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Welches Haus für das Berliner Musical?

Die Katzen sollen wieder singen: Nach der Pleite des Musical-Betreibers Stella hat der holländische Konzern "Stage-Holding” deren nagelneues Berliner Theater übernommen und will den altgedienten Musical-Urahn "Cats” dort in neuem Glanz erstrahlen lassen. Diese Premiere am Potsdamer Platz muss dann jedoch den Katzenjammer an der Friedrichstraße übertönen: Auch das dortige Metropol-Theater gehört zur Zeit noch der Stage-Holding, aber von Glanz ist da keine Spur.

Ein Beitrag von Holger Zimmer |
    Der geschwungene Schriftzug des "Metropol-Theaters” prangt noch an der Fassade, doch die Rollläden sind halb heruntergelassen, der Putz bröckelt und Baustellengitter verhindern nicht den Blick auf verrotteten Kunstrasen. Obwohl der Verkehr der belebten Friedrichstrasse draußen vorbei braust, herrscht hier im Innenhof stickige Ruhe, die leeren Schaukästen sind von einer dicken Staubschicht überzogen. "Wegen Einsturzgefahr gesperrt”, verkünden Schilder, "Achtung Rutschgefahr”, und "Betreten der Baustelle verboten”. Doch hier rutscht niemand mehr, und es wird auch nicht gebaut, nur ein einsamer Pförtner bewacht mit einer Zeitung bewaffnet den Bühneneingang.

    Das Theater an der Friedrichstraße Nummer 101 liegt scheinbar in den letzten Zügen, doch Umbrüche hat es in seiner bewegten Geschichte schon einige erlebt:

    1873 wurde es als "Admirals-Gartenbad” errichtet und 1910 umgebaut in ein Vergnügungszentrum mit Eislaufhalle, Kino, Kegelbahnen und imposanten Römischen Bädern, die laut Werbeplakaten "für Herren Tag und Nacht geöffnet” waren. Kurz darauf wurde es umbenannt in "Admiralspalast", und jeden Abend lief dort Eis- Ballett.

    1923 ein neuer Umbau, eröffnet wurde mit einer Revue von Walter Kollo. Ein Besuch im Admiralspalast gehörte damals zum Pflichtprogramm jedes ordentlichen Berlin-Touristen: Hier spielte auch Gründgens - Felsenstein und Neher inszenierten. Dann wurde Kultur zunehmend instrumentalisiert, die Nationalsozialisten zeigten Durchhalteprogramme mit Titeln wie "Sonnenschein für alle”, bis 1944 das Gebäude schließlich nur noch als Kino fungierte.

    Nach dem Krieg fanden in den Sälen Magistratsitzungen statt, und auch die historische Vereinigung zwischen KPD und SPD geschah im Admiralspalast. Als eines der größten noch intakten Theater bot er der Staatsoper Asyl, und ab 1955 zog das Ensemble des zerstörten Metropol-Theaters in die Friedrichstraße um, wo es die Operette wieder etablierte.

    Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das Ensemble abgewickelt, das Metropol geschlossen. Der glücklose Intendant Rene Kollo versuchte eine Wiedereröffnung, aber seitdem er vor fünf Jahren scheiterte, steht das Haus leer.

    Dabei schien im Frühjahr 2001 mit dem Verkauf an den Konzern "Stage-Holding” die Wende in der scheinbar endlosen Saga um Wohl und Wehe des Metropol- Theaters erreicht: Noch auf Betreiben des ehemaligen Kultursenators Radunski hin verkaufte die Stadt Berlin der "Stage-Holding” das auf einen Verkehrswert von 67 Millionen Mark geschätzte Theater zum Preis von nur einem Euro und dafür verpflichtete sich der Konzern zu einer Sanierung. Damals sprachen die holländischen Musical-Betreiber noch von ihrer fast selbstlosen Liebe zum Metropol, und es war die Rede von 150 Arbeitsplätzen, einem neuen Bühnenturm und bis zu 1800 Sitzplätzen.

    Doch kaum anderthalb Jahre später ist der Traum geplatzt: Berlin muss nämlich so schnell wie möglich das Theater des Westens veräußern – im nächsten Haushalt sind schon keine Mittel mehr dafür vorgesehen. Nun pokert der Bewerber, eben besagte Stage-Holding, auf diese neue Spielstätte, die in der Bausubstanz weitaus besser erhalten ist, und will das marode Metropol am liebsten wieder der Stadt Berlin in die finanzschwachen Arme drücken. Als Grund für den schon im damaligen Kaufvertrag vorgesehenen Rückzug führt die Stage-Holding übermäßig hohe Renovierungskosten und zu strenge Denkmalschutzbestimmungen an. Und nun soll der Senat nach dem Willen der Stage-Holding mit dem Rückkauf des Metropols neben den Unterhaltskosten auch die bisherigen Auslagen übernehmen. Nur: für den Erhalt des alten Admiralspalastes gibt es in der gespannten Berliner Haushaltssituation auch keine Rücklagen. So wird die Revue zum Trauerspiel und Die Rückkehr der Operette auf die Bühne des Metropol scheint unwirklicher denn je. Zur Zeit wird noch verhandelt, aber es kursieren schon Abriss-Gerüchte: auf dem begehrten Filetgrundstück, könnte auch ein Einkaufszentrum entstehen, und für Operettenfreunde bleibt vorerst nur der Flucht in die Phantasie.

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