Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Weltklimakonferenz
Neue Fakten zum Klimawandel

Seit 1881 ist es in Deutschland laut Deutschem Wetterdienst um 1,5 Grad wärmer geworden - und seit den 60er-Jahren war jede Dekade wärmer als die vorige. Um die Erwärmung der Erde auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, müssten die Treibhausgas-Emissionen sinken. Stattdessen steigen sie weiter.

Von Volker Mrasek | 02.12.2019
Ausgetrocknete Erde eines ehemaligen Ackers mit Trockenrissen in Israel
Forschende prognostizieren eine Heißzeit (imago stock&people / blickwinkel M. Schaef)
Schon vor knapp 25 Jahren trafen sich die Staaten der Erde erstmals zum Weltklimagipfel. Schon vor zehn Jahren hielten sie fest, dass nunmehr "tiefe Einschnitte" nötig seien, um den Klimawandel zu bremsen. Der Ausstoß der Treibhausgase Kohlendioxid, Lachgas und Methan muss rasch und kräftig zurückgehen. Das war damit gemeint. Doch geschehen ist bis heute nichts. Die Welt-Meteorologie-Organisation legte in der vergangenen Woche ihr neues Treibhausgas-Bulletin vor. Ihr Generalsekretär, der finnische Meteorologe Petteri Taalas:
"Wir haben 2018 wieder einen neuen Rekord beim Kohlendioxid-Gehalt der Luft aufgestellt. Denn die globalen Emissionen sind weiter gestiegen. Das gleiche Bild beim Lachgas: Es nimmt weiter zu, so dass wir auch hier für 2018 neue Rekordwerte sehen. Der Anstieg von Methan im vergangenen Jahr war sogar der zweithöchste im ganzen Jahrzehnt. Aus unserer Sicht ist das schon etwas alarmierend."
Gesamt-Emissionen im Jahr 2018 so hoch wie nie
Wenn man die Klimawirkung von Lachgas und Methan in sogenannte CO2-Äquivalente umrechnet, beliefen sich die Gesamt-Emissionen im Jahr 2018 auf über 55 Milliarden Tonnen. Das war so viel wie nie zuvor. So wird es immer schwerer, das erklärte Ziel der Klimadiplomatie zu erreichen: die Erwärmung der Erde auf höchstens zwei Grad zu begrenzen – oder, besser noch, auf 1,5 Grad. Realistisch betrachtet ist das schon nicht mehr zu schaffen. Das verdeutlicht die neue Ausgabe des "Emissionslücken-
Reports" der Vereinten Nationen. Die dänische Ökonomin und Hauptautorin Anne Olhoff:
"Um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, müssen wir die globalen Treibhausgas-Emissionen ab sofort um 2,7 Prozent vermindern, und zwar jedes Jahr! Für das 1,5 Grad-Ziel sind es sogar 7,6 Prozent jährlich."
CO2-Entsorgung im Untergrund
Auf dem Papier klingt die Idee zukunftsweisend: CO2 wird aus der Atmosphäre wieder eingefangen und eingelagert. Die Politik kalkuliert längst mit Kohlendioxid-Entnahmeverfahren – aber die Technologie ist umstritten.
(Wissenschaft im Brennpunkt, 06.10.2019)
Im Paris-Abkommen machten Industrie- und Schwellenländer vor vier Jahren freiwillige Angebote für verstärkte Klimaschutz-Maßnahmen. Doch die gelten als unambitioniert und reichen bei weitem nicht. Auf dem Klimagipfel in Madrid gehe es vor allem darum, diese Angebote kräftig nachzubessern, so Anne Olhoff:
"Für das Zwei-Grad-Ziel müssen die Länder ihre bisherigen Ambitionen verdreifachen. Und wollen sie noch eine Chance auf 1,5 Grad haben, dann müssen sie ihre Anstrengungen sogar mehr als verfünffachen."
Der Klimawandel hat Deutschland fest im Griff
Auch in Deutschland ist kurz vor dem Klimagipfel in Madrid ein neuer Report erschienen. Das Umweltbundesamt veröffentlichte zum zweiten Mal einen nationalen Klima-Monitoringbericht. Vorgestellt wurde er vor wenigen Tagen in Berlin. Der Meteorologe Thomas Fuchs vom Deutschen Wetterdienst lieferte dabei Zahlen und Trends:
"Seit 1881 ist es in Deutschland um 1,5 Grad wärmer geworden. Und in den letzten Jahrzehnten beobachten wir eine beunruhigende Beschleunigung dieses Temperaturanstieges. Seit den 60er-Jahren war jede Dekade wärmer als die vorige. Die bisherigen Daten für das laufende Jahrzehnt deuten darauf hin, dass die Dekade 2011 bis 2020 - sowohl global als auch in Deutschland – einen neuen Höchststand markieren wird."
Der Klimawandel, so Fuchs, habe auch Deutschland fest im Griff. "Die vergangenen zwei Jahre – 2018 und der Großteil von 2019 – haben in Mitteleuropa sehr deutlich gezeigt, auf was wir uns zukünftig einstellen müssen. Deutschland und Europa erlebten im Juni und Juli dieses Jahres Hitzewellen in einer Intensität, wie wir sie in Mitteleuropa bisher noch nicht erlebt haben."
Ein Landwirt pflügt einen Acker in Proschim und wirbelt auf dem trockenen Feld Staub und Sand auf.
Dürre in der Landwirtschaft (picture alliance / Andreas Franke)
Klimawandel sorgt schon heute für mehr Todesfälle in Deutschland
Ernteeinbußen, dürregeschädigte Wälder, Einschränkungen für die Binnenschifffahrt und Probleme mit der Kühlung von Kraftwerken durch niedrige Flusspegel – damit müsse in Zukunft häufiger gerechnet werden. Der Klimawandel sei aber auch ein Gesundheitsrisiko, betont die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger:
"Menschen sterben durch die Erderhitzung, weil ihre Körper sich nicht mehr anpassen können. Im Jahr 2003 etwa sind in Deutschland 7.500 Menschen mehr gestorben, als ohne Hitzeperiode zu erwarten gewesen wäre. Und in den Jahren 2006 und 2015 gab es jeweils 6.000 zusätzliche Todesfälle. Man kann auch sagen: Das ist im Grunde die größte Naturkatastrophe, die wir in Deutschland in den letzten 50 Jahren hatten. Es ist in der Tat dieses Phänomen."
Es heißt, man könne sehenden Auges in die Katastrophe steuern. Im Fall des Klimawandels muss man immer mehr befürchten, dass es so kommt.