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Weltkulturerbe Wattenmeer

Seit mehr als 25 Jahren bemühen sich Deutschland, Dänemark und die Niederlande als Anrainer um den Schutz des Wattenmeeres. Die Anerkennung als Weltnaturerbe durch die UNESCO ist ein Lob für Geleistetes, bedeutet aber auch neue Herausforderungen für den Naturschutz.

Von Christina Selzer | 26.06.2009
    Es ist eine Landschaft von außergewöhnlicher Schönheit, steht in der Bewerbung, die der Bund, zusammen mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und den Niederlanden vor eineinhalb Jahren eingereicht haben. Ein einzigartiges und hoch sensibles Ökosystem: Heimat für etwa 10.000 Arten von Tieren und Pflanzen. Kinderstube von Seehunden, Krabben und Nordseefischen. Als Drehscheibe des Vogelzugs von der Arktis über Sibirien bis nach Afrika ist das Wattenmeer lebenswichtig für Zehntausende Zugvögel, die am Watt bei ihren Wanderungen Zwischenstopps einlegen. Die Anrainerstaaten Deutschland, Niederlande und Dänemark arbeiten seit mehr als 25 Jahren zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Das Wattenmeer in seiner ursprünglichen Form zu erhalten. Denn eine der großen Herausforderungen ist der Klimawandel, damit verbunden der steigende Meeresspiegel, sagt Carsten Reise vom Alfred Wegener Institut für Meeresforschung:

    "Wenn der Meeresspiegel um einen Meter steigt, was machen wir dann? Das wird eine große Herausforderung an das Management sein. Nicht nur Küstenschutz im engeren Sinne, sondern auch Erhalt des Wattenmeers samt den Inseln."

    Der Klimawandel kommt schneller als befürchtet. Die ökologischen Karten werden neu gemischt. Einerseits gehen Populationen zurück, und andererseits werden aus anderen Klimazonen neue Arten eingeschleppt. Es bringt das Wattenmeer in eine Krise, wenn die Natur sich so schnell verändert wie in den letzten 100 Jahren nicht, so die These von Karsten Reise:

    "Natürlich ist es eine Krise, wenn sich die Natur so schnell verändert wie in den letzten 100 Jahren nicht. Organismen können sich ja anpassen, aber das braucht seine Zeit, und es braucht seinen Raum. Ein ganz einfaches Beispiel: Ein Vogel, der in einer Salzwiese brütet und seinen Platz durch eine Sturmflut verliert, da ist ein starker Selektionsdruck drauf, in höhere Lagen zu gehen. Aber was soll der arme Vogel machen, wenn es die Lagen nicht mehr gibt."

    Fast das gesamte Watt vor der norddeutschen und der niederländischen Küste steht seit Mitte der 80er-Jahre als Biosphärenreservat unter dem Schutz der UNESCO.

    Die Nationalparks sind in Schutzzonen aufgeteilt, in denen in Abstufungen die Natur Vorrang hat oder aber Eingriffe des Menschen erlaubt sind, erklärt Peter Südbeck von der Nationalparkverwaltung Wilhelmshaven:

    "Der Nationalpark ist in Schutzzonen eingeteilt: in Ruhezonen, die den höchsten Schutz genießt, die Zwischenzonen und die Erholungszonen für den Menschen, das sind zum Beispiel die Badestrände. Hier ist das Drachensteigen erlaubt und auch das Kitesurfen."

    Die Konflikte zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen bleiben bestehen. Windparks auf hoher See, Gas- und Ölbohrungen, Schifffahrt oder Freizeitsport wie Kite-Surfen sind Naturschützern ein Dorn im Auge. Doch das niedersächsische Umweltministerium hofft, dass das Prädikat Welterbe der Region ein international wirksames Marketinginstrument beschert. Eine Auszeichnung für die Bemühungen, das Wattenmeer zu schützen, sagt Hubert Farke, Koordinator der Bewerbung in Wilhelmshaven.

    "Unter einem UNESCO-Welterbe wird man das Nationalparkgesetz schwieriger ändern können. Das ist eine zusätzliche Absicherung bei all den Begehrlichkeiten."

    Doch auch mit der begehrten Auszeichnung bleiben die Probleme bestehen: Bagger, die Kabel für die Windparks legen, stören weiterhin die Zugvögel. Und der Wattenrat, ein Zusammenschluss von Naturschützern in Ostfriesland befürchtet, dass ein UNESCO-Weltnaturerbe noch mehr Touristen anlockt.