Eher den fragwürdigen Aspekten von Weltbürgertum, insbesondere in seiner marktpolitischen Form, der Globalisierung, widmet sich ein Sammelband mit Aufsätzen zu Weltbürgertum und Globalisierung, dessen Beiträger - nicht eben weltoffen gedacht - durchweg Männer sind. Der Begriff des Weltbürgertums beinhaltet, so der Tenor der männlichen Kritik, ein Ausschlusskriterium. Das Fremde und Abweichende hat hier keinen Platz, historisch bleiben Frauen, Besitzlose und Fremde von den juristischen und philosopischen Definitionen ausgeschlossen. Ge-sucht wird der Anschluss an das Ähnliche, das es vollends zu integrieren gilt. Der heutige Weltbürger hat es mit einer Welt zu tun, die der seinen gleicht: er beherrscht vernetzte Kommunikationssysteme und hat sich in der Informationsgesellschaft eingerichtet. Problematisch ist am Weltbürgertum sein universalistischer Anspruch. Die Essays widmen sich einzelnen Visionen und ihrer historischen Wirkung, um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen sich die Vorschläge zur Verbesserung der Welt in restriktive Setzungen verwandeln. Der Gang durch die Zeiten lässt eines deutlich werden: schnell kann die Missionierung der Welt durch Ideale in ihre nicht nur ideelle Eroberung umschlagen. Ob es die Heilsbotschaft der paulinischen Sendung ist, die ihre Glaubenslehre in die ganze Welt tragen will, die Zentralperspektive, die Dinge einem einheitlichen Raster und damit einer distan-zierten Ordnung des Sehens unterwirft oder der Entwurf von Jürgen Habermas, der als verbindliche Handlungsnormen das anerkennen will, was die Vernunft aller dazu erklärt: das Widerständige, Andere, Nicht-integrierbare hat einen schweren Stand. Trennt gar nur ein Schritt die Indentitätskonzeption des Weltbürgers, der Unterschiede zu nivellieren versucht, von der Haltung derer, die zur Vernichtung all dessen aufrufen, das dieser Vision entgegensteht? Identitätsvisionen gewalttätiger Natur, gilt es zu bedenken, entstehen gerade auch in reformistischen, avantgardistischen Kreisen und sie sind orientiert am Bau einer Zukunft für die kommende Generation. Anders steht es mit der Globalisierung. Sie geht von einem Bild des Menschen aus, dem die Gesetze des kapitalistischen Marktes zugrunde liegen:
Der Mensch ist eigennützig und Geld ist seine einzige tragfähige "Friedensmacht". Die Aufsätze, die sich diesem Themenkreis widmen, sind naturgemäßes nüchterner als diejenigen der Geisteswissenschaftler, aber in der Regel auch leserfreundlicher, was die verwendeten Begriffe und Anspielungen angeht. Wie weitreichend die internationalen Verflechtungen sind und wie weit die Angleichung der Produkte bereits geht, bildet - mit Tabellen und Zahlen illustriert - einen Politkrimi eigener Art. Der eigentliche Weltbürger wäre nach dieser Lesart der wirtschaftlich potente Konsument der Industriestaaten mit einer Heilsbotschaft, die sich einzig aus dem Fortbestand des ökonomischen Kreislaufs speist.