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Wenig überraschend und teils hochnotpeinlich

Der FAUST wird in Deutschland seit 2006 vergeben. Er krönt Leistungen wie Regie und Schauspiel bis hin zu Bühne und Kostüm. In der letzteren Kategorie wartete die einzige Überraschung, meint Michael Laages - und zeigt sich von der Moderation des Abends wenig angetan.

Von Michael Laages | 11.11.2012
    Denn schon der Ort war ja durchaus ein bisschen pikant - diesen Preis nämlich vergeben die Verleiher, allen voran Bundeskulturstiftung, Deutscher Bühnenverein und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste, dezidiert und demonstrativ in allen drei Sparten des deutschen Stadt- und Staatstheatersystems, also für Musiktheater, Schauspiel und Tanz; am Theater Erfurt aber sind zwei dieser Bühnenkünste, Schauspiel und Tanz nämlich, gar nicht auf Dauer und nur als Gast zu Hause. Aber wer denkt schon an so was, wenn's was zu ehren gibt?

    Aus einer Vorauswahl wählen die Mitglieder der Akademie für Darstellende Künste mal mehr, mal weniger vorhersehbar die Preisträger, und immerhin die Verkündigung der schließlich Geehrten hält den Oscar-Vergleich aus – denn erst die Laudatoren auf der Bühne öffnen den Umschlag. Stuttgarts Opernintendant Jossi Wieler und sein Regie-Partner Sergio Morabito waren da ebenso "gesetzte" Preisträger gegenüber aufstrebenden Zähl-Kandidaten wie Martin Schläpfer, Chef-Choreograf an der Deutschen Oper am Rhein, der den Preis zum wiederholten Male erhielt; Martin Kusej, Intendant am Münchner Residenztheater, erhielt den Vorzug immerhin gegenüber dem Kandidaten Sebastian Nübling vom Theater gegenüber, den Münchner Kammerspielen.

    Ana Durlovski wurde als Sängerin, William Moore als Tänzer geehrt, beide arbeiten an Wielers Stuttgarter Bühne; Barbara Bürk als Regisseurin am Kinder- und Jugendtheater. Tankred Dorst und Ursula Ehler erhielten den Preis für ein überreiches Lebenswerk, Matthias Lilienthal, ehedem Leiter am HAU in Berlin, den Preis des Bühnenvereinspräsidenten Klaus Zehelein persönlich, der in sehr kluger Rede auch die immerwährende Konkurrenz zwischen Stadttheater und freien Produktionsstätten zum Thema machte. Derweil wetterte Schauspiel-Laudator Edgar Selge vehement gegen Spar-Wahn und Streich-Konzerte der Politik; etwa in Wuppertal, wo gerade eine Stadt ihr Theater vernichten will. Auch solche Kommentare zur Lage der Theater-Nation übrigens machen den FAUST-Preis wichtig.

    Wirklich überraschend waren eigentlich nur zwei Preise – der für die Ausstatterin Barbara Ehnes und den Video-Künstler Chris Kondek, die im Zusammenspiel ihre Künste tatsächlich neue Wege gehen in der Raumgestaltung für die Bühne, überraschend war auch der Preis für den Schauspieler Burghart Klaussner. Er setzte sich immerhin gegen Fabian Hinrichs und Jana Schulz durch, zwei Top-Stars der jüngeren Generation; Klaussner dagegen, Gastwirtssohn aus Berlin, ist ein durchaus älterer Hase und gehörte als Student schon zum Ensemble der frühen Jahre an der Berliner "Schaubühne", und er ist heute eigentlich öfter als auf Theaterbühnen auf Fernsehbildschirm und Kino-Leinwand zu sehen – etwa immer wieder in Michael Hanekes Filmen.

    Für "Das weiße Band" war Klaussner immerhin schon quasi oscar-nominiert ... den Preis jetzt erhielt er in Abwesenheit: denn in Leverkusen gastierte gestern gerade Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden"; die Inszenierung von Wilfried Minks (in der Klaussner preiswürdig den Willy Loman spielt) entstand am kleinen privaten St.-Pauli-Theater in Hamburg. Die Meldung vom FAUST übrigens kam auch für das Publikum in Leverkusen gerade noch rechtzeitig zum Verbeugen: eine schöne Pointe.

    Weniger schön geriet einmal mehr das Erfurter Rahmenprogramm – auch, weil die Preisverleiher immer noch nicht ablassen wollen von der Idee, über die völlig ausreichenden Laudatoren hinaus auch noch einen mitspielenden Moderator auf die Bühne zu schicken. Den braucht niemand, höchstens die Fernsehproduktion für "3sat", die sonst vielleicht zu "trocken" geriete. Aber dann doch lieber trocken als so blöd wie jetzt mit Dominique Horwitz – der sich von einem womöglich aus Vorsicht oder Scham ungenannten Texte-Drechsler Pointen schreiben ließ, die beinahe durchweg lau verpufften; wodurch die Horwitz eh schon eigene Rampen-Eitelkeit endgültig ins Desaster führte. Er sang auch noch, und zwar schlecht wie lange nicht ... und das vor der Verleihung des FAUST-Preis für Sängerinnen und Sänger: hochnotpeinlich.

    Glück mit Moderatoren hat das FAUST-Team in sieben Ausgaben eher selten gehabt – warum es also nicht mal ohne versuchen? Der Preis setzt doch starke Zeichen – für die künstlerische Neugier und Offenheit, also für den Reichtum im deutschen Theatersystem. Die Armseligkeit von Moderatoren dieses Kalibers schadet da nur.