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Weltmeisterschaft der Daddler

Computerspiele übertrumpfen weltweit bereits die Filmindustrie, und bei so vielen Fans bleibt der Wettstreit der Spieler nicht aus. Die Besten messen ihre "Kräfte derzeit in Köln auf den World Cyber Games.

Von Mathias Schulenburg |
    Weil man bei einer Pressekonferenz die jeweilige Veranstaltung immer im besten Licht zeigt, soll die im Promotionfilm gezeigte Spieleauswahl offenbar das Beste darstellen. Auf den Bildschirmen erscheint das Übliche: Haudraufs mit mächtigen Muckies, Monster mit Gebissen, deren Pflege jeder anständige Zahnarzt ablehnen müsste, Formel-1-Piloten, von Flammen umhüllt, Fußballspieler. Die immerhin benehmen sich zivil, mit mittlerweile recht gefälligen Bewegungen. Das Ganze nennt sich neuerdings "e-sport", elektronischer Sport.

    The e-sports evolution. E-sports is the evolution of competition like no other in the digital world. The largest e-sports tournament .. as dreams of e-sports emerge as a new cultural thread, and new breands are expanding their marketing portfolio ... e-sports-leader ... the new cyber games.

    Wettbewerb wie sonst nirgendwo in der digitalen Welt! Der neue "cultural thread", von dem der Herr spricht, wird hinten mit "d" geschrieben und ist somit ein "neuer kultureller Leitfaden". Mit "t" geschrieben wäre er eine "neue kulturelle Bedrohung", was der Wirklichkeit derzeit eher gerecht würde. Und die Bezeichnung "sport" ist derzeit noch ein Witz: Die Spieler sitzen unbeweglich bis auf die Hände, die blitzschnell über irgendwelche Eingabekonsolen tattern und flattern. Hier gerade ein Wettbewerb, bei dem mittelalterlich kostümierte Scharen mit Waffen, die in der Mehrzahl starke Leuchterscheinungen und unentwegtes Wummern hervorrufen, über die Bildschirme ziehen. Selbst wenn virtuelle Gebäude unter der Waffenwirkung brennend zusammensinken bleibt der virtuelle Rasen drum herum unversengt, das muss anders werden. Spieler und Zuschauer betrachten das Geschehen von ganz weit oben, so muss Gott den dreissigjährigen Krieg erlebt haben.

    Frauen, die nicht für ihre Anwesenheit bezahlt werden, sind auf der World Cyber Games kaum auszumachen, die Spiele sind eine männliche Domäne.

    ... und dann geht er ganz dicht / an den Schaufenstern lang / und überprüft darin / seinen Cowboygang ...

    So besang Udo Lindenberg in den Siebzigern die damaligen Möglichkeiten der Selbstbespiegelung – da hat sich viel getan. Im Spiel "Guitar Hero" – entfessele den Rockstar in Dir! – bringen auch weniger Talentierte ein virtuelles Publikum zum Rasen, indem sie ein Eingabegerät in der Form einer Gitarre nach Vorgaben traktieren, die teleprompterartig auf einem Bildschirm vor ihnen ablaufen. Das Spiel hat großen Erfolg und ist durchaus witzig und kann bei aller Vereinfachung wieder so kompliziert werden, dass Meisterschaft vonnöten wird. Gut denkbar, dass sich die Pseudogitarren im Laufe der Zeit zu echten Instrumenten entwickeln:

    Wieder legen die Spieler ein atemberaubendes Tempo an den Tag – da wird der Reporter müde. Ein gut sortiertes Spielwarengeschäft auf der anderen Rheinseite hält Trost bereit: Ein Säckchen Murmeln, eine Spielanleitung "Kullerspaß mit Fridolin Frosch", ein Plattenbau-Quartett – wer hat die Formstein-Platte Beton lackiert Kinder-Kombination 90/180? – und eine Weihnachtspostkarte mit Rex Gildo und dem Text: Fröhliche Weihnachten, viel Fiesta und ein kräftiges Hossa. Zu unsrer Zeit war auch was los!