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Über 300 Millionen Euro lässt sich Hamburg die Elbphilharmonie kosten, einen Kulturtempel von Weltrang, der allerdings später fertig wird, als geplant. Doch damit nicht genug: Hamburg muss auch sparen, und das bedeutet, dass in den übrigen Kulturstätten ein Streichkonzert stattfindet.

Von Verena Herb | 14.10.2010
    "Notwendig für eine attraktive Millionenmetropole ist auch eine lebendige und facettenreiche Kunst und Kulturszene."

    "Kultur ist kein Luxus für Schönwetterperioden, der in Zeiten knapper Kassen verzichtbar ist."

    "Sondern Bestandteil der notwendigen Grundausstattung einer Stadt, die sich international behaupten will."

    Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus vor der Verabschiedung des Sparpakets des schwarz-grünen Senats. Eine halbe Milliarde Euro muss die Stadt pro Jahr einsparen.

    Mittlerweile also sagt er:

    "Um Hamburg auch in Zukunft handlungsfähig zu halten, mussten wir teilweise auch sehr schmerzhafte Einschnitte beschließen."

    Betroffen sind das auf hamburgische Kulturgeschichte spezialisierte Altonaer Museum, die öffentlichen Bücherhallen und das Schauspielhaus, Deutschlands größte Sprechbühne. Ihr wird die Hälfte des künstlerischen Etats gestrichen, erklärt Florian Vogel, künstlerischer Leiter des Hauses:

    "Es trifft uns tatsächlich im Zentrum unserer Arbeit. Nämlich mit 1,22 Millionen Euro Kürzung ist das das Aus eigentlich unserer künstlerischen Arbeit."

    Torkild Hinrichsen, Leiter des Altonaer Museums sagt:

    "Die Lage ist durchaus ernst. Sie ist dramatisch."

    Und Schuld daran hat ihrer Meinung nach der Jurist Reinhard Stuth. 54 Jahre alt und seit sieben Wochen Kultursenator in der Hansestadt. Seine Markenzeichen: runde Hornbrille und Fliege. Sein Anspruch an sich selbst:

    "Ich will Anwalt für die Kultur sein."

    Seine "Mandantin", die Kultur, würde ihn lieber heute als morgen seines Amtes entheben. Denn er hat sie ohne Widerstand hingenommen, die Sparvorschläge seiner Senatskollegen.

    Und so demonstrierten vergangenes Wochenende Hamburgs Kulturschaffende auf der Thalia-Bühne Geschlossenheit gegen die Stuth'sche Politik. "Hey Stuth, don't make it bad" - singt vom Ballettchef bis zur Opernintendantin die gesamte Szene. Warum?

    "Ja, das frage ich mich, ehrlich gesagt, auch", "

    wundert sich Reinhard Stuth auch ob der Kritik an seiner Person.

    " "Ich finde das auch nicht berechtigt, nicht angemessen. Ich bin vielleicht das Gesicht, das geradestehen muss. Das ist auch richtig so. Aber es wird jetzt sehr auf meine Person verengt. Aber es war ein Beschluss von GAL und CDU gemeinsam."

    Und immerhin hat er doch eine gute Idee, wie das Schauspielhaus seine Kosten im Zaum halten könnte: Man kann die Gastregisseure einsparen. Diese Idee allerdings macht die verantwortlichen Theaterleute erst einmal sprachlos. Die Chefin der Kulturfabrik Kampnagel, Amelie Deuflhard findet dann Worte für das absolute Highlight der Stuth'schen Politik, wie sie sagt:

    "Das ist halt ein bisschen schwierig. Regisseure am deutschen Stadttheater sind niemals angestellt. Regisseure am deutschen Stadttheater oder in der Oper sind immer freiberufliche Künstler, die engagiert werden müssen. Und klar, wenn man dem Schauspielhaus die Regisseure wegnimmt, dann gibt's eben nie wieder neue Produktionen. Dann kann man`s eben auch einfach direkt zumachen."

    Und so muss sich der Kultursenator den Vorwurf gefallen lassen: Er hat keine Ahnung von seinem Metier. Bei den 3,5 Millionen Euro, die er durch die Schließung des Altonaer Museums einsparen will, habe er sich verrechnet. Er habe nämlich nicht bedacht, dass die Mitarbeiter unkündbar sind, Lagerkosten für die 640.000 Exponate gezahlt werden müssen und der Mietvertrag des Museumsgebäudes läuft auch noch ein paar Jahre. ¬ Und ob die Schließung rechtlich überhaupt möglich ist, sei ebenfalls fraglich. Aber ach, was soll's: Was nicht passt, wird passend gemacht - notfalls kommt eben der JURIST Stuth ins Spiel:

    "Vielleicht ist es notwendig, das Gesetz in diesem Punkt noch anzupassen."

    Das sei Kulturpolitik wie in einer "Feudalherrschaft" sagt Sabrina van der Ley, eine der beiden Leiterinnen der Galerie der Gegenwart. Dem kann Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard nur zustimmen:

    "Was hier passiert in der Stadt - und was so schockierend ist, finde ich, für alle Kulturschaffende - ich glaube das eint uns alle in Hamburg und überall in der Republik: Ist, dass ohne jede Kommunikation mit den betroffenen Institutionen und ich finde tatsächlich mit großer Inkompetenz Geld weggenommen wird."

    Ganz im Gegenteil, meint Kultursenator Stuth und weist darauf hin, dass in Hamburg doch bald eine Kulturtaxe erhoben werden soll. Eine Abgabe von fünf Prozent auf Hotelübernachtungen, das macht - laut den Berechnungen der Politiker, 7,5 Millionen Euro, die dann pro Jahr zusätzlich für Festivals, Theaterproduktionen und Ausstellungen ausgegeben werden können.

    "Ich habe im Augenblick keine Zweifel, dass die Kulturtaxe kommt, der politische Wille ist da."

    Doch der Wille der Hotellerie, der fehlt halt noch.

    "Wir haben das rechtlich vorher geprüft gehabt. Es wird voraussichtlich eine Steuer und keine Abgabe werden. Aber das ist jetzt schon ein bisschen Technik."

    Und die Bürger? Wo ist das hanseatische Bildungsbürgertum, das sich einsetzt für seine Kultur?

    "Die Bürger dieser Freien und Hansestadt Hamburg die müssen sich jetzt mal wehren. Ihr müsst mal das Schauspielhaus vollknüppeln, und dann muss dann ein bisschen unhanseatisch Rabatz gemacht werden. Herr Ahlhaus, so nicht", "

    appelliert Jürgen Flimm, ehemaliger Intendant des Thalia-Theaters und heute Chef der Berliner Staatsoper an die Hamburger Bürger: Die Kulturschaffenden jedenfalls haben sich das schon zu Herzen genommen: Weitere Protestaktionen im und um das Schauspielhaus sind geplant, für den Erhalt des Altonaer Museums hat sich eine Bürgerinitiative gegründet und die Verantwortlichen der Bücherhallen verteilen Flyer an die Passanten. Der Druck im Kessel steigt, die Solidarität wächst. Allein die GAL, der kleine Koalitionspartner, der den Sparbeschlüssen auch zugestimmt hat, schweigt und duckt sich hinter dem Kultursenator, so Flimm:

    " "Man sieht eine grüne Partei, die ja von vielen von ihnen gewählt wird, in diesen Ballungsgebieten sind die ja mittlerweile die Stars, und die machen das stillschweigend mit."

    Ganz so einfach ist das nicht, antwortet GAL-Fraktionsvorsitzende Antje Möller. Es wäre ein Irrtum zu glauben, als grüne Fraktion oder als Landespartei sei man in der Lage die Fehler einzelner Senatsmitglieder auszubügeln.