Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Wende in der Raumfahrt

Raumfahrt. - Lange hat die Obama-Administration über einen Strategiewechsel in der Raumfahrt nachgedacht. Jetzt sickert durch, dass der Präsident der USA am kommenden Montag einen drastischen Kurswechsel verkünden wird. Der Wissenschaftsjournalist Guido Meyer erklärt ihn im Gespräch mit Michael Böddeker.

28.01.2010
    Böddeker: Herr Meyer, was soll denn nun passieren bei der Nasa?

    Meyer: Es gibt auch gute Nachrichten, Herr Böddeker, die vielleicht einmal zuerst: Und zwar hat Barack Obama entschieden, die Lebenszeit der internationalen Raumstation ISS zu verlängern, und zwar mindestens bis 2020, das wären fünf, wenn nicht gar zehn Jahre länger als geplant. Das waren die guten Nachrichten. Und der Rest sind leider schlechte Nachrichten. Das heißt, zum Beispiel: Die Raumfähren, das Space Shuttle-Programm wird wie geplant dieses Jahr eingestellt. Am nächsten Wochenende soll ja die "Endeavour" starten, der letzten Nachtstart, der erste Shuttle-Start des Jahres 2010, dann kommen noch weitere vier Missionen, und dann im Herbst ist Schluss. Dann ist die Raumstation aufgebaut, und dann werden eben wie damals von George W. Bush angekündigt, die Raumfähren ausgemustert. So weit so gut, soweit nichts Neues. Das Merkwürdige ist nun, dass das Weiße Haus entschieden hat, dass da nichts nachfolgen wird. Bislang war ja das Programm "Constellation" geplant, als Nachfolgeprogramm für die Raumfähren. Das bestand aus vier Segmenten. Die Ares-I-Rakete, mit der künftig Menschen ins All fliegen sollen, dann gab es die Ares-V, also einen großen Schwerlastträger, mit dem Teile einer Mondbasis ins All hätten geschossen werden sollen. Es gab einen neuen Mondlander, Altair hieß er, und es gab eben das neue Orion-Raumschiff, mit dem Astronauten zur ISS hätten fliegen sollen. Nun eben der Rundumschlag von Barack Obama: Dieses gesamte Programm wird eingestellt. Das heißt also, die Nasa bekommt im nächsten Haushaltsentwurf, jedenfalls nach dem Willen des Weißen Hauses ,0 Dollar, kein Geld für ein Nachfolgeprogramm für die Raumfähren und hat damit vorläufig kein eigenes Raumschiff mehr.

    Böddeker: Welche Konsequenzen hätte das denn für die bemannte Raumfahrt in den USA?

    Meyer: Also bisher war es ja schon so, dass eine Lücke entstanden wäre von mindestens fünf Jahren. Also wenn die Raumfähren dieses Jahr ausgemustert werden, wir haben jetzt 2010, dann hätte der Nachfolger, die Orion-Kapsel, frühestens 2014 oder 2015 bereit gestanden. Wenn die aber erst gar nicht gebaut werden, dann müssen die Amerikaner eben bis in alle Ewigkeit bei den Russen Plätze mieten müssen, also mit den Sojus-Kapseln der Russe zur ISS fliegen müssen. Auch die Chinesen können ja mittlerweile Taikonauten ins All schießen, nur die Amerikaner nicht. Also wenn dieser Plan so durchkommt und vom Kongress genehmigt wird, wenn die Amerikaner halt kein Nachfolgesystem bauen und die Raumfähren wie geplant ausmustern, dann werden künftig keine US-amerikanischen Astronauten mehr, jedenfalls nicht aus eigener Kraft, ins All fliegen.

    Böddeker: Das heißt, der Ersatz für diese nun eingestellten Systeme müsse aus dem Ausland kommen?

    Meyer: Nun ja, es ist die Rede von einer Heavy-Lift-Variante, das ist ganz vage gesagt worden, es soll das Geld geben für einen Schwerlastträger, der eben beides können sollte, also Lasten transportieren soll und auch Astronauten, so wie früher die Saturn-V, die große Mondrakete. Aber das scheint mir eine Frage von Jahrzehnten zu sein, bis die einmal gebaut werden. Und dann ist auch die Frage, was sie dann machen sollen. Bis dahin gibt es keine Raumstation mehr, der Bau einer Mondbasis gestrichen, von einem bemannten Flug zum Mars spricht längst keiner mehr, es heißt jetzt, man könnte auch bemannt zu einem Asteroiden fliegen, wobei dieses Ziel allerdings wenig attraktiv wäre.

    Böddeker: Gibt es denn in den USA schon Reaktionen?

    Meyer: Also die Pläne werden ja erst einmal vorgestellt, offiziell am Montag. Aber es gibt schon Reaktionen und zwar von beiden Parteien, Republikaner und Demokraten. Und man kann nur sagen, die Ablehnung ist einhellig. Also alle schreien entsetzt auf. Natürlich schreien vor allem die auf, deren Wahlkreis dort liegt, wo eben Weltraum-Hardware hergestellt wird. Zum Beispiel Richard Shelby, Senator aus Alabama, dort ist das Marshall Space Science Center der Nasa, hat sich bereits gegen diesen Kahlschlag ausgesprochen. Auch einige Kollegen hier in Florida am Kennedys bei Center, wo ebenfalls 7000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Und auch Pete Olson aus Houston [Mitglied des Repräsentantenhauses, d. Red.], wo das Johnson Space Center ist, hat gesagt, so wird das nicht gehen. Das Prekäre ist, das letzte Wort in diesem Fall hat eben nicht Barack Obama, sondern der Kongress. Und wenn die Mehrheit im Kongress ebenso sind, dass diese Pläne nicht durchgezogen werden, dann kann es doch Geld geben für die Nasa. Die Frage ist, wie viel.