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Wenig Börsenreaktion auf die Explosionen in Boston

Zwar drückten die Anschläge in Boston auch auf die Aktienkurse. Aber das war nur von kurzer Dauer. Je nach genereller Marktlage sind die Folgen von Terrorakten an den Börsen unterschiedlich zu spüren.

Von Michael Braun |
    Auch die Arbeit des Analysten hört nie auf. Als gestern die ersten Meldungen vom Anschlag in Boston kamen, hat Eugen Keller vom Bankhaus Metzler sich gleich die Finanzdaten drum herum angeschaut:

    "Ich habe die Breaking News gesehen und habe dann natürlich auch mal einen Seitenblick auf die Märkte geworfen. Und das war überraschenderweise so, dass weder Edelmetalle noch Aktienmärkte, am wenigsten eigentlich Devisenmärkte, darauf reagiert hatten."

    Der führende amerikanische Aktienindex sackte ab, auf dem Devisenmarkt war ein Knick beim Dollarkurs spürbar. Das passte sich aber in weitere, ebenfalls meist schlechte Nachrichten ein. Christian Schmidt, handelsnaher Analyst bei der Helaba, hält das für typisch. Er erinnert sich an die Bombenattentate im Juli 2005 in London und die in Madrid im März ein Jahr zuvor. In Madrid tauchten die Kurse danach ab, auch für längere Zeit. Nach dem Anschlag in London dauerte die Angst ums Geld nur einen Tag. Schmidt meint, die Reaktion auf Anschläge hänge vor allem von der Marktphase ab:

    "Wenn aktuell eine ausgeprägte Aufwärtsbewegung stattfindet, dann werden die Reaktionen als Folge der Anschläge auch moderater ausfallen, als wenn der Markt ohnehin angeschlagen ist. Zu den Anschlägen in Madrid war der Markt eher in einer Abwärtstrendphase, in London war es eher die Aufwärtstrendphase. In London hat das Hauptereignis sozusagen im Sinne der Marktwirkung am Anschlagstag stattgefunden. Die Folgetage, bis zu 20 Tage in Folge, stieg der Markt deutlich wieder an. In Madrid hat es ein bisschen länger gedauert, auf Basis auch sicherlich der Größenordnung, aber auch der Tatsache, dass der Markt ohnehin in einer fallenden Phase war. Da hat es insgesamt zwölf Tage gedauert, bis sozusagen das Vor-Anschlagsniveau wieder erreicht wurde."

    Nach dem 11. September 2001, nach dem Attentat auf das World Trade Center, rauschten zwar die Aktienkurse nach unten, sichere Bundesanleihen stiegen im Kurs – es musste Platz sein für rationale Reaktion, aber die Börse bot auch Raum für stilles Gedenken an die Opfer:

    "Die Börsen gedenken in einer Trauerminute der Tragödie in den Vereinigten Staaten vom Dienstag. Der Handel wird während der Trauerminute unterbrochen."

    Unterschieden wird auch zwischen Anschlägen und Naturkatastrophen. Da, so Metzler-Analyst Keller, wird auch schnell an die Chancen des Wiederaufbaus gedacht:

    "Das kann man mit Sicherheit so stehen lassen, dass man bei Naturkatastrophen sofort an Wiederaufbau denkt und an Bauwerte denkt und letzten Endes die Anleger da relativ schnell Fantasien entwickeln. In Sachen Terror muss man eigentlich die Sorge tragen, dass das vielleicht mit Konsumeinschränkungen an der einen oder anderen Stelle in Verbindung steht."

    Und wer die Menschen kennt, weiß: Nicht alle sind Zahlenmenschen, auch wenn sie das nach außen kehren müssen.