´"Wir haben keine Modelle, wo wir ohne Arbeit eine Lebensperspektive haben. Das mögen Ersatzformen sein von Utopisten ,aber es gibt nur eine Perspektive mit Arbeit. Und wenn die Arbeit fehlt, fehlt die Perspektive, und dann bekommt die Sozialarbeit, selbst wenn sie personell genügend vorhanden ist, einen ganz anderen Drive. Sie hat gar keine Zielsetzung mehr, sondern nur noch die Zielsetzung, zu stabilisieren, ohne dass die Stabilisierung zu einem Fortschritt führt."
Die ‚soziale Arbeit’ ist in der Krise. Nicht nur, dass sie, wie viele Bereiche der öffentlichen Hand, von Mittelkürzungen betroffen ist. Vielmehr steht ihr Selbstverständnis zur Frage. Wie soll sie umgehen mit jener zunehmenden Zahl von gesellschaftlich "Ausgeschlossenen", wie es im Fachjargon heißt? Also den mehr oder weniger Chancenlosen, die von der globalisierten Arbeitsgesellschaft nicht mehr gebraucht werden? Why Social Work? war deshalb der Titel der internationalen Tagung in Bielefeld. Und das Interesse war so groß, dass die Teilnehmerliste für den Kongress schließlich geschlossen werden musste. Prof. Hans Uwe Otto, einer der Veranstalter des Kongresses:
"Wenn die Perspektiven wegfallen, ist die Frage, warum, was machen wir, why ... es gibt von einem Kollegen den Begriff der Exklusionsverwal-tung ... wir sind nur noch dafür da, zu pazifieren, ihnen etwas zu ermög-lichen, was nicht weiterführt, ihnen aber zu einer Befriedigung verhilft. Auch das ist keine sinnlose Arbeit, aber es ist gesellschaftspolitisch gesehen, das Allerletzte."
Eng verbunden mit der Frage nach der sozialen Arbeit ist die Frage nach der Entwicklung des Sozialstaates. Denn dieser verstand soziale Not nicht länger als gottgegeben oder als Ausdruck eines individuellen Versagen. Sondern er sah sich selbst in die Pflicht genommen, solche Not zu lindern, wie Mitveranstalter Dr. Fabian Kessl in seinem Eröffnungsreferat erläuterte:
"Menschliche Notlagen werden in die öffentliche Verantwortung gerückt, damit ist die Idee des Wohlfahrtsstaats geboren. Ein institutioneller Ausdruck dessen ist die soziale Arbeit. Seit dem letzten Drittel dieses Jahrhunderts gerät dieses wohlfahrtsstaatliche Arrangement allerdings ins Schwanken. ..."
Steht der Wohlfahrtsstaat also vor seinem Ende oder zumindest vor radikalen Umgestaltungen? Weiß Gott keine bloß deutsche Frage, so erfuhr man mit aller Klarheit noch einmal auf dem Kongress. Debatten über eine bessere Balance zwischen Rechten und Pflichten, z.B. in Skandinavien, über "Welfare-to-Work"-Politik in Australien und anderen angelsächsischen Ländern führten bereits zum Umdenken in Sachen öffentliche Wohlfahrt. "Keine Rechte ohne Verantwortlichkeiten" ist ein wichtiger Slogan der neuen gesellschaftlichen Ordnung. Anders gesagt: der in Not Geratene ist dazu aufgefordert, selbst initiativ zu werden, um sich aus dieser Notlage zu befreien. Der Sozialwissenschaftler Neil Gilbert von der Universität Berkeley in Kalifornien erläuterte den Trend:
"In den letzten zehn Jahren hat sich die Sozialpolitik ganz grundsätzlich verändert. Und das hat zur Folge, wenn wir über sozialen Zusammenhalt sprechen, über geteilte Werte und Bürgerpflichten, dann heißt die allererste Pflicht zunächst einmal: hilf dir selbst."
Hilf dir selbst! klingt für amerikanische Ohren möglicherweise selbstverständlicher als für deutsche. Mit solchen Aufforderungen werde, so meinten die deutschen Veranstalter, ein strukturelles Problem, das durch Globalisierung und Shareholder-Kapitalismus geprägt sei, individualisiert. Der Einzelne werde für seine Existenzsicherung verantwortlich gemacht. Ein regelrechtes "Selbstverantwortungsmantra", so die Veranstalter, greife mittlerweile in der öffentlichen Diskussion um sich.
"Das Dilemma ist aber, dass ... das bisher Sozialpolitisches zunehmend pädagogisch diskutiert wird. Also interessanterweise diskutieren wir zunehmend weniger darüber, dass Menschen in Armut sind, d.i. in sozialstruktureller Weise betroffen sind von Armut. Sondern dass wir zunehmend über die Verhaltensweisen der Menschen diskutieren, die verhalten sich nicht so, wie die Mehrheitsgesellschaft es will."
Eng mit solchen Fragen hängt die aktuelle Diskussion um die "neuen Unterschichten" zusammen. Das Elend dieser "neuen Unterschichten" lasse sich nämlich, so die These, weniger in mangelndem Geld festmachen, sondern mit Attributen wie "bildungsfern", mit Schlagworten wie "ungesunder Ernährung" und "Unterschichtenfernsehen". Gemeinhin werden solche Beschreibungen von Sozialarbeitern als "kulturalistische" Verengung eigentlich materieller Probleme abgetan. Aber Prof. Michael Winkler von der Universität Jena wies darauf hin, auch das Fehlen von kulturellem Kapital müsse heute durchaus ernst genommen werden, da es gleichbedeutend sei mit einem Fehlen von Bildung, von Ideen, von Wissen, und damit einem Mangel an Autonomie. "In Bildung investieren" ist deshalb auch eine der Zauberformeln jenes Staates, der nicht länger nur Geld unter die Bedürftigen verteilen will. Was natürlich nichts anderes heißt als - Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.
"Die Transformation, die ich sehe, ist die vom Wohlfahrtstaat zum "ermächtigenden Staat", wie ich es nenne, die Transformation von öffentlicher Unterstützung zur privaten Verantwortlichkeit. In diesem Rahmen wird eine Politik entworfen, die die Menschen zur Arbeit befähigt."
Denn, so Neil Gilbert, Arbeit sei schließlich die einzige Therapie gegen sozialen Ausschluss.
Doch Menschen zur Arbeit zu befähigen setzt natürlich voraus, dass diese Arbeit auch da ist. Auch da hegten die deutschen Veranstalter einige berechtigte Zweifel. Und wiesen zugleich darauf hin, dass selbst in Ländern, in denen Arbeitslosigkeit zurückgefahren werden konnte, das Armutsrisiko damit nicht behoben wurde.
"Die Arbeitsmarkterfolgsmodelle sind ja die angelsächsischen, das sehr selten diskutierte ist ja der damit verkoppelte Anstieg der Armut. Wir haben einerseits eine Reduzierung der Erwerbslosenzahlen, was aber selten diskutiert wird, dass wir verbunden damit nen noch größeren Anstieg der Armutszahlen haben. Und ein Problem der working poor, Gesellschaftsmitglieder, die in Arbeit sind und trotzdem unter dem Armutsminimum bleiben. "
Was also bleibt dann für die soziale Arbeit? Wie kann sie den veränderten, den verschärften Bedingungen eines globalen Arbeitsmarktes begegnen?
"Zuerst einmal muss sie sich repolitisieren, sie muss sich in die gesellschaftliche Fragestellung einmischen, sie muss nicht nur etwas tun, sondern auch das, was sie tut, gesellschaftspolitisch begründen, d.h. auch in der politischen Begründung sich auch Auseinandersetzung mit den so genannten Mächtigen oder auch anderen Gruppen, die anderer Meinung sind. ... Sie muss das Wort ergreifen und sagen, so geht es nicht weiter."
Und so stemmt sich die Sozialarbeit gegen die zunehmende Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche. Kein einfaches Unterfangen, zumal sie selbst ja diesen Ökonomisierungen ausgeliefert ist. Denn auch darauf wies der US-Amerikaner Neil Gilbert ungerührt hin: Der Sozialarbeiter der Zukunft werde mehr und mehr in privaten Unternehmen angestellt, wo wirtschaftliche Rentabilität und Profit im Zentrum stünden. Ja, selbst im öffentlichen Sektor werde dieser Zwang des Wirtschaftens zunehmend notwendig. Dies wollte Prof. Hans Uwe Otto freilich so nicht stehen lassen. Das sei die Kernfrage der sozialen Arbeit der Zukunft: ob sie sich den Kräften des Marktes entgegenstemmen könne oder mitschwimmen müsse.
""The triumphe of capitalism" und das ist ja eigentlich ein keyword hier, um das sich alles dreht, es wird ja nicht gesagt, dass die Institutionen verschwinden, sondern es wird gesagt, die Institutionen verändern ihren Charakter, das Paradigma des institutionellen Handelns ändert sich grundsätzlich und liefert die Beteiligten dem Markt aus, an die Privatisierung, an den Arbeitsmarkt, … können wir uns dem Trend entgegenstellen oder sind wir nur Puppen im Spiel des Kapitalismus?"
Die ‚soziale Arbeit’ ist in der Krise. Nicht nur, dass sie, wie viele Bereiche der öffentlichen Hand, von Mittelkürzungen betroffen ist. Vielmehr steht ihr Selbstverständnis zur Frage. Wie soll sie umgehen mit jener zunehmenden Zahl von gesellschaftlich "Ausgeschlossenen", wie es im Fachjargon heißt? Also den mehr oder weniger Chancenlosen, die von der globalisierten Arbeitsgesellschaft nicht mehr gebraucht werden? Why Social Work? war deshalb der Titel der internationalen Tagung in Bielefeld. Und das Interesse war so groß, dass die Teilnehmerliste für den Kongress schließlich geschlossen werden musste. Prof. Hans Uwe Otto, einer der Veranstalter des Kongresses:
"Wenn die Perspektiven wegfallen, ist die Frage, warum, was machen wir, why ... es gibt von einem Kollegen den Begriff der Exklusionsverwal-tung ... wir sind nur noch dafür da, zu pazifieren, ihnen etwas zu ermög-lichen, was nicht weiterführt, ihnen aber zu einer Befriedigung verhilft. Auch das ist keine sinnlose Arbeit, aber es ist gesellschaftspolitisch gesehen, das Allerletzte."
Eng verbunden mit der Frage nach der sozialen Arbeit ist die Frage nach der Entwicklung des Sozialstaates. Denn dieser verstand soziale Not nicht länger als gottgegeben oder als Ausdruck eines individuellen Versagen. Sondern er sah sich selbst in die Pflicht genommen, solche Not zu lindern, wie Mitveranstalter Dr. Fabian Kessl in seinem Eröffnungsreferat erläuterte:
"Menschliche Notlagen werden in die öffentliche Verantwortung gerückt, damit ist die Idee des Wohlfahrtsstaats geboren. Ein institutioneller Ausdruck dessen ist die soziale Arbeit. Seit dem letzten Drittel dieses Jahrhunderts gerät dieses wohlfahrtsstaatliche Arrangement allerdings ins Schwanken. ..."
Steht der Wohlfahrtsstaat also vor seinem Ende oder zumindest vor radikalen Umgestaltungen? Weiß Gott keine bloß deutsche Frage, so erfuhr man mit aller Klarheit noch einmal auf dem Kongress. Debatten über eine bessere Balance zwischen Rechten und Pflichten, z.B. in Skandinavien, über "Welfare-to-Work"-Politik in Australien und anderen angelsächsischen Ländern führten bereits zum Umdenken in Sachen öffentliche Wohlfahrt. "Keine Rechte ohne Verantwortlichkeiten" ist ein wichtiger Slogan der neuen gesellschaftlichen Ordnung. Anders gesagt: der in Not Geratene ist dazu aufgefordert, selbst initiativ zu werden, um sich aus dieser Notlage zu befreien. Der Sozialwissenschaftler Neil Gilbert von der Universität Berkeley in Kalifornien erläuterte den Trend:
"In den letzten zehn Jahren hat sich die Sozialpolitik ganz grundsätzlich verändert. Und das hat zur Folge, wenn wir über sozialen Zusammenhalt sprechen, über geteilte Werte und Bürgerpflichten, dann heißt die allererste Pflicht zunächst einmal: hilf dir selbst."
Hilf dir selbst! klingt für amerikanische Ohren möglicherweise selbstverständlicher als für deutsche. Mit solchen Aufforderungen werde, so meinten die deutschen Veranstalter, ein strukturelles Problem, das durch Globalisierung und Shareholder-Kapitalismus geprägt sei, individualisiert. Der Einzelne werde für seine Existenzsicherung verantwortlich gemacht. Ein regelrechtes "Selbstverantwortungsmantra", so die Veranstalter, greife mittlerweile in der öffentlichen Diskussion um sich.
"Das Dilemma ist aber, dass ... das bisher Sozialpolitisches zunehmend pädagogisch diskutiert wird. Also interessanterweise diskutieren wir zunehmend weniger darüber, dass Menschen in Armut sind, d.i. in sozialstruktureller Weise betroffen sind von Armut. Sondern dass wir zunehmend über die Verhaltensweisen der Menschen diskutieren, die verhalten sich nicht so, wie die Mehrheitsgesellschaft es will."
Eng mit solchen Fragen hängt die aktuelle Diskussion um die "neuen Unterschichten" zusammen. Das Elend dieser "neuen Unterschichten" lasse sich nämlich, so die These, weniger in mangelndem Geld festmachen, sondern mit Attributen wie "bildungsfern", mit Schlagworten wie "ungesunder Ernährung" und "Unterschichtenfernsehen". Gemeinhin werden solche Beschreibungen von Sozialarbeitern als "kulturalistische" Verengung eigentlich materieller Probleme abgetan. Aber Prof. Michael Winkler von der Universität Jena wies darauf hin, auch das Fehlen von kulturellem Kapital müsse heute durchaus ernst genommen werden, da es gleichbedeutend sei mit einem Fehlen von Bildung, von Ideen, von Wissen, und damit einem Mangel an Autonomie. "In Bildung investieren" ist deshalb auch eine der Zauberformeln jenes Staates, der nicht länger nur Geld unter die Bedürftigen verteilen will. Was natürlich nichts anderes heißt als - Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.
"Die Transformation, die ich sehe, ist die vom Wohlfahrtstaat zum "ermächtigenden Staat", wie ich es nenne, die Transformation von öffentlicher Unterstützung zur privaten Verantwortlichkeit. In diesem Rahmen wird eine Politik entworfen, die die Menschen zur Arbeit befähigt."
Denn, so Neil Gilbert, Arbeit sei schließlich die einzige Therapie gegen sozialen Ausschluss.
Doch Menschen zur Arbeit zu befähigen setzt natürlich voraus, dass diese Arbeit auch da ist. Auch da hegten die deutschen Veranstalter einige berechtigte Zweifel. Und wiesen zugleich darauf hin, dass selbst in Ländern, in denen Arbeitslosigkeit zurückgefahren werden konnte, das Armutsrisiko damit nicht behoben wurde.
"Die Arbeitsmarkterfolgsmodelle sind ja die angelsächsischen, das sehr selten diskutierte ist ja der damit verkoppelte Anstieg der Armut. Wir haben einerseits eine Reduzierung der Erwerbslosenzahlen, was aber selten diskutiert wird, dass wir verbunden damit nen noch größeren Anstieg der Armutszahlen haben. Und ein Problem der working poor, Gesellschaftsmitglieder, die in Arbeit sind und trotzdem unter dem Armutsminimum bleiben. "
Was also bleibt dann für die soziale Arbeit? Wie kann sie den veränderten, den verschärften Bedingungen eines globalen Arbeitsmarktes begegnen?
"Zuerst einmal muss sie sich repolitisieren, sie muss sich in die gesellschaftliche Fragestellung einmischen, sie muss nicht nur etwas tun, sondern auch das, was sie tut, gesellschaftspolitisch begründen, d.h. auch in der politischen Begründung sich auch Auseinandersetzung mit den so genannten Mächtigen oder auch anderen Gruppen, die anderer Meinung sind. ... Sie muss das Wort ergreifen und sagen, so geht es nicht weiter."
Und so stemmt sich die Sozialarbeit gegen die zunehmende Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche. Kein einfaches Unterfangen, zumal sie selbst ja diesen Ökonomisierungen ausgeliefert ist. Denn auch darauf wies der US-Amerikaner Neil Gilbert ungerührt hin: Der Sozialarbeiter der Zukunft werde mehr und mehr in privaten Unternehmen angestellt, wo wirtschaftliche Rentabilität und Profit im Zentrum stünden. Ja, selbst im öffentlichen Sektor werde dieser Zwang des Wirtschaftens zunehmend notwendig. Dies wollte Prof. Hans Uwe Otto freilich so nicht stehen lassen. Das sei die Kernfrage der sozialen Arbeit der Zukunft: ob sie sich den Kräften des Marktes entgegenstemmen könne oder mitschwimmen müsse.
""The triumphe of capitalism" und das ist ja eigentlich ein keyword hier, um das sich alles dreht, es wird ja nicht gesagt, dass die Institutionen verschwinden, sondern es wird gesagt, die Institutionen verändern ihren Charakter, das Paradigma des institutionellen Handelns ändert sich grundsätzlich und liefert die Beteiligten dem Markt aus, an die Privatisierung, an den Arbeitsmarkt, … können wir uns dem Trend entgegenstellen oder sind wir nur Puppen im Spiel des Kapitalismus?"