeitet. Ich war zwar Geschäftsführerin in dem Unternehmen. Aber ich erinnere mich daran, wir haben im Unternehmen als EDV eingeführt wurde, haben wir da gesessen von morgens acht bis abends 23 Uhr, um diese EDV in diesem Unternehmen in Gang zu bringen. Das war ohne Vergütung, da hat ihnen auch keiner auf die Schulter geklopft und hat gesagt, das hast du jetzt supertoll gemacht, dass du so lange geblieben bist. Ich glaube, dann braucht man auch einen gewissen Ehrgeiz, dass man sagt, die Geschichte will ich fertig machen, und dann muss ich auch Zeit investieren."
Das geht nur unter einer Bedingung:
"Da brauchen sie natürlich, gar keine Frage, den richtigen Partner zuhause. Weil, wenn sie einen Mann zuhause haben, der da von Ihnen erwartet, dass er um 19 Uhr das Essen auf dem Tisch zu stehen hat, gibt es ein Problem."
Kinder hat Gabriele Brinkmann keine.
"Ich kann für mich persönlich nicht beurteilen, ob ich einen anderen Weg gegangen wäre, wenn das Thema Kinder ein Thema geworden wäre. Also mein jetziger Mann und ich, wir haben mal irgendwann, also wirklich mal kurz drüber nachgedacht, da war ich 35 oder 36, da haben wir überlegt, wollen wir das oder wollen wir das nicht, aber irgendwie ... Mein Mann und ich haben uns vielleicht zu spät kennengelernt, um eine andere Planung zu machen. Als wir uns kennengelernt haben, hatte ich schon den Job als Geschäftsführerin. Ich hatte meinen Weg für mich eigentlich schon ausgesucht."
Rückblickend meint sie:
"Heute, wenn ich mit 35, 36, 37 schwanger geworden wäre, bin mir ganz sicher, hätte ich die Geschichte auch parallel durchgezogen, gar keine Frage, weil im Kinderwagen kannste sie noch mitnehmen, und danach hätte man eine Lösung finden müssen. Natürlich ist das schwer, weil man findet keine Kindertagesstätten, hat da so seine Probleme. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch fairerweise sagen, wenn man in einer Führungsposition ist, man in der Regel auch ein bisschen mehr verdient als jemand anderes, und da muss man sich überlegen, ob man vielleicht den ein oder anderen Euro dafür aufwendet, sich vielleicht jemand privat sucht, der ihnen bei der Kindererziehung oder Hausreinigung hilft - dann dafür einen Euro ausgibt."
Ihr Mann arbeitet als Galerist. Diese Situation ist fast schon wieder typisch und entspricht dem, was auch die Studie von Dr. Elke Holst ergab.
"Was wir festgestellt haben ist, dass wenn eine Frau mit einem Mann verheiratet ist, der eine sehr gute Position hat, sie eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweist, in eine Führungsposition zu kommen. Aber ist eine Frau in einer Führungsposition und ist mit einem Mann zusammen, der ebenfalls eine Führungsposition einnimmt, dann sind sie auch sehr erfolgreich und hat die geringste Wahrscheinlichkeit, eine Führungsposition wieder zu verlieren, und hierunter sind die so genannten "double career couples" zu verstehen, und in Hinblick darauf, wie lange eine Frau eine Führungsposition einnimmt, ist diese Kombination eine ganz gute Kombination für Frauen."
Frauen, die schon Karriere gemacht haben, suchen sich Männer, die das akzeptieren.
"Das Neue ist an unserer Studie, dass es kaum so umfassende Informationen gibt zu Führungskräften, zur Struktur von Führungskräften nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten. Wir haben ja alle Bereiche untersucht, also auch Familie und Lebensfeld, und wir können sehr gut zeigen, die Risiken, denen, wenn die Familienbildung erfolgt, Frauen unterliegen. Und wir können dadurch sehr genau aufzeigen, wo Ansatzpunkte sein müssen. Was wir auch aufzeigen ist, dass allein das Merkmal Frau zu sein, viele Nachteile mit sich bringt, und diese Nachteile offenbar im Alltagswissen der Gesellschaft eingegraben sind und gar nicht erkannt werden zum Beispiel in Form von Stereotypen, die als Vorurteile dann rückwirken auf die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt."
Das heißt, wenn Frauen sich im gebärfähigen Alter für bestimmte Positionen bewerben, haben sie oft von vorne herein weniger Chancen als Männer. Die Angst, dass sie durch Kinderzeiten ausfallen könnten, verhindert ihre Einstellung, unabhängig davon, ob sie Kinder wollen oder nicht.
"An unserer Studie ist auch neu und wurde noch nie für Deutschland zuvor gemacht, dass wir die Führungskarrieren untersucht haben, dass wir geguckt haben, wenn Frauen und Männer einmal in ihrem Erwerbsleben eine Führungsposition erreicht haben, wie hoch sind die Risiken, sie wieder zu verlassen, wie hoch sind die Risiken, überhaupt eine Führungsposition zu erreichen, und da konnten wir genau das zeigen, wie hoch die familiären Risiken sind und wie schwer es vor allen Dingen ist, später wieder einzusteigen. Die Frauen kommen gar nicht auf dieselben Chancen wie Männer mehr, weil sie natürlich durch die Erwerbsunterbrechung, viel Berufserfahrung verloren haben."
Daraus folgert die Sozialwissenschaftlerin,
"dass eine durchgehende Erwerbskarriere gegenwärtig unabdingbar ist nahezu, um eine Führungsposition zu erreichen. Und wie wir wissen, weisen Frauen häufig perforierte Karrierewege auf, was ihre Chancen natürlich sehr senkt. Und diese perforierten Karrieren sind meist aufgrund von Familienbildung entstanden. Und ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, und auch für die eigene Daseinsvorsorge der Unternehmen nicht sinnvoll ist, wenn diese Personen, die Kinder bekommen, einfach, obwohl sie hervorragend ausgebildet sind, letztendlich aus Führungspositionen künstlich herausgehalten werden."
Diese Erkenntnis haben auch zwei andere Wissenschaftlerinnen gewonnen.
Prof. Katrin Leuze und Dr. Alessandra Rusconi vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben sich für ihre Studien die Ausbildung von Frauen näher angesehen.
Leuze: "Von den akademischen Abschlüssen, das ist ja eigentlich das Interessante, sind Männer und Frauen heute gleich qualifiziert. Wo sie sich natürlich nach wie vor unterscheiden sind die Studienfächer, in denen sie ihre Abschlüsse erwerben."
Rusconi: "Ich darf aber ergänzen: Also es stimmt zwar, dass Männer und Frauen mittlerweile etwa 50 Prozent sind, aber nach wie vor sind Frauen im Durchschnitt schneller und haben im Durchschnitt auch bessere Noten, wenn es eine reine Leistungsgesellschaft wäre, Frauen haben die besseren Noten und auch die besseren Abschlüsse im Sinne von Zeit erworben."
Zu den typischen Frauenfächern zählen nach wie vor Erziehungswissenschaften, Lehramt, Sozialwesen. Männer studieren überdurchschnittlich häufig Ingenieur- und Naturwissenschaften. Nach dem Studium geht es für Männer und Frauen erst mal ähnlich weiter.
Leuze: "Sie sind in sehr geringem Umfang nur arbeitslos. Die meisten arbeiten unmittelbar nach dem Abschluss. Und sie arbeiten meist auch in sogenannten Professionen, also hochqualifizierten Tätigkeiten. Wohingegen sie sich aber dann doch unterscheiden ist, dass sich Frauen viel öfter im Öffentlichen Dienst wiederfinden und Männer öfter in der Privatwirtschaft."
Ein Grund könnte darin liegen, dass
"wenn einmal der Einstieg in den Öffentlichen Dienst geschafft ist, ist es relativ einfach, darin zu bleiben, also die Karrierewege sind relativ linear, also es gibt keine großen Sprünge, es gibt auch nicht die riesigen Verdienste, aber man hat einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz und dem Wettbewerb, wohingegen in der privaten Wirtschaft die Konkurrenz und der Wettbewerb stärker ist, auch in allen Karrierestufen, was aber auch mit größeren Gewinnen verbunden ist."
Dahinter steckt das überkommene Rollenklischee, dass Männer als Ernährer der Familie mehr verdienen müssen und dafür ein größeres Risiko in Kauf nehmen, während Frauen zusätzlich zur Familienarbeit im Öffentlichen Dienst eher die Möglichkeit von Teilzeit oder den Wiedereinstieg nach einer Erziehungspause suchen.
Was die Wissenschaftlerinnen verblüffte: Für die Frauen geht die Kalkulation nicht auf. Eine Babypause oder ein Teilzeitjob haben auch im Öffentlichen Dienst zur Folge, dass die Männer auf der Karriereleiter an den Frauen vorbeiziehen. Bleiben die Frauen hingegen erwerbstätig, sind ihre Karrierechancen im Öffentlichen Dienst größer als in der Privatwirtschaft
Rusconi: "Vielleicht ergänzend, dass wir in unserer Studie auch kontrolliert haben nach Fächern. Dieses größere Risiko von Frauen ist unabhängig davon, was sie studiert haben, also sprich, auch wenn sie die "richtigen", also die männlichen Fächer studiert haben, um es in einem konkreten Beispiel zu sagen, auch wenn sie Ingenieurwissenschaften abgeschlossen haben, haben sie trotzdem geringere Chancen, in der privaten Wirtschaft, wo eher die männlichen Ingenieure landen, beschäftigt zu sein, Und das sowohl direkt nach Studienabschluss als auch dann verstärkt in der familienintensiven Phase. Also es ist nicht nur, die Frauen studieren das Falsche oder die Frauen bekommen Kinder, sondern was wir finden ist auch, selbst bei den Ingenieurinnen, selbst bei den kinderlosen Ingenieurinnen ist diese Differenz zu sehen zwischen Männer und Frauen."
Das Fazit, das die Wissenschaftlerinnen ziehen, ist ernüchternd:
Rusconi: "Mein Fazit oder unser Fazit ist, dadurch, dass dieses Risiko bei Frauen ist, insbesondere durch familiäre Aufgaben, sollte man in der Tat überlegen, wie man diese Elternzeit neu gestaltet und ob diese zwei Monate tatsächlich ausreichen. Zum einen, weil diese zwei Monate für den Arbeitgeber schwierig sind, weil wie ich das verstanden habe, kann man keinen Ersatz für den fehlenden Mann einstellen, so dass diese "neuen Väter" sich in einer schwierigen Verhandlungsposition befinden, aber vor allem von der Arbeitgeberperspektive wiederum, weil wenn man sagen würde, okay, Elternzeit ist Fifty-fifty, sechs Monate die Frau, sechs Monate der Mann, würde man sowohl die Verantwortung als auch das Risiko gleich verteilen."
Das heißt konkret:
Rusconi: "Also dann könnte man nicht sagen, man sieht die Frau um die dreißig, und der Arbeitgeber hört schon die Alarmglocken angehen, weil entweder hat sie Kinder, und die werden krank, oder sie wird Kinder bekommen, und sie wird aussteigen, sondern dass muss er oder sie, es gibt ja auch weibliche Arbeitgeber, bei sowohl Männer und Frauen in einer bestimmten Lebensphase bekommen und ich glaube, es würde sowohl die Wirtschaft als auch die Familie davon profitieren."
Die Unternehmerin Gabriele Brinkmann sieht das ähnlich.
"Ich denke mal, man müsste das Problem ein bisschen oben angreifen, dass man letztendlich in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten aus den Kopf kriegt, dass eine Frau, die ein Kind kriegt, nicht mehr brauchbar ist. Da müssen mehr Möglichkeiten geschaffen werden für die Mädels, das ist überhaupt keine Frage. Aber ich denke auch, die Frauen sollten nicht so ängstlich rangehen, dass man eben sagt, ach ja, das kriege ich nicht hin mit dem Kind, und das ist mir jetzt alles viel zu viel Aufwand, dann bleib ich jetzt einfach lieber zuhause. Also, kämpfen müssen wir."
Bochum, Bergmannstraße 32. An diesem sonnigen Apriltag erscheint das Industriegebiet mit den modernen Gebäuden durch die grünen Büsche und Bäume freundlich und hell. Gabriele Brinkmann führt durch das Erdgeschoss eines zweigeschossigen flachen Gebäudes. Hier entsteht ihr zweites Standbein: Ein Schulungszentrum, das vom Arbeitsamt zertifizierte Ausbildung anbietet.
"Unsere erste Maßnahme, die wir jetzt zertifizieren lassen am 30. April, heißt "Modulare Transporttechnik", das heißt, die Leute können bei uns den Kranschein erwerben, Kopf-Kabel-Magnetkran, Gabelstaplerschein. Wir machen Ladungssicherung. Hubarbeitsbühnen haben wir noch mit in unseren Bereich aufgenommen."
Eigentlich ist Gabriele Brinkmann Chefin einer Zeitarbeitsfirma, die ihr zusammen mit ihrem Mann gehört. Eigentlich beschäftigt sie Stahlarbeiter oder Spezialisten für Schallschutz, Wärme- und Kältetechnik. Da sie aber für einige der über 200 Mitarbeiter seit Februar Kurzarbeit angemeldet hat und die wiederum in einer Weiterbildungsmaßnahme sind, hatte sie die Idee für ein eigenes Schulungszentrum.
Gabriele Brinkmann hat den Job der Personaldienstleisterin von der Pieke an gelernt: Ursprünglich arbeitete sie bei Hoesch als Sekretärin in der Personalabteilung. Ihr Traum war, selbst mal Chefin zu werden. Doch das schien unerreichbar. Dann kam die Chance ihres Lebens:
Ihr ehemaliger Chef fragte sie, ob sie Lust hätte, Geschäftsführerin einer kleinen Zeitarbeitsfirma zu werden. Die junge Frau war begeistert: Endlich am Ziel! Mit den Reaktionen auf den Karrieresprung hatte sie allerdings nicht gerechnet. Als sie freudestrahlend nach Hause kam, zeigte sich ihr damaliger Mann reserviert und meinte,
"dass wäre ja dann besser, wenn man darüber nicht spricht, das bräuchten die anderen ja gar nicht wissen. Ich habe in zwei Welten gelebt. Ich habe in einer privaten Welt gelebt, wo ich das kleine Mäuschen war, was den Mund nicht aufmachte und im Unternehmen war ich halt die Geschäftsführerin."
Auch in der Firma hatte die neue Geschäftsführerin zu kämpfen. Einer ihrer engsten Mitarbeiter war 20 Jahre älter. Er hatte sich ursprünglich Hoffnungen auf ihren Job gemacht:
"Das war schon wirklich heftig. Der hat mich überhaupt nicht ernst genommen. Einer seiner Aussagen werde ich auch nie vergessen, meine Vorgängerin war ja auch eine Frau, etwas älter als ich, und seine Aussage war: 'Die schaffe ich auch noch!'."
Er schaffte sie nicht und musste sich arrangieren. Gabriele Brinkmann hatte damals das Glück, einen Vorgesetzten zu haben, der ihr Potenzial erkannte.
Das war vor 26 Jahren, ist aber heute immer noch die Ausnahme in der Wirtschaft. Aktuelle Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sprechen eine deutliche Sprache: In den 200 größten deutschen Unternehmen arbeiten nur 2,5 Prozent Frauen im Vorstand, bei Banken sind es gar nur 1,3 Prozent.
Zwar sieht es auf der mittleren Führungsebene etwas besser aus, doch nach wie vor gilt: Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Privatdozentin Dr. Elke Holst untersucht seit Jahren den Arbeitsmarkt und dabei insbesondere die Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Grundlage ihrer Studien bildet das sozioökonomische Panel. Das ist eine Befragung von über 12.000 Haushalten mit über 20.000 Personen, die jedes Jahr durchgeführt wird. In ihren neueren Forschungen geht es um Führungskräfte. In der Studie definiert Elke Holst sie als Personen, die
"in der Privatwirtschaft entweder Funktionen mit umfassenden Führungsaufgaben haben, also zum Beispiel Direktoren, Direktorinnen, Geschäftsführerinnen, Geschäftsführer oder auch Vorstände größerer Betriebe und Verbände"
oder aber
"in sonstigen Leitungsfunktionen tätig sind"
oder
"in hochqualifizierten Funktionen tätig sind als Abteilungsleiter, Abteilungsleiterin aber auch Ingenieurinnen, wissenschaftliche Angestellte und so weiter."
Seit 2001 beobachtet Elke Holst die Entwicklung und kommt zu dem Ergebnis,
"dass sich nichts signifikant verändert hat zu unserem Ausgangsjahr 2001."
Eine von ihr durchgeführte und jetzt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte Studie zeigt:
Im EU-Vergleich steht Deutschland bei dem Anteil von Frauen in Führungspositionen etwa im mittleren Bereich.
Frauen arbeiten - so Elke Holst - eher im Dienstleistungsbereich, Männer in der Produktion. Das heißt aber auch: Männer haben die besser bezahlten Jobs. Was die Wissenschaftlerin erstaunt hat, ist, dass selbst Männer in Frauenberufen besser bezahlt werden als die darin beschäftigten Frauen.
Auch der familiäre Status spielt eine Rolle:
"Wir sehen, dass Männer häufiger verheiratet sind als Frauen in Führungspositionen, wir sehen, dass in den Haushalten von Männern häufiger Kinder leben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Frauen in Führungspositionen seltener verheiratet sind und weniger Kinder haben, und das lässt sich natürlich vor dem Hintergrund erklären, dass die Frauen traditionell für die Familienarbeit zuständig sind und das lässt sich halt sehr schlecht mit einer Führungsposition vereinbaren."
Das sieht auch die Unternehmerin Gabriele Brinkmann so:
"Sie machen einen Führungspositionsjob nicht in acht Stunden. Das war noch nie so, ich habe jahrelang im Angestelltenverhältnis gearbeitet. Ich war zwar Geschäftsführerin in dem Unternehmen. Aber ich erinnere mich daran, wir haben im Unternehmen als EDV eingeführt wurde, haben wir da gesessen von morgens acht bis abends 23 Uhr, um diese EDV in diesem Unternehmen in Gang zu bringen. Das war ohne Vergütung, da hat ihnen auch keiner auf die Schulter geklopft und hat gesagt, das hast du jetzt supertoll gemacht, dass du so lange geblieben bist. Ich glaube, dann braucht man auch einen gewissen Ehrgeiz, dass man sagt, die Geschichte will ich fertig machen, und dann muss ich auch Zeit investieren."
Das geht nur unter einer Bedingung:
"Da brauchen sie natürlich, gar keine Frage, den richtigen Partner zuhause. Weil, wenn sie einen Mann zuhause haben, der da von Ihnen erwartet, dass er um 19 Uhr das Essen auf dem Tisch zu stehen hat, gibt es ein Problem."
Kinder hat Gabriele Brinkmann keine.
"Ich kann für mich persönlich nicht beurteilen, ob ich einen anderen Weg gegangen wäre, wenn das Thema Kinder ein Thema geworden wäre. Also mein jetziger Mann und ich, wir haben mal irgendwann, also wirklich mal kurz drüber nachgedacht, da war ich 35 oder 36, da haben wir überlegt, wollen wir das oder wollen wir das nicht, aber irgendwie ... Mein Mann und ich haben uns vielleicht zu spät kennengelernt, um eine andere Planung zu machen. Als wir uns kennengelernt haben, hatte ich schon den Job als Geschäftsführerin. Ich hatte meinen Weg für mich eigentlich schon ausgesucht."
Rückblickend meint sie:
"Heute, wenn ich mit 35, 36, 37 schwanger geworden wäre, bin mir ganz sicher, hätte ich die Geschichte auch parallel durchgezogen, gar keine Frage, weil im Kinderwagen kannste sie noch mitnehmen, und danach hätte man eine Lösung finden müssen. Natürlich ist das schwer, weil man findet keine Kindertagesstätten, hat da so seine Probleme. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch fairerweise sagen, wenn man in einer Führungsposition ist, man in der Regel auch ein bisschen mehr verdient als jemand anderes, und da muss man sich überlegen, ob man vielleicht den ein oder anderen Euro dafür aufwendet, sich vielleicht jemand privat sucht, der ihnen bei der Kindererziehung oder Hausreinigung hilft - dann dafür einen Euro ausgibt."
Ihr Mann arbeitet als Galerist. Diese Situation ist fast schon wieder typisch und entspricht dem, was auch die Studie von Dr. Elke Holst ergab.
"Was wir festgestellt haben ist, dass wenn eine Frau mit einem Mann verheiratet ist, der eine sehr gute Position hat, sie eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweist, in eine Führungsposition zu kommen. Aber ist eine Frau in einer Führungsposition und ist mit einem Mann zusammen, der ebenfalls eine Führungsposition einnimmt, dann sind sie auch sehr erfolgreich und hat die geringste Wahrscheinlichkeit, eine Führungsposition wieder zu verlieren, und hierunter sind die so genannten "double career couples" zu verstehen, und in Hinblick darauf, wie lange eine Frau eine Führungsposition einnimmt, ist diese Kombination eine ganz gute Kombination für Frauen."
Frauen, die schon Karriere gemacht haben, suchen sich Männer, die das akzeptieren.
"Das Neue ist an unserer Studie, dass es kaum so umfassende Informationen gibt zu Führungskräften, zur Struktur von Führungskräften nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten. Wir haben ja alle Bereiche untersucht, also auch Familie und Lebensfeld, und wir können sehr gut zeigen, die Risiken, denen, wenn die Familienbildung erfolgt, Frauen unterliegen. Und wir können dadurch sehr genau aufzeigen, wo Ansatzpunkte sein müssen. Was wir auch aufzeigen ist, dass allein das Merkmal Frau zu sein, viele Nachteile mit sich bringt, und diese Nachteile offenbar im Alltagswissen der Gesellschaft eingegraben sind und gar nicht erkannt werden zum Beispiel in Form von Stereotypen, die als Vorurteile dann rückwirken auf die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt."
Das heißt, wenn Frauen sich im gebärfähigen Alter für bestimmte Positionen bewerben, haben sie oft von vorne herein weniger Chancen als Männer. Die Angst, dass sie durch Kinderzeiten ausfallen könnten, verhindert ihre Einstellung, unabhängig davon, ob sie Kinder wollen oder nicht.
"An unserer Studie ist auch neu und wurde noch nie für Deutschland zuvor gemacht, dass wir die Führungskarrieren untersucht haben, dass wir geguckt haben, wenn Frauen und Männer einmal in ihrem Erwerbsleben eine Führungsposition erreicht haben, wie hoch sind die Risiken, sie wieder zu verlassen, wie hoch sind die Risiken, überhaupt eine Führungsposition zu erreichen, und da konnten wir genau das zeigen, wie hoch die familiären Risiken sind und wie schwer es vor allen Dingen ist, später wieder einzusteigen. Die Frauen kommen gar nicht auf dieselben Chancen wie Männer mehr, weil sie natürlich durch die Erwerbsunterbrechung, viel Berufserfahrung verloren haben."
Daraus folgert die Sozialwissenschaftlerin,
"dass eine durchgehende Erwerbskarriere gegenwärtig unabdingbar ist nahezu, um eine Führungsposition zu erreichen. Und wie wir wissen, weisen Frauen häufig perforierte Karrierewege auf, was ihre Chancen natürlich sehr senkt. Und diese perforierten Karrieren sind meist aufgrund von Familienbildung entstanden. Und ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, und auch für die eigene Daseinsvorsorge der Unternehmen nicht sinnvoll ist, wenn diese Personen, die Kinder bekommen, einfach, obwohl sie hervorragend ausgebildet sind, letztendlich aus Führungspositionen künstlich herausgehalten werden."
Diese Erkenntnis haben auch zwei andere Wissenschaftlerinnen gewonnen.
Prof. Katrin Leuze und Dr. Alessandra Rusconi vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben sich für ihre Studien die Ausbildung von Frauen näher angesehen.
Leuze: "Von den akademischen Abschlüssen, das ist ja eigentlich das Interessante, sind Männer und Frauen heute gleich qualifiziert. Wo sie sich natürlich nach wie vor unterscheiden sind die Studienfächer, in denen sie ihre Abschlüsse erwerben."
Rusconi: "Ich darf aber ergänzen: Also es stimmt zwar, dass Männer und Frauen mittlerweile etwa 50 Prozent sind, aber nach wie vor sind Frauen im Durchschnitt schneller und haben im Durchschnitt auch bessere Noten, wenn es eine reine Leistungsgesellschaft wäre, Frauen haben die besseren Noten und auch die besseren Abschlüsse im Sinne von Zeit erworben."
Zu den typischen Frauenfächern zählen nach wie vor Erziehungswissenschaften, Lehramt, Sozialwesen. Männer studieren überdurchschnittlich häufig Ingenieur- und Naturwissenschaften. Nach dem Studium geht es für Männer und Frauen erst mal ähnlich weiter.
Leuze: "Sie sind in sehr geringem Umfang nur arbeitslos. Die meisten arbeiten unmittelbar nach dem Abschluss. Und sie arbeiten meist auch in sogenannten Professionen, also hochqualifizierten Tätigkeiten. Wohingegen sie sich aber dann doch unterscheiden ist, dass sich Frauen viel öfter im Öffentlichen Dienst wiederfinden und Männer öfter in der Privatwirtschaft."
Ein Grund könnte darin liegen, dass
"wenn einmal der Einstieg in den Öffentlichen Dienst geschafft ist, ist es relativ einfach, darin zu bleiben, also die Karrierewege sind relativ linear, also es gibt keine großen Sprünge, es gibt auch nicht die riesigen Verdienste, aber man hat einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz und dem Wettbewerb, wohingegen in der privaten Wirtschaft die Konkurrenz und der Wettbewerb stärker ist, auch in allen Karrierestufen, was aber auch mit größeren Gewinnen verbunden ist."
Dahinter steckt das überkommene Rollenklischee, dass Männer als Ernährer der Familie mehr verdienen müssen und dafür ein größeres Risiko in Kauf nehmen, während Frauen zusätzlich zur Familienarbeit im Öffentlichen Dienst eher die Möglichkeit von Teilzeit oder den Wiedereinstieg nach einer Erziehungspause suchen.
Was die Wissenschaftlerinnen verblüffte: Für die Frauen geht die Kalkulation nicht auf. Eine Babypause oder ein Teilzeitjob haben auch im Öffentlichen Dienst zur Folge, dass die Männer auf der Karriereleiter an den Frauen vorbeiziehen. Bleiben die Frauen hingegen erwerbstätig, sind ihre Karrierechancen im Öffentlichen Dienst größer als in der Privatwirtschaft
Rusconi: "Vielleicht ergänzend, dass wir in unserer Studie auch kontrolliert haben nach Fächern. Dieses größere Risiko von Frauen ist unabhängig davon, was sie studiert haben, also sprich, auch wenn sie die "richtigen", also die männlichen Fächer studiert haben, um es in einem konkreten Beispiel zu sagen, auch wenn sie Ingenieurwissenschaften abgeschlossen haben, haben sie trotzdem geringere Chancen, in der privaten Wirtschaft, wo eher die männlichen Ingenieure landen, beschäftigt zu sein, Und das sowohl direkt nach Studienabschluss als auch dann verstärkt in der familienintensiven Phase. Also es ist nicht nur, die Frauen studieren das Falsche oder die Frauen bekommen Kinder, sondern was wir finden ist auch, selbst bei den Ingenieurinnen, selbst bei den kinderlosen Ingenieurinnen ist diese Differenz zu sehen zwischen Männer und Frauen."
Das Fazit, das die Wissenschaftlerinnen ziehen, ist ernüchternd:
Rusconi: "Mein Fazit oder unser Fazit ist, dadurch, dass dieses Risiko bei Frauen ist, insbesondere durch familiäre Aufgaben, sollte man in der Tat überlegen, wie man diese Elternzeit neu gestaltet und ob diese zwei Monate tatsächlich ausreichen. Zum einen, weil diese zwei Monate für den Arbeitgeber schwierig sind, weil wie ich das verstanden habe, kann man keinen Ersatz für den fehlenden Mann einstellen, so dass diese "neuen Väter" sich in einer schwierigen Verhandlungsposition befinden, aber vor allem von der Arbeitgeberperspektive wiederum, weil wenn man sagen würde, okay, Elternzeit ist Fifty-fifty, sechs Monate die Frau, sechs Monate der Mann, würde man sowohl die Verantwortung als auch das Risiko gleich verteilen."
Das heißt konkret:
Rusconi: "Also dann könnte man nicht sagen, man sieht die Frau um die dreißig, und der Arbeitgeber hört schon die Alarmglocken angehen, weil entweder hat sie Kinder, und die werden krank, oder sie wird Kinder bekommen, und sie wird aussteigen, sondern dass muss er oder sie, es gibt ja auch weibliche Arbeitgeber, bei sowohl Männer und Frauen in einer bestimmten Lebensphase bekommen und ich glaube, es würde sowohl die Wirtschaft als auch die Familie davon profitieren."
Die Unternehmerin Gabriele Brinkmann sieht das ähnlich.
"Ich denke mal, man müsste das Problem ein bisschen oben angreifen, dass man letztendlich in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten aus den Kopf kriegt, dass eine Frau, die ein Kind kriegt, nicht mehr brauchbar ist. Da müssen mehr Möglichkeiten geschaffen werden für die Mädels, das ist überhaupt keine Frage. Aber ich denke auch, die Frauen sollten nicht so ängstlich rangehen, dass man eben sagt, ach ja, das kriege ich nicht hin mit dem Kind, und das ist mir jetzt alles viel zu viel Aufwand, dann bleib ich jetzt einfach lieber zuhause. Also, kämpfen müssen wir."