Donnerstag, 18. April 2024

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Welttag der Ozeane: WWF kritisiert Überfischung der Meere

Der World Wildlife Fund (WWF) rät den Verbrauchern, beim Fischkauf auf Art und Herkunft des Fisches zu achten. Wegen Überfischung gehörten viele Arten wie Rotbarsch oder Dorade "definitiv nicht auf den Teller", sagt WWF-Mitarbeiterin Britta König. Beifang sei ein weiteres Problem: 40 Prozent der gefangenen Fische gingen ungenutzt wieder über Bord.

Britta König im Gespräch mit Britta Fecke | 08.06.2011
    Britta Fecke: Heute ist der Welttag der Ozeane, er ist dem Schutz der Meere und seiner Bewohner gewidmet. Und wie es um seine Bewohner konkret, wie es um den Fischbestand steht, wollen wir heute schildern. Zwei Drittel der großen europäischen Fischvorkommen gelten als überfischt. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass die heutigen Fischbestände nur noch fünf Prozent von der Menge ausmachen, die sich in den Meeren tummelten, bevor der industrielle Fischfang begann. Ein Beispiel ist der früher so häufige Kabeljau, dessen Population allein in den letzten 15 Jahren um 85 Prozent zurückgegangen ist. Ich bin jetzt verbunden mit Britta König vom WWF-Zentrum für Meeresschutz. Frau König, den Kabeljau habe ich schon kurz genannt – welche Arten sind denn noch bedroht?

    Britta König: Es gibt tatsächlich etliche bedrohte Arten, acht von zehn kommerziell genutzten Beständen sind ja mittlerweile überfischt oder bis an die Grenzen ausgebeutet. Zu Arten, die definitiv nicht auf den Teller gehören, gehört Rotbarsch aus dem Nordatlantik, Dorade aus dem Mittelmeer, Aal, roter Thunfisch oder auch Großaugenthunfisch – also wir raten den Verbrauchern, beim Fischkauf auf Art und Herkunft des Fisches zu achten.

    Fecke: Wer oder was, welche Methoden sind für die Bedrohung der Meeresökosysteme verantwortlich und damit auch für diese schrumpfenden Bestände?

    König: Im Grunde genommen ist es die zu starke Kapazität der Fischereiflotten insgesamt, der Druck ist einfach insgesamt zu hoch. Die Fangmethoden, da gibt es ja sehr unterschiedliche, die schädigen ja meist nicht die Art, der ich nachsetze, die ich fangen möchte, sondern eben das Ökosystem insgesamt, indem sie zum Beispiel viel Beifang produzieren, das heißt, Jungfische, die ich noch nicht anlanden und verkaufen darf, oder Arten, auf die ich es gar nicht abgesehen habe. 40 Prozent des Fangs gehen über Bord, ungenutzt, und sind dann trotzdem tot und dem Meer entnommen. Daher geht es darum, dass man selektive Fangmethoden schafft, die da einen Unterschied machen.

    Fecke: Die EU-Kommission wird bald ihren Vorschlag für eine reformierte Fischereipolitik vorlegen. Dabei gibt es aber schon über 2000 Vorschriften für den kommerziellen Fischfang. Was müsste sich denn Ihrer Ansicht nach verbessern, damit sich die Bestände tatsächlich erholen können?

    König: Wir brauchen im Grunde genommen ein generelles Umdenken in der Fischerei in Richtung Langfristigkeit. Wir brauchen langfristige Pläne, mit denen die Fischereien bewirtschaftet werden, die den Beständen eben Zeit lassen, sich zu erholen, sodass man sozusagen die Zinsen abschöpfen kann, während das Grundkapital erhalten bleibt. Wir müssen eben diese skandalöse Verschwendung durch Beifang eindämmen, und wir müssen dafür sorgen, dass die EU mit ihren vielen Regelungen nicht zum Beispiel vor den Küsten Afrikas unfair fischt und dort den Fisch fängt, den wir hier verzehren.

    Fecke: Sie sprechen den illegalen Fischfang an. Was macht der denn für einen Anteil aus, geschätzt?

    König: Der illegale Fischfang macht wirklich einen Großteil des Anteils aus, das ist auch ein Millionengeschäft, da geht also Fisch im Wert von Millionen verloren. Man weiß es aber nicht wirklich ganz genau. Es ist halt eben schwer nachzuvollziehen, weil das alles auf hoher See stattfindet, wo die Kontrollen schwierig sind.

    Fecke: Welchen Fisch können wir denn noch essen ohne Sorge, den letzten seiner Art auf dem Teller zu haben?

    König: Eine gute Wahl zum Beispiel sind Hering und Seelachs aus dem Nordatlantik, auch der Dorsch, also der Kabeljau in der Ostsee hat sich durch langfristige Planung so erholt, dass man ihn wieder mit gutem Gewissen verzehren kann, und auch Lachs und Forelle sind gute Alternativen, wenn sie aus Biozucht stammen.

    Fecke: Sie sprechen jetzt schon die Zucht an. Lachs wird ja auch hergestellt in Aquakultur. Ist Aquakultur tatsächlich eine gute Alternative?

    König: Aquakultur sollte die Lösung sein. Jeder zweite Fisch stammt mittlerweile aus Aquakultur, weil die Meere nicht mehr so viel hergeben. Aquakultur hat aber auch Probleme, wenn es im offenen Meer stattfindet, weil alles, was an Nahrungsmitteln, Düngemitteln, Antibiotika in die Zuchten geht, sich eben im ganzen Ökosystem verteilt und man Fisch mit Fisch füttert, das heißt, der Druck auf die Fischbestände mindert sich nicht, wenn ich für einen Kilo Lachs vier Kilo anderen Fisch verfüttern muss.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzung! Britta König war das vom WWF-Zentrum für Meeresschutz, heute zum Tag der Ozeane.