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Wenig Kritik, kaum Zweifel

Am Krieg in Afghanistan und der Beteiligung eigener Truppen haben die meisten Briten nichts auszusetzen. Der Schock vom Terroranschlag eines islamischen Selbstmordattentäters auf die Londoner U-Bahn im Juli 2005 sitzt noch tief. Am Hindukusch werde die britische Sicherheit verteidigt, glauben die meisten Briten - und vor allem Oppositionsführer David Cameron. Aus London berichtet unser Korrespondent Martin Zagatta.

    Schon 119 britische Soldaten haben in dem Land am Hindukusch ihr Leben gelassen seit Beginn der Kämpfe vor sieben Jahren. Der britische Befehlshaber hält den Krieg in Afghanistan für nicht zu gewinnen, so wird er in der "Sunday Times" zitiert, und dennoch ist ein Truppenrückzug in London kein Thema, zumindest nicht in Westminster.

    Der Oppositionsführer David Cameron, aller Voraussicht nach Großbritanniens nächster Premierminister, hat sich jetzt sogar dafür ausgesprochen, zur Not noch mehr Soldaten zu entsenden. "Afghanistan, Afghanistan, Afghanistan", antwortet Cameron auf die Frage nach den drei Prioritäten seiner Außenpolitik.

    "Wenn wir uns zurückziehen oder unterliegen, dann kommen wieder die Taliban an die Macht, dann gibt es wieder die Trainingslager für Terroristen, dann gibt es wieder mehr Terroristen auf unseren Straßen und es werden mehr Bomben hochgehen in unseren Städten."

    Argumente, die besonderes Gehör finden in Großbritannien, wo die Anschläge auf die Londoner U-Bahn vor drei Jahren noch gut in Erinnerung sind. Ob es stimmt, dass das Terrornetzwerk al-Quaida diese Massenmorde geplant hat, so wie Aiman al-Sawahiri das behauptet hat, der Stellvertreter von Osama Bin Laden, ist zwar bis heute unklar, aber Spuren der Attentäter führen nach Pakistan, wo zumindest der Anführer der Gruppe im Bombenbau ausgebildet worden sein soll.

    Seit 2007 sind in Großbritannien mehr als 70 islamistische Terroristen oder terrorbereite Extremisten verurteilt worden, von denen viele Verbindungen nach Afghanistan oder Pakistan hatten. Dass der Afghanistan-Einsatz dazu beiträgt, Terroranschläge auch in Europa zu verhindern, davon geht auch Mark Carleton-Smith aus.

    Dem britischen Brigadegeneral, der mit seiner Aussage, dass es nicht gelingen werde, den Krieg zu gewinnen und die Taliban völlig zu vertreiben, am Wochenende für Schlagzeilen gesorgt hat, geht es darum, so sagt er, die Erwartungen zurückzuschrauben.

    ""Unser Einsatz wird wohl noch solange andauern, wie die afghanische Regierung sich auf internationale Unterstützung angewiesen fühlt, zumindest solange, bis die afghanischen Sicherheitskräfte selbst in der Lage sind, ihr Land zu kontrollieren","

    so der General im Fernsehsender "Sky". Großbritannien hat im zurückliegenden Jahr Truppen aus dem Irak abgezogen und nach Afghanistan verlegt, wo mittlerweile knapp 8000 Briten stationiert sind, vor allem in der umkämpften Provinz Helmand im Süden des Landes. Ihr Einsatz ist keineswegs so umstritten wie der im Irak, weil der Kampf in Afghanistan vielen Briten als der "gerechtere" Krieg erscheint.

    Aus Umfragen geht hervor, dass eine knappe Mehrheit, auch nahe liegend, dafür ist, die Soldaten "nach Hause zu holen". Doch grundsätzliche Zweifel am Afghanistan-Einsatz hat die zunehmende Zahl britischer Opfer genauso wenig ausgelöst wie die Diskussion, ob der Krieg überhaupt zu gewinnen ist.

    Großbritannien und seine Verbündeten hätten gar keine andere Wahl als in Afghanistan zu bleiben, solange die Region eine Bedrohung für den Westen darstellt, kommentiert jetzt der "Telegraph". Und für die Vorbehalte anderer Staaten gibt es in London wenig Verständnis.

    ""Wir erwarten von allen unseren Verbündeten die Bereitschaft, die Lasten gerecht zu verteilen","

    so Premierminister Gordon Brown im Unterhaus auf Fragen, ob sich nicht auch Länder wie Deutschland in Afghanistan noch stärker beteiligen müssten. Und auf der Insel dürfte die Zustimmung zu dem Einsatz noch steigen. Die britische Armee - so verlautet - will den bei seinen Landsleuten so überaus beliebten Prinz Harry bald schon wieder in das Kriegsgebiet schicken.