Archiv


Wellblechbaracke und Plumpsklo

Die Preise für Studentenzimmer sind in Rom hoch, fast unerschwinglich. 400 Euro hat Laura für ihr kleines Zimmer mit Stromgenerator und Plumpsklo gezahlt. Gesetze sollen eigentlich vor Mietwucher schützen. Und neue Studentenwohnheime sollen außerdem gebaut werden. Doch bisher haben diese Maßnahmen nichts gebracht.

Von Thomas Migge |
    "Die Idee, das Problem der Studentenwohnungen komplett neu zu organisieren, ist nicht schlecht, aber niemand unternimmt etwas. Deshalb bin ich jetzt im August unterwegs, um mir eine Unterkunft zu suchen. Ende August, wenn alle aus den Ferien kommen, beginnt der große Run auf die Unterkünfte. Ich will schneller sein. So unternehme ich Touren durch die Stadt."

    Claudio Minverino aus dem apulischen Bari will an der römischen Universität La Sapienza Jura studieren. Das akademische Jahr beginnt Ende September. Claudio hat noch keine feste Bleibe in Rom. Während die meisten Römer in die Ferien fahren, geht der 19-Jährige auf Wohnungssuche. Keine leichte Sache, denn die Studentenwohnheime der Uni sind schon lange ausgebucht. Der freie Wohnungsmarkt, ja, der bietet Studentenunterkünfte, aber, so Claudio, zu horrenden Preisen:

    "Ich würde mich schon gern mit einem anderen Studenten zusammentun, um die Kosten zu teilen. Skandalös ist, dass die römischen Studentenwohnheime nur insgesamt 1500 Studierenden Platz bieten; und das bei einer Uni, an der rund 100.000 Leute studieren. Ein Einzelzimmer in einer Privatwohnung kostet in Rom durchschnittlich 650 Euro. Das ist zuviel! Es gibt schon freien Wohnraum, nur zu welchen Preisen!"

    Der italienische Rechungshof hat jetzt einen Bericht zur Situation der Studentenunterkünfte vorgelegt: ein erschreckender Bericht. Für rund 1,8 Millionen Studierenden stehen nur 50.000 Universitätsunterkünfte zur Verfügung. Nur 2,7 Prozent aller Studierenden finden auf dem Campus oder in angrenzenden Unterkünften Platz. Das ist ein europäischer Negativrekord. Britische Colleges beherbergen ungefähr 29 Prozent ihrer Studierenden. In Deutschland sind es immerhin noch zwölf Prozent aller Studierenden, die in staatliche Studentenwohnheimen unterkommen.

    In Italien sind junge Leute auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen - und der nutzt die Situation der Studierenden aus. Studentenwohnungen und -zimmer werden schwarz vermietet, zu überhöhten Preisen. Einer Untersuchung der Polizei zufolge sind rund 70 Prozent aller privaten Studentenunterkünfte seit zehn Jahren nicht mehr renoviert worden. Nicht selten teilen sich zwei Studierende ein Bett und nutzen es abwechselnd: eine schlimme Situation, die schon lange der Vergangenheit angehören sollte, denn im Jahr 2000 versprach der Gesetzgeber eine totale Reform der Unterkünfte für Studierende, erklärt Francesco Cragnotti aus dem Rektorat von La Sapienza in Rom:

    "Endlich erinnert man sich wieder an jenes Gesetzesprojekt, das in Vergessenheit geraten ist. Es ist heute der Rechnungshof, der den Regierenden die Leviten liest, denn 2000 entschied man, dass 380 Millionen Euro zum Bau neuer Studentenwohnheime ausgegeben werden sollten. In nur drei Jahren sollte die Zahl der zur Verfügungen stehenden Wohnplätze von damals 45.000 auf 150.000 steigen. Das Gesetz blieb aber nur Papier."

    Deshalb ermitteln jetzt die Inspektoren des Rechnungshofes. Nach Verabschiedung des Gesetzes wurden 169 Bauprojekte für neue Studentenwohnheime präsentiert. 139 wurden angenommen aber nur 15 auch tatsächlich realisiert. Der Rechnungshof will nun wissen, wo die bereits ausgegebenen 90 Millionen Euro geblieben sind.

    Befürchtet wird, dass sie von den Regionen, den Provinzen und Kommunen für andere Zwecke verwendet wurden. Zum großen Leidwesen von Abertausenden von Studierenden, die - und Italiens Medien berichten immer wieder darüber - unter oftmals menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, wie zum Beispiel Laura Mancini Rossi. Die 23-Jährige studiert im vierten Jahr Biologie an La Sapienza:

    "Das ist ein interessantes Thema, für das sich niemand interessiert. Ich kenne viele Studierende, die wie ich, bei mir waren es sechs Monate, in einer Wellblechbaracke am Stadtrand leben. Mit einem Stromgenerator und einem Plumpsklo. Für 400 Euro das Zimmer im Monat! Das sind vollkommen gesetzlose Zustände."

    Italienische Gesetze schreiben - theoretisch jedenfalls - genau vor, wie hoch die Mietpreise für private Studentenunterkünfte sein dürfen. In den Gesetzestexten ist auch von offiziellen Mietverträgen für Studierende die Rede, von Rechten und Pflichten der Mieter und Vermieter und von sauberem Wohnraum. Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus und so gehen jetzt im August Tausende von jungen Leuten, die im September die Uni beginnen werden, auf Wohnungssuche. In der vagen Hoffnung, ein kleines ordentliches und halbwegs preiswertes Zimmer zu finden.