Köhler: Die humanitäre Hilfe hat Vorrang, aber auch die Wiederaufnahme des Tourismus sei Wiederaufbauhilfe, sagt der Bundesaußenminister nach dem Besuch des Katastrophengebiets in Thailand. Gab es bei Ihnen so etwas wie eine moralische Schonfrist, die sie sich gesetzt haben oder muss jetzt zügig gehandelt werden oder ist der Wiederaufbauhilfebedarf, möchte ich mal sagen, gar nicht so groß, wie man vielleicht erst vermutet hat?
Offenhäuser: Der Wiederaufbauhilfebedarf ist vorhanden, aber selbstverständlich können wir auch im Augenblick aus der Analyse der Situation heraus nicht von den örtlichen lokalen Behörden erwarten, dass sie nun auch noch Wissenschaftlermissionen der UNESCO entsprechend dort empfangen und einweisen können. Wir müssen abwarten bis die Infrastruktur wieder hergerichtet ist. Wir müssen vor allen Dingen aber auch abwarten bis die humanitären Maßnahmen, also Leichenbergung, Leichenidentifizierung, Gesundheitsvorsorge, Trinkwasserversorgung, bis das alles hergestellt ist. Die UNESCO befindet sich in Wartestellung und sie wird, sobald das Terrain vorbereitet ist, dann auch mit Missionen in die entsprechenden Länder fahren.
Köhler: Mission heißt, die eben von Ihnen erwähnte Expertenkommission, weil den offiziellen Stellen - nennen wir das Kind ruhig mal beim Namen - nicht ganz zu trauen ist. Aus welchen Gründen, was denken Sie? Sind das politische Hemmnisse, dass man sich das nicht eingestehen will oder woran liegt so was?
Offenhäuser: Man muss einfach sehen, dass die Menschen dort vor Ort, erstmal auch natürlich von der Katastrophe überfordert sind. Das andere ist, man will auch vermeiden, das jetzt zu den hunderten von Hilfsorganisationen, die dort vor Ort arbeiten, zum Teil auch unkoordiniert, dass dazu jetzt auch noch Missionen der UNESCO kommen, die natürlich auch durchaus eine Woche später dort eintreffen können. Wichtig ist ja bei solchen Welterbestätten nicht der Augenschein, der kann sehr täuschen. Sie können, wenn sie das ganze Gerümpel, was dort jetzt herumliegt, sehen, den Eindruck bekommen, dass eine Welterbestätte katastrophal geschädigt sei. Sie können aber auch den gegenteiligen Eindruck bekommen, dass sie denken, das ist alles noch in Ordnung, wissen aber nicht welche Schäden dieses Wasser, auf den ersten Blick nicht sichtbar, angerichtet hat. Dass heißt eine Mission der UNESCO wird sicherlich etwas länger Zeit brauchen, um die Schäden genau zu evaluieren und dann auch Wiederaufbaumaßnahmen zu beschließen.
Köhler: Herr Offenhäuser, in diesen Tagen wird ja viel von Katastrophenplänen, von Koordinierung auch auf europäischer Ebene gesprochen. Gibt es so etwas im kulturellen Bereich eigentlich auch? Ich sage jetzt mal, so eine Art mobile Eingreiftruppe, eine Art kulturelle Blauhelmtruppe?
Offenhäuser: Es gibt so etwas in der Art als Truppe, mobil gibt es das nicht. Es gibt aber das Netzwerk der UNESCO-Experten, es gibt das Welterbezentrum, das heißt, es gibt eine Infrastruktur und eine logistische Struktur, die jederzeit abrufbar ist.
Köhler: Gibt es dafür einen speziellen Fond? Und wenn ja wie groß ist der?
Offenhäuser: Es gibt den Welterbefond der UNESCO, der wird mit Sicherheit auch jetzt genutzt werden für erste Sofortmaßnahmen. Dieser Welterbefond umfasst pro Jahr etwa zwischen vier und zehn Millionen Dollar, aber dieser Welterbefonds ist für alle Spender offen und wird sicherlich auch aus diesen vielen Geldern, die nun aus der internationalen Staatengemeinschaft versprochen wurden, dann soweit angereichert werden, dass aus ihm Maßnahmen für die betroffenen Gebiete finanziert werden können.
Köhler: Das war Dieter Offenhäuser von der deutschen UNESCO