Radek Knapp: Ich glaube, dass der ganze Irak-Konflikt von der polnischen Seite aus gesehen eine starke psychologische Komponente hat. Junge Demokratien, wie die polnische Demokratie, sollten unter psychologischen Aspekten gesehen werden. Ich denke, dass der wachsende Nationalismus, der gerade in Polen um sich greift, auch darauf zurückzuführen ist, dass die Polen doch gewisse Minderwertigkeitskomplexe haben. Es gibt keine bessere Medizin im Augenblick, wie zum Beispiel die Besetzung des Iraks. Es hätten auch die Philippen oder Fijis sein können.
Holger Noltze: Was, glauben Sie, sind die wirklichen Motive der polnischen Initiative im Irak?
Radek Knapp: Ich würde sagen, das ist sogar den Polen nicht ganz klar. Es ist ja klar, dass das alles nur ein Schattenkabinett ist. Das, was die Polen dort machen werden, wird immer nur das sein, was die Amerikaner oder die Engländer sagen. Die Polen haben hier nur eine Rolle eines Feigenblattes zu spielen. Das wird ihnen auch im Laufe der Besetzung klar werden.
Holger Noltze: Aber worum geht es? Geht es darum, an der Seite der Siegermacht USA zu agieren? Oder geht es nicht auch um die Einsicht, dass man jetzt beim Wiederaufbau helfen muss?
Radek Knapp: Ja, das sind alles Ziele, die man im Laufe der üblichen Maßnahmen erfüllen wird. Der Westen sieht nur, dass Polen im Irak ist und dort eine Besatzungsmacht spielt. Aber der wahre Grund und die wahre Ursache spielt sich in Polen ab. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es zweierlei Allianzen gibt. Es gibt eine psychologische Allianz und es gibt eine Vernunftallianz. Die Vernunftallianz haben wir ja mit den Deutschen, mit Westeuropa. Aber die Liebesallianz haben die Polen ja schon seit den letzten 50 Jahren unter dem Kommunismus mit den Amerikanern aufgebaut.
Holger Noltze: Stimmen Sie denn dem Kollegen Stasiuk zu, wenn er sagt, man engagiere sich im Irak, weil Polen seinen Platz in Europa nicht findet und was wäre denn dann der richtige?
Radek Knapp: Ich würde sagen, dass Polen gerade seinen Platz in Europa sucht. Nur, wie gesagt, ist dieser Nationalismus, der gerade in Polen so stark ausgeprägt ist, ein Hindernis. Solche Nationen sind sehr anfällig für alles, was ihr Image heben kann, auch wenn das ein Schritt, wie die Besetzung des Iraks ist. Dass die Polen sich auf Dauer ein Eigentor geschossen haben und nachher einen tiefen Katzenjammer haben werden, ist eine andere Geschichte.
Holger Noltze: Ist es denn richtig, so wie Sie es sagen oder andeuten, dass das polnische Irak-Engagement einer latent nationalistischen Richtung zuzuschreiben ist?
Radek Knapp: Die Politiker in Polen, ich war gerade dort, erzählen natürlich von dem großen Nutzen, der auch wirtschaftlich sein wird und so weiter. Aber ich höre immer gerne in meiner Eigenschaft als Schriftsteller, was die Leute auf der Straße sagen. Viele Leute auf der Straße sind, sagen wir mal, angenehm berührt. Man muss aber auch beachten, dass Polen ein Land ist, das über drei- bis vierhundert Jahre andauernd besetzt war. Es hat schon einen gewissen Kitzel, endlich einmal eine Besatzungsmacht zu sein.
Holger Noltze: Das ist noch nicht zwangsläufig Nationalismus?
Radek Knapp: Nein, das ist noch nicht zwangsläufig Nationalismus. Es ist eine Kur gegen Minderwertigkeitskomplexe und eine Art der Identitätsfindung, auch wenn das jetzt ein bisschen komisch klingt. Wenn wir den Irak besetzt haben, werden wir plötzlich sehen, dass es schlecht war, aber das war dann unsere Entscheidung.
Holger Noltze: Woran liegt es, dass das polnische Irak-Engagement zum Beispiel auf der deutschen Seite zu so heftigen Reaktionen geführt hat?
Radek Knapp: Die Deutschen sind ja enttäuscht. Sie haben Polen gehätschelt und sich um Polen gekümmert. Beide Länder waren ja bei den Verhandlungen zum Beitritt in die europäische Union eine sehr positive treibende Kraft. Nun hat sich der Schüler plötzlich über den Meister gestellt und fängt an, selbständig zu sein. Das muss auf deutscher Seite sicherlich eine gewisse Enttäuschung hervorrufen. Auf der anderen Seite würde ich sagen, dass die Deutschen noch ein bisschen warten sollen, wenn sie schon so viel Geduld hatten, denn es wird sich lohnen.
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Holger Noltze: Was, glauben Sie, sind die wirklichen Motive der polnischen Initiative im Irak?
Radek Knapp: Ich würde sagen, das ist sogar den Polen nicht ganz klar. Es ist ja klar, dass das alles nur ein Schattenkabinett ist. Das, was die Polen dort machen werden, wird immer nur das sein, was die Amerikaner oder die Engländer sagen. Die Polen haben hier nur eine Rolle eines Feigenblattes zu spielen. Das wird ihnen auch im Laufe der Besetzung klar werden.
Holger Noltze: Aber worum geht es? Geht es darum, an der Seite der Siegermacht USA zu agieren? Oder geht es nicht auch um die Einsicht, dass man jetzt beim Wiederaufbau helfen muss?
Radek Knapp: Ja, das sind alles Ziele, die man im Laufe der üblichen Maßnahmen erfüllen wird. Der Westen sieht nur, dass Polen im Irak ist und dort eine Besatzungsmacht spielt. Aber der wahre Grund und die wahre Ursache spielt sich in Polen ab. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es zweierlei Allianzen gibt. Es gibt eine psychologische Allianz und es gibt eine Vernunftallianz. Die Vernunftallianz haben wir ja mit den Deutschen, mit Westeuropa. Aber die Liebesallianz haben die Polen ja schon seit den letzten 50 Jahren unter dem Kommunismus mit den Amerikanern aufgebaut.
Holger Noltze: Stimmen Sie denn dem Kollegen Stasiuk zu, wenn er sagt, man engagiere sich im Irak, weil Polen seinen Platz in Europa nicht findet und was wäre denn dann der richtige?
Radek Knapp: Ich würde sagen, dass Polen gerade seinen Platz in Europa sucht. Nur, wie gesagt, ist dieser Nationalismus, der gerade in Polen so stark ausgeprägt ist, ein Hindernis. Solche Nationen sind sehr anfällig für alles, was ihr Image heben kann, auch wenn das ein Schritt, wie die Besetzung des Iraks ist. Dass die Polen sich auf Dauer ein Eigentor geschossen haben und nachher einen tiefen Katzenjammer haben werden, ist eine andere Geschichte.
Holger Noltze: Ist es denn richtig, so wie Sie es sagen oder andeuten, dass das polnische Irak-Engagement einer latent nationalistischen Richtung zuzuschreiben ist?
Radek Knapp: Die Politiker in Polen, ich war gerade dort, erzählen natürlich von dem großen Nutzen, der auch wirtschaftlich sein wird und so weiter. Aber ich höre immer gerne in meiner Eigenschaft als Schriftsteller, was die Leute auf der Straße sagen. Viele Leute auf der Straße sind, sagen wir mal, angenehm berührt. Man muss aber auch beachten, dass Polen ein Land ist, das über drei- bis vierhundert Jahre andauernd besetzt war. Es hat schon einen gewissen Kitzel, endlich einmal eine Besatzungsmacht zu sein.
Holger Noltze: Das ist noch nicht zwangsläufig Nationalismus?
Radek Knapp: Nein, das ist noch nicht zwangsläufig Nationalismus. Es ist eine Kur gegen Minderwertigkeitskomplexe und eine Art der Identitätsfindung, auch wenn das jetzt ein bisschen komisch klingt. Wenn wir den Irak besetzt haben, werden wir plötzlich sehen, dass es schlecht war, aber das war dann unsere Entscheidung.
Holger Noltze: Woran liegt es, dass das polnische Irak-Engagement zum Beispiel auf der deutschen Seite zu so heftigen Reaktionen geführt hat?
Radek Knapp: Die Deutschen sind ja enttäuscht. Sie haben Polen gehätschelt und sich um Polen gekümmert. Beide Länder waren ja bei den Verhandlungen zum Beitritt in die europäische Union eine sehr positive treibende Kraft. Nun hat sich der Schüler plötzlich über den Meister gestellt und fängt an, selbständig zu sein. Das muss auf deutscher Seite sicherlich eine gewisse Enttäuschung hervorrufen. Auf der anderen Seite würde ich sagen, dass die Deutschen noch ein bisschen warten sollen, wenn sie schon so viel Geduld hatten, denn es wird sich lohnen.
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