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Weltweite Leitlinien für die Juckreiz-Behandlung

In San Francisco findet derzeit der "Vierte Weltkongress für Juckreizforschung" statt. Dort werden Vertreter der Universitäts-Hautklinik Münster Vorträge zum Thema "chronischer Juckreiz" halten. Denn sie haben die weltweit geltenden Standards zur Behandlung von Juckreiz mitentwickelt. Die Münsteraner richteten auch die bundesweit erste Sprechstunde für Patienten mit chronischem Juckreiz ein.

Von Christiane Raasch |
    " Ich habe ein ständiges Hautreizen hinten gehabt, direkt hinten im Nacken. Das war ein ständiges, ständiges Juckreizen, ständiges Kratzen."

    Heinz Kübler, der 50-Jährige Schiffsbauer, lebt in der Nähe von Dessau in Sachsen Anhalt. Seine Krankheit führte ihn in die Universitäts-Hautklinik nach Münster. In die Sprechstunde für chronischen Juckreiz, die von der Privatdozentin Dr. Sonja Ständer geleitet wird. Von "chronischem" Juckreiz sprechen die Mediziner dann, wenn ein Juckreiz wenigstens sechs Wochen lang an einem Stück auftritt. Sonja Ständer erforscht die Krankheit seit Jahren. Ein ständiger Juckreiz kann etwa durch Stoffwechselstörungen ausgelöst werden, sagt sie:

    " Wir haben auch sehr viele Patienten, die die kommen mit Juckreiz bei Nierenerkrankungen, bei Lebererkrankungen, bei bösartigen Erkrankungen anderer Organe."
    Solche Patienten bleiben oft zur Untersuchung ein, zwei Wochen in der Hautklinik. In dieser Zeit wird dann zum Beispiel die Diagnose erstellt welche Grunderkrankung einen "Juckreiz" auslöst. Es gibt aber auch Patienten die gar keinen Grunderkrankung haben und trotzdem unter dauerndem Juckreiz leiden. Patienten mit einem sogenannten "Juckreizgedächtnis". Irgendwann haben sich im Gehirn Nervenbahnen gebildet, die ständig einen Juckreiz auslösen.

    " Und diese Nervenbahnen, die muss man durchbrechen. Die muss man zur Rückbildung bringen. Und das schafft man nur, indem man Tabletten gibt, die im Gehirn wirken, um diese Juckreizwahrnehmung auszuschalten. Wir betrachten das immer als Kur. Das ist immer so zwischen drei und zwölf Monate, dass man das gibt, das hängt individuell vom Verlauf ab."

    Sonja Ständer verordnet solchen Patienten moderne Medikamente, die bisher weltweit noch nie gegen chronischen Juckreiz eingesetzt worden sind. Auf dem Weltkongress für Juckreizforschung in San Francisco stellt sie unter anderem eine Therapie- Studie zum chronischen Juckreiz vor:

    " Die wir hier gemacht haben, zur Anwendung von Antidepressiva bei chronischem Juckreiz. Das ist eine Therapiestudie gewesen, wo wir 72 Patienten behandelt haben, mit einem eigentlich sehr guten Erfolg. Wir konnten bei über der Hälfte der Patienten, also bei fast 70 Prozent der Patienten eine Wirksamkeit zeigen."

    Sonja Ständer erforscht die Krankheit "chronischer Juckreiz" aus wissenschaftlichem Interesse, aber auch aus Mitgefühl mit ihren Patienten. Der ständige Juckreiz führt zum Beispiel dazu, dass sich die Kranken tiefe blutige Wunden kratzen und dass sie nicht mehr schlafen können. Und ein Mensch mit einer Juckreizkrankheit wird von seiner Umwelt oft schief angesehen:

    " Wenn sie in der Öffentlichkeit kratzen wird auf die Patienten gezeigt und gesagt, der ist irgendwie unsauber, da stimmt die Hygiene nicht. Das heißt, das führt auch zur Ausgrenzung aus der Gesellschaft."

    Heinz Kübler war eine Woche in der Hautklinik in Münster. Der Juckreiz in seinem Nacken ist fort. Das hat sein Leben verändert:

    " Das wird auf jeden Fall jetzt ein neues Leben weil dieses Jucken, dies ständige Jucken, endlich weg ist. Es tut mir wirklich auch gut."