Archiv


Wem gehört die Natur?

Die modernen Piraten kommen mit Kescher, Lupe und Pinzette. Es sind Biopiraten auf der Suche nach neuen Wirkstoffen aus Tieren und Pflanzen. Ihr Rohmaterial ist die ungeheure Artenvielfalt in den südlichen Ländern. Tropenwälder und Korallenriffe bergen eine Fülle von bisher unbekannten Substanzen. Wenn es gelingt, daraus neuartige Medikamente herzustellen, winken Gewinne in Milliardenhöhe. Doch bisher ist es den Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika nicht gelungen, aus ihrem natürlichen Reichtum Profit zu schlagen. Im Gegenteil: Amerikanische und europäische Pharmaunternehmen besitzen weltweit mehr als 80 Prozent der gültigen Patente. Biopiraterie nennen das die Entwicklungsländer. Sie wollen selbst über ihre natürlichen Ressourcen bestimmen, und vor allem wollen sie an den Gewinnen beteiligt werden. Die Philippinen versuchen, diese Ideen in die Praxis umzusetzen.

von Claudia Ruby |
    Ein bevorzugtes Ziel für Wissenschaftler aus aller Welt ist die Insel Palawan im Südwesten der Philippinen. Wie ein Riegel trennt die 400 Kilometer lange Insel das südchinesische Meer von der Sulu-See, sagt Neth Dano von der Umweltorganisation Searice

    Palawan ist unser letztes Naturparadies. Die Insel unterscheidet sich stark vom Rest des Landes. Viele Arten, Vögel, Pflanzen und Säugetiere leben nur dort. Die Biodiversität ist wirklich einzigartig.

    Der Zwerghirsch Pilandok zum Beispiel kommt nur auf dieser Insel vor. Dasselbe gilt für das Gürteltier Pangolin und die Palawan-Bärenkatze. Die Berge und Wälder im Norden sind noch völlig unerforscht. Aber selbst in der Umgebung der Hauptstadt Puerto Princesa gibt es noch Neues zu entdecken.

    Zwei Stunden geht es mit dem Jeep über eine schottrige Piste. Dann erreicht man den Naturpark Salakot: kleine Hügel mit unberührten Wäldern, Flüssen und Wasserfällen.

    Hervorragende Bedingungen für einen umweltverträglichen Tourismus findet Adam Ausan von der lokalen Naturschutzbehörde. Doch Salakot lockt nicht nur Touristen an. Im vergangenen Jahr überraschte Ausan hier vier Forscher.

    Wir haben unseren regelmäßigen Kontrollgang gemacht und sind dabei auf die Männer gestoßen. Sie waren schon einige Tage hier, um Insekten zu sammeln - im Wald, im Totholz und auf dem Boden. Es waren Schmetterlinge, Skorpione, Motten und andere Insekten.

    Der Beamte lässt sich die Ausweise zeigen: Es handelt sich um vier Biologen aus der Slowakei. Adam Ausan erklärt den Forschern, dass die Natur in Palawan streng geschützt ist. Niemand darf ohne Genehmigung Tiere oder Pflanzen sammeln. Doch die Ausländer halten sich nicht an das Verbot, im Gegenteil.

    Sie wollten mit dem Flugzeug nach Manila. Aber wir haben sie aufgehalten und ins Gefängnis gebracht. Die Slowaken haben ohne Genehmigung Tiere gesammelt. Das ist illegal. Und deshalb wurden sie angezeigt.

    Im Gepäck der Forscher finden die Beamten mehr als 2.000 Insekten - alle säuberlich präpariert und beschriftet. Die Philippinen sind eines der wenigen Länder, die bereits klare Regeln gegen Biopiraterie erlassen haben. Wenn ausländische Forscher die natürlichen Ressourcen der Philippinen nutzen wollen, müssen beide Seiten davon profitieren. Und genau das ist auch der Grundgedanke der sogenannten Biodiversitäts-Konvention. "Unsere Gesetze sind vorbildlich", sagt auch Cleofe Bernardino von der Umweltorganisation PNNI in Palawan. Trotzdem gibt es Probleme.

    Auf der nationalen Ebene kennen sich alle sehr gut aus, aber wenn man in die Provinzen geht, dorthin, wo es darauf ankommt, dann haben viele noch nie etwas von dem Gesetz gehört. Wir, PNNI, haben sogar Behördenvertreter über das Gesetz informiert. Und das sollte ja eigentlich nicht der Fall sein sollte. Wir haben die Polizei geschult, die Navy, die Küstenwache und das Personal am Flughafen. Wir haben erklärt, was Bioprospektion ist und was in dem Gesetz steht. Viele haben damals zum ersten Mal davon gehört.

    Seit die Umweltschützer Informationskampagnen durchführen, ist das Bewusstsein gestiegen. Immer wieder kommen Forscher aus aller Welt nach Palawan. Früher hat die einheimische Bevölkerung nur den Kopf geschüttelt über das merkwürdigen Verhalten der Besucher. Leopoldo Manga zum Beispiel gehört zu den Tagbanua, der größten ethnischen Minderheit auf Palawan. Als Chef der sogenannten Tribal-Guard wacht er über das Stammesgebiet. Schon mehrfach hat er ausländischen Besuch bekommen.

    Einmal kam eine ganze Gruppe Japaner. Es war sehr merkwürdig. Zum Beispiel haben uns die Japaner aufgefordert, bestimmte Pflanzen zu sammeln. Das haben wir dann auch gemacht. Wir wissen nicht, wozu sie die Pflanzen gebraucht haben.

    Damals haben sich die Tagbanua über das Trinkgeld der Japaner gefreut. Heute wissen sie, dass ihr Wissen viel mehr wert ist als ein paar Mark. Bei Pharmakonzernen sind die Kenntnisse indigener Völker ein gefragtes Gut. Sie machen die Suche nach neuen Wirkstoffen effektiver und damit rentabler. Die Tagbanua wissen genau, welche Pflanzen giftig sind. Sie kennen essbare Früchte und Wurzeln. Und vor allem wissen sie, welche Heilkräuter gegen welche Beschwerden helfen. Das Harz des Baumes Palao zum Beispiel wirkt wie eine hocheffektive Wundsalbe. Einem Fremden würde Leopoldo Manga den Baum jedoch heute nicht mehr zeigen.

    Wir haben ja nichts dagegen, dass Fremde herkommen, solange sie uns und unserer Umwelt nicht schaden. Aber wenn sie hier etwas entdecken und damit viel Geld verdienen, dann sollten auch wir einen Anteil bekommen.

    Leopoldo Manga weiß nicht, dass genau darüber auf internationaler Ebene verhandelt wird - Anfang April wieder auf der nächsten Biodiversitäts-Konferenz in Den Haag. Es geht es um international verbindliche Regeln gegen Biopiraterie. Solange es die nicht gibt, packen die Forscher einfach ihr Fanggerät ein und machen künftig einen Bogen um die Philippinen. Artenreiche Wälder und Meere gibt es auch in Malaysia und Indonesien, in Ecuador oder Brasilien.