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Welcher Schutz fürs geistige Eigentum?

Das Urheberrecht stammt aus einer Zeit, als es noch kein Internet gab. Es sollte deshalb reformiert werden. Aber die Verfechter des vollkommen freien Flusses der Information streiten sich mit jenen, die für geregelte und regulierte Eigentumsverhältnisse medialer Produkte im Netz eintreten.

Von Brigitte Baetz | 28.07.2012
    Sprecher: Achtung: Die folgende Sendung enthält Inhalte, die sie schon in anderen Medien und auf anderen Sendeplätzen hören konnten.

    Zum ersten Mal in der Geschichte ist es möglich, dass in großem Stil Datenmengen in Bruchteilen von Sekunden den Besitzer wechseln können. Das Internet und die Digitalisierung haben die Medienwelt verändert. Jeder kann inzwischen Produzent von Medieninhalten werden, kann sein eigener Hörfunkdirektor sein, ganze Spielfilme aus dem Netz ziehen, Artikel kopieren und weiter versenden, mittels eines eigenen Blogs seine Meinungen und Erkenntnisse weltweit bekannt machen. Der freie Fluss der Information über Internet, E-Mail und Smartphones - heute ist er Wirklichkeit.

    Die britische Band "The Kleptones" hat aus den Möglichkeiten der digitalen Verbreitung eine Tugend gemacht. Sie vermischt Bruchstücke aus Werken anderer Musiker oder Filmregisseure und macht daraus neue Musik und neue Videos - und das zum kostenfreien Herunterladen. Sie verdient kein Geld mit dem Verkauf ihrer Musik - sondern über Spenden und mit öffentlichen Auftritten. Doch dieses Geschäftsmodell hat einen rechtlichen Haken. Die meisten Inhalte, die offen im Netz zirkulieren, sind eigentlich urheberrechtlich geschützt. Markus Beckedahl, Betreiber von Netzpolitik.Org:

    "Andy Warhol wäre heute ein Krimineller, wäre heute ein Urheberrechtsverletzer. All die Menschen, die heute eigentlich diese Medienkompetenz praktizieren, von denen Politiker eigentlich immer gerne in ihren Sonntagsreden sprechen, also die Menschen, die kreativ sind, die mit den Computern umgehen, Zehnjährige, die ihre Lieblingsvideos auf YouTube Remixen, ein neues Werk daraus erstellen, mit ihrer Lieblingsmusik unterlegen, die dürfen das zu Hause machen auf ihrem Computer, aber sie dürfen es nicht ihren Freunden zur Verfügung stellen, zum Teilen usw., weil dann ist es sofort eine Urheberrechtsverletzung."

    Was besagt das Urheberrecht?

    Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.

    Das bedeutet: Eigentlich soll der Urheber allein darüber entscheiden, was mit seinen Werken passiert. Schon jetzt gibt es Ausnahmen, die auf der Annahme basieren, dass die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, auch urheberrechtlich geschützte Inhalte zumindest in Teilen frei nutzen zu können: Für Unterrichtszwecke dürfen beispielsweise Vervielfältigungen von Texten angefertigt werden. Für Zitate gibt es das Zitaterecht. Für private Zwecke dürfen Kopien von CDs angefertigt werden. Und die Urheber haben auch etwas davon, zum Beispiel über Abgaben auf Kopiergeräte, deren Erlöse über Verwertungsgesellschaften an Autoren ausgeschüttet werden. Und doch, so Udo Vetter, Anwalt in Düsseldorf und renommierter Blogger,

    "Das Urheberrecht hat wie so vieles Andere im juristischen Bereich in Deutschland ein Problem: Die Gesetze hinken den tatsächlichen Gegebenheiten hinterher. Das heißt: Wir sind immer zehn, 20, 30 Jahre zurück und der entscheidende Einschnitt, den wir jetzt gerade erleben, das digitale Zeitalter, also die Möglichkeit, Kopien online zu verbreiten, darauf ist das aktuelle Urheberrecht nicht eingestellt und das sieht man eben bei den Konflikten, die da hervorbrechen, wie beim Film und Musik insbesondere, Stichwort Tauschbörsen, dafür ist das Urheberrecht kein geeignetes Mittel mehr, deswegen, weil für die junge Generation von Internetnutzern das Tauschen digitaler Inhalte einfach selbstverständlich geworden ist. Das bedeutet ganz konkret: Das Gesetz muss hierfür eine Antwort geben, sonst gibt es sozialen Unfrieden, denn die Menschen begreifen nicht, dass so etwas strikt verboten sein soll."

    Verbote, Netzsperren, Bezahlschranken haben sich im Internet bislang nicht durchgesetzt. Und das, obwohl Anwälte millionenfach Nutzer wegen angeblicher oder wirklicher Urheberrechtsverletzungen abgemahnt haben. Laut Branchenkennern eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Juristenstand und ein Zeichen für die Rechtsunsicherheit im Netz. Alles überall und möglichst frei verfügbar, so lautet - zumindest vordergründig - die Netzideologie. Und das Verhalten der Nutzer, beispielsweise das Tauschen von Musik, scheint das zu bestätigen, so Jeanette Hofmann, Politikwissenschaftlerin und Mitglied der Bundestagsenquetekommission Internet und digitale Gesellschaft:

    "Es ist ganz sicher so, dass das Filesharing Einnahmequellen sowohl für die Verwerter, aber auch für die Künstler, die dahinter stehen, deutlich bedroht. Es ist so, das sagen viele Musiker, dass sie heute sehr viel weniger Einnahmen aus Tonträgern beziehen als sie das früher hatten und deshalb mehr von Konzerten zum Beispiel leben. Ja, hier hat tatsächlich eine Veränderung stattgefunden. Das muss man mal so sagen."

    Viele Musiker, Autoren, Filmproduzenten fühlen sich durch die, wie sie es nennen, Umsonst-Mentalität nicht mehr wertgeschätzt. Es geht auch um Geld, viel Geld - vor allem für die Musik- und Filmindustrie. Und so redete sich Sven Regener, Schriftsteller, Musiker und Kopf der deutschen Band "Element of Crime", in Rage:

    "Wir machen keine Verträge mit Plattenfirmen, weil wir doof sind oder aus schierem Dudel oder so oder weil wir was zu verschenken haben, sondern weil wir unsere Musik sonst nicht machen können. Und mein Problem, dass ich damit habe, ist: man wird uncool, wenn man sagt: hier, Urheberrecht und so. Aber es wird so getan, als ob wir Kunst machen als exzentrisches Hobby. Das Rumgetrampel darauf, dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde genommen nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: 'Euer Kram ist eigentlich nichts wert'. Wir wollen das umsonst haben. Wir wollen damit machen können, was wir wollen und wir scheißen drauf, was Du willst oder nicht." Die Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert."

    Die alten Geschäftsmodelle, beziehungsweise die alten Produktionsabläufe in der Kulturindustrie erscheinen immer weniger zeitgemäß. Wer sich digital Musik, Filme, Romane herunterladen kann, braucht theoretisch weder Plattenläden noch Buchhandlungen oder Videotheken - und schon gar nicht die Industrie, die sich dahinter verbirgt. So genannte Newsaggregatoren machen den Kauf von Zeitungen überflüssig, wer einzelne Musiktitel für wenig Geld erwerben kann, wird sich nicht unbedingt eine teure CD besorgen. Hinzu kommen vielfältige Möglichkeiten, wie man sich kostenlos neue Spielfilme und anderes illegal herunterladen kann. Der Netzaktivist Markus Beckedahl:

    "Es ist ein Kulturkampf, der da einfach jetzt angefangen hat, der eskaliert nur gerade und dieser Kulturkampf hat natürlich auch damit zu tun, wie geht man halt positiv mit diesen neuen Möglichkeiten um. Sagen wir mal: viele, eher traditionelle Künstler oder in diesem Kulturbetrieb Beschäftigte haben natürlich auch zu Recht, das ist ja menschlich verständlich, so Angst vor diesen Veränderungen - neue Medienlandschaft entwickelt sich, neue Technologien sind da, Geschäftsmodelle müssen umgestellt werden, also dass ist ein so rapider Wechsel."

    Ein Wechsel, gegen den sich gerade etablierte Autoren, Musiker und Filmschaffende sträuben. Tatort-Autoren schrieben in einem "offenen Brief": frei bedeute nicht gleich kostenfrei. Die Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlichte den Aufruf "Wir sind die Urheber", der sich gegen Angriffe gegen das Urheberrecht wendet.

    In einer arbeitsteiligen Gesellschaft geben Künstler die Vermarktung ihrer Werke in die Hände von Verlagen, Galerien, Produzenten oder Verwertungsgesellschaften, wenn diese ihre Interessen bestmöglich vertreten und verteidigen. Die neuen Realitäten der Digitalisierung und des Internets sind kein Grund, den profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern.

    Empörung in der sogenannten Netzgemeinde war die Folge, ja sogar Drohungen und Einschüchterungsversuche gab es. Der ein oder andere Netzbürger fand sein selbst definiertes Recht auf freien Zugang zu Information und Unterhaltung beschnitten. Andere argumentierten: die Unterzeichner hätten wohl nicht verstanden, dass zum einen nur Wenige das Urheberrecht gänzlich abschaffen wollten, und zum anderen, dass es unterschiedliche Interessen zwischen den Urhebern und den sogenannten Verwertern, sprich Verlagen, etc. gebe. Der Medienrechtler Thomas Hoeren von der Universität Münster hält vor allem den Begriff "geistiges Eigentum" für so juristisch irreführend wie politisch schädlich:

    "Ein Urheberrecht ist befristet. Ein Urheberrecht unterliegt vielen, vielen Schranken. Niemand geht in einen Laden und klaut irgendetwas. Und genau so können Sie nicht in einen großen Wissensladen gehen, und da alles rausklauen. Das ist eine völlige Verhohnepipelung der ganzen Komplexität, die hinter dem Urheberrecht steht. Und deshalb bin ich sowohl ein Gegner des Begriffs "Geistiges Eigentum" als auch jedweder politischen Konsequenzen, die man daraus ableitet. Es gibt kein "geistiges Eigentum". Geist ist nicht eigentumsfähig im juristischen Sinne, auch nicht im verfassungsrechtlichen Sinn im Grunde. Und die Parallele zum Eigentum passt in vielfältiger Weise nicht. Und was mich ganz besonders geärgert hat bei dem Aufruf, ist, dass da was geschrieben steht vom Kampf gegen global agierende Internet-Konzerne. Da hat man die Urheber vorgeschickt, um was ganz Anderes zu machen, nämlich, das Leistungsschutzrecht für Verleger durchzuboxen, was gar keine Diskussion von Urhebern ist. Also, was das Papier bewirkt, ist, dass das Dreieck des Urheberrechts - nämlich wir haben Urheber, Verwerter und Nutzer - reduziert wird auf das Verhältnis Urheber-Nutzer. Und das ist nicht sachgerecht, das ist nicht adäquat."

    Mit dem umstrittenen Leistungsschutzrecht wollen sich Deutschlands Zeitungsverleger die gewerbliche Verlinkung ihrer Presseangebote über eine Verwertungsgesellschaft zusätzlich honorieren lassen. Und das, obwohl sie ihre Autoren, also die eigentlichen Urheber dieser Artikel, immer schlechter bezahlen. Kämpfen also die Unterzeichner des Aufrufs "Wir-sind-Urheber" an der falschen Front?

    "Ich hab ein paar Sätze unterschrieben, die ich für essenziell für unsere Kultur halte und dabei vielleicht billigend in Kauf genommen, nicht alle juristischen Finessen gleich mit bedacht zu haben. Der Kern dessen ist der, dass ich glaube, hinter dem Urheberrecht steht etwas anderes. Das ist nicht irgendein trockener Rechtspassus, auf den man sich geeinigt hat, damit das Alltagsleben einigermaßen funktionieren kann, sondern dahinter steckt eine Idee. Eine Idee von Kunst, Kultur und Individuum. Und diese Idee von Kunst, Kultur und Individuum, die geht im digitalen Kontext eine Veränderung ein, die man kritisch betrachten muss."

    Der Schriftsteller Burkhard Spinnen.

    "Ich kann mir offen gestanden unsere Literaturlandschaft nicht ohne Verlage und Verleger vorstellen und je mehr so wären wie mein eigener, umso besser wäre es. Das heißt, je mehr Menschen da sind, die tatsächlich Bindeglieder sind zwischen Kreativen und dem Publikum und eine außerordentlich wertvolle Arbeit leisten und ohne diese Arbeit wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin und viele andere wären das auch nicht."

    Dass die Pflege von Autoren eine wichtige Aufgabe von Verlagen ist, räumt auch der Anwalt und Blogger Udo Vetter ein. Die Frage sei nur, ob die Unterscheidung Nutzer-Urheber noch tragfähig sei.

    "Erstmal sind solche Aufrufe "Wir sind der Urheber" oder wir sind die brillanten Köpfe und ihre seid nur die Konsumenten nicht mehr zeitgemäß, denn im Online-Zeitalter ist jeder Produzent. Wenn Sie eine Facebook-Seite haben und interessante Inhalte darauf einstellen, dann werden Sie genau so schnell zum Urheber wie ein Romanautor. Also die Grenzen sind fließend geworden. Deswegen halte ich es für außerordentlich gefährlich, wie man hier Fronten aufbaut. Das ist eine Verkennung der sozialen Wirklichkeit auch heute. Das nehmen die Menschen, denen die Seiten der vermeintlichen Konsumenten zugewiesen werden, als Kriegserklärung wahr. Wer solche, ich sags mal vorsichtig, brachial Töne in die Diskussion einbringt, darf sich natürlich nicht wundern, wenn er dann auch entsprechende Antworten erhält."

    Ein weiterer Aspekt, so der Rechtsanwalt Udo Vetter: die Unterzeichner hätten sich vor einen Karren spannen lassen, vor den sie nicht gehören.

    "Sie übersehen nämlich, dass sie als Urheber erst einmal andere Interessen haben als die sogenannten Verwerter, das sind die Verlage, die Film-Studios und die Musik-Studios. Wir wissen es ja, dass viele Künstler interessanterweise gerade mal so mit ihrem Einkommen klarkommen können, aber eben nicht über Hartz-IV-Niveau kommen, während die Verwerter, also die Verlage, relativ gut da stehen. Und die Urheber, die eigentlichen Urheber, würden wirklich gut daran tun, sich mal zu fragen, ob sie sich wirklich auf die richtige Seite stellen oder ob es nicht auch für sie günstiger wäre, wenn sie in Kooperation mit den Nutzern und den neuen Gegebenheiten eben versuchen würden, mehr Erlöse für sich zu generieren."

    Eine Möglichkeit, das Netz zur Erlösquelle zu machen, bietet das sogenannte Crowdfunding. Es verbindet die Vorteile der digitalen Vernetzung mit einer sozialen Idee: ein jeder kann seine Projektidee im Internet vorstellen und hoffen, möglichst viele Menschen zu finden, die ihn finanziell unterstützen Schon geringe Geldspenden helfen, wenn möglichst viele Menschen mitmachen. Doch auch hier wie im analogen Medienleben hilft es, wenn diejenigen, die sich um Spenden bemühen, schon einen etablierten Namen haben. So sammelten die Macher der Kult-Fernsehserie Stromberg in nur einer Woche eine Million Euro, um einen Film über Deutschlands bekanntestes Büroekel zu finanzieren. Ein Finanzierungsmodell der Zukunft oder ein überschätztes Einzelphänomen? Kann Crowdfunding oder auch das sogenannte Social Payment, also die freiwillige finanzielle Abgabe für einzelne Inhalte im Netz, Künstler auf Dauer über die Runden bringen? Oder sind sie dann doch nur auf die zusätzlichen Verkäufe von T-Shirts oder auf Konzerte oder Leseabende angewiesen? Der Schriftsteller Burkhard Spinnen ist skeptisch:

    "Solche Dinge sind zunächst mal in den meisten Fällen die Ausnahme, die die Regel bestätigt, dass es so nicht geht. Und dann sorge ich mich, ehrlich gesagt, um das, wenn solche Verfahren etabliert werden, was dann übrig bleibt. Große Verlage finanzieren Bücher, die sich ökonomisch kaum selbst tragen. Weil sie dann dafür einstehen, dass auch bei schwieriger, anspruchsvoller Lektüre die Qualität dafür steht, dass das in der Welt sein soll. Für Verleger alten Schlages ist das eine wichtige Angelegenheit, zum Beispiel ihr Lyrikprogramm zu bewahren, obwohl man mit Lyrik-Büchern keine großen Umsätze macht, ja möglicherweise nicht einmal die Ausgaben deckt. Das sind Konzepte zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Kultur. Wenn jetzt jedes Kulturgut, quasi jedes Gedicht, jeder Song, usw., usw., einzeln abgerechnet werden und die Tendenz geht überall dahin, dann bekommen wir natürlich nur noch das, was in einem ganz ganz emphatischen Sinne mehrheitsfähig ist."

    Bleiben also Nischenangebote in der digitalen Welt zunehmend auf der Strecke? Diese Gefahr sieht auch der Netzaktivist Markus Beckedahl. Ein nutzerfinanziertes Modell hat nach seiner Ansicht das Problem, dass es

    Komplett auf den Markt zugeschnitten ist, wo halt nur die Erfolgreichen, die Exhibitionistischen, also diejenigen, die halt auch schon gut kommunizieren können und vielleicht auch bekannt sind, darüber alles refinanzieren können, aber sagen wir mal der geniale Künstler, der total verschüchtert in seinem Kämmerlein sitzt, für den wär das nichts, aber müssen wir halt auch mal schaun, in den USA gibt es eine Plattform "Kickstarter.com", die haben mittlerweile im letzten Jahr mehr Geld eingesammelt oder verteilt als die nationale Kulturförderung in den USA wohl ausgegeben hat und die stehen auch erst am Anfang.

    Muss also ein Künstler, Autor, Filmemacher, sich heute daran gewöhnen, Unternehmer und Entertainer zu sein? Oder werden sich nicht gerade wieder die großen Monopolisten durchsetzen? Und zwar diesmal nicht die großen deutschen Verlage, Sender, Produzenten, sondern die international agierenden Konzerne, die Googles und Amazons? Eine Angst, der auch der Musiker Sven Regener in seiner berühmt gewordenen Wutrede Ausdruck verlieh:

    "YouTube gehört Google. Das ist ein milliardenschwerer Konzern, der aber nicht bereit ist, pro Klick zu bezahlen. Nun hat aber weder YouTube noch Google uns irgendetwas zu bieten, außer, was andere Leute geschaffen haben und da rein gestellt wird. Und da sind wir an dem Punkt, wo die Musiker sagen, und die GEMA sagt - und die GEMA sind wir, letztendlich, das sind die Komponisten und Textdichter - und wir sagen: Nein, für dieses Geld kriegt ihr unseren Kram nicht. Und wir sehen nicht ein, dass Milliardengeschäfte gemacht werden, auch mit Werbung in diesem Bereich, und wir kriegen davon nichts ab. Wir sind sozusagen die Penner in der letzten Reihe. Das ist eine Unverschämtheit. Das sollte sich jeder, auch junge Mensch, genau überlegen, ob er sich wirklich zum Lobbyisten von so einem milliardenschweren Konzern wie Google machen möchte."

    Doch der Internetuser nutzt YouTube ja nicht, um Google zu unterstützen, sondern um möglichst schnell und umfassend an Musikvideos heranzukommen. Wie einen Ausgleich finden zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen von Autoren, Journalisten, Musikern, Filmemachern? Im Wissenschaftsbereich scheint sich immer mehr das Open-Access-Prinzip durchzusetzen. Die Universitäten gewähren, gefördert unter anderem durch den Staat, freien Zugang zu ihren Forschungsarbeiten. Im kommerziellen Bereich gibt es schon jetzt zwölf sogenannte Verwertungsgesellschaften, die helfen, dass nicht jeder Einzelne sich um die Wahrnehmung seiner Urheberrechte kümmern muss. Bekanntestes Beispiel ist die GEMA, die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte". Sie vertritt von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern. Nach einem komplizierten Verteilungsschlüssel werden die GEMA-Mitglieder an den Einnahmen beteiligt, die durch Gebühren für öffentliche Aufführungen, Geräte und Medien eingezogen werden. Doch auch dieses System, so Kritiker, begünstige vor allem diejenigen, die ohnehin zu den Großverdienern gehörten. Der Düsseldorfer Medienrechtler Thomas Hoeren:

    "Eines der großen Probleme des Urheberrechts ist die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften. Die Verwertungsgesellschaften sind die Treuhänder der Urheber. Und wenn Sie fragen: Wie kann man Kreative besser schützen, dann wäre ein Schutzinstrument eine Verwertungsgesellschaft. Aber wenn die natürlich nicht einer richtigen Aufsicht unterliegt und macht, was sie will, dann ist das auch so, dass da kaum was ankommt unten. Und das Zweite, was ich mir natürlich wünschen würde und das kommt jetzt auch bei der Rechtsprechung, ist eine verstärkte Kontrolle der Verträge, die die armen Kreativen unterschreiben. Wir haben Rechte-Buy-out-Verträge, so nennen wir das. Das sind Verträge, wo auf sieben Seiten, zehn Seiten alle Rechte weggenommen werden, zum Teil für einen Appel und ein Ei. Also da bleibt nichts übrig. Und es gibt immer mehr Oberlandesgerichte, die jetzt in den letzten Wochen entschieden haben, dass diese Verträge null und nichtig sind. Und das muss weiter gehen und das müsste auch gesetzgeberisch untermauert werden, dass wir nicht mehr hinnehmen, dass die armen Kreativen im Grunde nichts mehr behalten, zu Sklaven werde der Verwerter. Genau so ist, so plakativ."

    Vielleicht aber könnte auch eine Kulturflatrate helfen, eine angemessene Vergütung von urheberrechtlich geschützten Inhalten zumindest mitzufinanzieren? Eine gesetzliche Pauschalabgabe, also eine Flatrate, könnte auf alle Breitbandzugänge erhoben werden, also auf die Internetanschlüsse, die einen guten und schnellen Datentransfer garantieren. Das Problem ist nur: Welchen Verteilungsschlüssel wendet man an. Wäre ein solches Verfahren nicht manipulierbar, indem Musiker beispielsweise in großem Stil ihre eigenen Stücke herunterladen würden? Markus Beckedahl kennt diese Bedenken, aber:

    "Ich halt ja die Kulturflatrate für ein diskussionswürdiges Modell, weil es ein Kompromiss sein könnte zwischen den Interessen der Allgemeinheit auf der einen Seite, einfach mal diesen Krieg gegen das Teilen zu beenden und das Tauschen zu entkriminalisieren und auf der anderen Seite, dass Künstler eine Kompensation erhalten wollen. Es gibt mittlerweile durchgerechnete Modelle, wonach man Breitbandinternetzugänge unter fünf Euro pro Monat quasi belegen müsste, jetzt gibt es jetzt die ganzen, berechtigten, Einwände: Wir haben verkrustete Verwertungsgesellschaften. Die einen sagen zur GEMA bürokratische Monster, die anderen sagen: so bürokratische Monster sind die ja gar nicht, weil 85 bis 90 Prozent der Gelder werden ausgeschüttet, dann sagen die anderen wiederum: ja, aber nur an die Howard Carpendales und Britney Spears, aber nicht an den kleinen Künstler, usw. Aber das könnte man vielleicht mit ner neuen Verwertungsgesellschaft ein bisschen gerechter hinbekommen. Der Chaos Computer Club hat ein anderes Modell eingeworfen, die sogenannten Kulturwertmark. Da ist so die Idee dahinter, dass man monatlich einen Betrag zur Verfügung hat, dass man auf seine Kunst und seine Kultur verteilen kann, was man so mag. Und das ist eher so ein radikaler Wechsel von der klassischen Kulturförderung."

    Beim Modell der Kulturwertmark könnte also der Nutzer mitbestimmen, welcher Künstler in den Genuss seines Geldes kommen soll. Auch dies ein auf den ersten Blick kompliziertes Verfahren, das auch noch ein aktives Mittun der Konsumenten erfordert. Die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann hält eine Verbesserung der kommerziellen Angebote für weit eher wahrscheinlich - eine Verbesserung, die den illegalen Anbietern das Wasser abgraben und die für mehr Geld in den Kassen der Urheber sorgen könnte.

    "Bei den Flatrates, wie wir sie bisher hatten, gab es doch immer sehr starke Einschränkungen, beispielsweise war häufig das Repertoire, das man als Kunde zur Verfügung gestellt bekam, sehr viel enger. Die traurige Wahrheit ist, dass die kommerziellen Angebote bislang kaum mit dem konkurrieren konnten, was die Plattform zur Verfügung stellt, wo man illegal runterläd. Wo wir einfach hinkommen müssen, sind kommerzielle Angebote, die erstens komfortabel sind und zweitens auch ganz viel zur Verfügung stellen, das heute beispielsweise gar nicht mehr am Markt erhältlich ist. Leute, die ich kenne, die runterladen, wobei ich natürlich nicht weiß, ob das auf Viele oder nur auf wenige Nerds zutrifft, laden die Musik runter, die man im Laden einfach nicht kaufen kann. Sagen wir Stücke aus den 60er-, 70er-Jahren, die lange schon vergriffen sind."

    Deshalb boomen im Netz schon längst sogenannte Streamingdienste. Man mietet sich im Netz den Zugang zu einer Fülle von Musikangeboten, die man sich anhören kann, wann immer und wie immer man möchte. Und das teilweise für einen Monatspreis, der immer noch billiger ist als der Kauf einer klassischen CD. Möglich wird dies unter anderem dadurch, dass keine Kosten für Tonträger entstehen. Ähnliche Angebote könnte man sich auch für Filme, Bücher, Zeitungen vorstellen. Streaming oder Einzeldownloads, die Abrufzahlen für Inhalte im Internet steigen sprunghaft. Wie die Urheber dafür in Zukunft entlohnt werden, ob pro Abruf durch die Anbieterdienste, ob per Kulturflatrate, Verwertertantiemen, freiwillige Spenden oder eine Kombination von allem, muss von der Politik und den Beteiligten noch ausgehandelt werden.

    Sprecher: In der eben gehörten Sendung konnten sie Inhalte hören, die Sie schon in anderen Medien und auf anderen Sendeplätzen hören konnten:

    Corso, Deutschlandradio Kultur Radiofeuilleton.