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Wenig Zeit für viele Probleme

Auf dem NATO-Gipfel in Riga stehen die Operationen der Allianz im Mittelpunkt. Vor allem der Einsatz in Afghanistan gilt als entscheidend für die Handlungsfähigkeit des Bündnisses. Doch die ISAF-Mission kommt in vielen Bereichen nicht richtig voran: Probleme gibt es besonders beim Wiederaufbau und der Bekämpfung des Drogenanbaus.

Von Rolf Clement | 27.11.2006
    "Was ist die NATO? Was tut sie? Warum ist sie wichtig im 21. Jahrhundert?"

    Diese Fragen, so der NATO-Oberbefehlshaber für Operationen, General James Jones, soll der morgen beginnende Gipfel der NATO in Riga beantworten. Im Mittelpunkt der Beratungen in Riga werden die Operationen der Allianz stehen. Und dabei wiederum geht es vor allem um den Einsatz der NATO in Afghanistan. Diese Mission sehen viele als entscheidend für die Handlungsfähigkeit der NATO an. Bundeskanzlerin Angela Merkel:

    "Es ist richtig, dass Afghanistan der Lackmustest ist für die Handlungsfähigkeit der NATO. Aber es wird in Riga darum gehen, das Zusammenwirken ziviler und militärischer Elemente und die Zusammenarbeit zwischen der NATO, den Vereinten Nationen, der EU und auch mit den Nicht-Regierungsorganisationen zu verbessern. "

    Die ISAF-Mission in Afghanistan ist zur Zeit in schwerem Fahrwasser. In all den Bereichen, die die NATO sich vorgenommen hat, kommt man nicht recht voran. Drei Beispiele:

    Der Aufbau der afghanischen Streitkräfte ist ins Stocken geraten. Die Ausbildungshilfe, die NATO-Staaten der afghanischen Armee gewähren, läuft zwar gut, aber die Bezahlung der Soldaten ist nicht gesichert. So kommt es vor, dass Teile der Armee von den Warlords bezahlt werden, die eigentlich kalt gestellt werden sollten.

    Die Anti-Drogen-Politik der NATO, die die Briten umsetzen sollen, ist so gut wie gescheitert. Noch nie wurden so viel Drogen in Afghanistan produziert wie in diesem Jahr. Das reine Abbrennen der Mohnfelder ist wenig Erfolg versprechend, sie werden sofort neu bestellt. Alternativen zum Mohnanbau werden den Bauern nicht aufgezeigt, also machen sie weiter wie bisher, um ihre Familien ernähren zu können.

    Die Ausbildung der Polizei, die die Deutschen übernommen haben, läuft nicht schlecht. Rund 17.000 Polizisten sollen bereits fertig geschult sein. Aber die Ordnungshüter haben kaum eine Chance, sich im ganzen Land durchzusetzen.

    Hier stoßen große Meinungsverschiedenheiten aufeinander. Vor allem Frankreich ist der Wortführer derer, die ein eigenes Konzept verfolgen: Die Franzosen wollen die NATO auf ihre Rolle als militärisches Bündnis begrenzen. Die meisten anderen sehen in der Allianz auch ein politisches Bündnis. Eine Position, die auch Bundeskanzlerin Merkel vertritt:

    "Die NATO ist nicht nur ein militärisches Bündnis, sie ist ein Wertebündnis und damit auch ein politisches Bündnis. Und wir dürfen uns nicht Restriktionen der Diskussion auferlegen, die letztlich ganze Missionen infrage stellen könnten. "

    Frankreich hat sich mit dieser politischen Rolle nie anfreunden können. Konkret zeigt sich das in Afghanistan. Das von den Deutschen entwickelte Projekt der Regionalen Wiederaufbauteams verbindet zivile und militärische Elemente. Mittlerweile hat sich die NATO dieses Konzept offiziell zu eigen gemacht. Die Verteidigungsminister der Allianz haben das auf ihrer Herbsttagung im vergangenen September in Slowenien bestätigt. Aber dort wurde auch deutlich, dass dieses Konzept nicht von allen umgesetzt wird. Bundeskanzlerin Merkel will diese Tatsache in Riga ansprechen.

    "Dieser Ansatz muss weiterentwickelt werden und muss zu einem Standardansatz bei all unseren Aktivitäten werden. Sie können heute nicht mehr zwischen den einzelnen Ressorts unterscheiden. Und ich bin sehr froh, dass wir das am Beispiel Afghanistans auch praktizieren. "

    Eine weitere Diskussion im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz bestimmt zur Zeit die Medien, vor allem in Deutschland. Soll die Bundeswehr auch im hart umkämpften Süden eingesetzt werden? Dort agieren gegenwärtig vor allem die Streitkräfte Kanadas, aber auch die der USA und Großbritanniens. Offiziell hat niemand in Deutschland angefragt, auch inoffizielle Sondierungen fanden nicht statt. Es gibt aber ein Problem bei den Einsätzen, das keineswegs neu ist:

    Manche Länder begrenzen die Einsätze aus nationalen Gründen. Was häufig an der jeweiligen Gesetzgebung liegt, die in vielen Ländern seit dem Ende der Blockkonfrontation nicht ausreichend auf die neuen Herausforderungen hin verändert worden ist. Für bestimmte Operationen stehen den Kommandeuren nicht alle entsandten Truppen zur Verfügung. Einige unterliegen regionalen Begrenzungen, andere wiederum Begrenzungen bei den Aufgaben, die sie wahrnehmen dürfen, manche beiden.

    Inzwischen ist eine Debatte entstanden, die eine möglichst breite Einsatzbereitschaft der Länder zur Messlatte für die Bündnistreue macht. Gerade der nicht offiziell, aber hinter vorgehaltener Hand geäußerte Wunsch einiger Kommandeure nach einer stärkeren Beteiligung Deutschlands an den Operationen im Süden Afghanistans wird mit diesem Argument begründet. Großbritanniens Premierminister Tony Blair formuliert es sehr diplomatisch.

    "Beim NATO-Gipfel kommende Woche geht es darum, dass nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern alle unsere NATO-Partner das ihnen mögliche tun, um die Lage in Afghanistan zu stabilisieren."

    Blicken wir auf den deutschen Einsatz in Afghanistan. Vor allem die Einrichtung der PRTs, der Regionalen Wiederaufbauteams ist vor diesem Hintergrund von Bedeutung. Erinnern wir uns:

    Als die Regionalen Wiederaufbauteams entwickelt wurden, wollte keine Nation sich hierbei engagieren. Vor allem aus den USA kam dann die Bitte an die Bundesregierung, die Bundeswehr möge hier aktiv werden. Damals gab es nach den ersten Erkundungen in der Region Kunduz große Bedenken, ob eine solche Konzeption tragfähig und erfolgversprechend sei. Die Bundeswehr machte sich dennoch an diese Aufgabe, die dann später regional ausgeweitet wurde.

    Deutschland entwickelte das Konzept weiter, entsandte neben Soldaten zivile- und Polizeikräfte, schickte Beamte des Außenministeriums, des Entwicklungshilfeministeriums, des Innen- und des Wirtschaftsministeriums in die Region. Mit der Zeit entstand eine vernünftige Zusammenarbeit der verschiedenen Experten.

    Andere Verbündete waren wenig interessiert an dieser Aufgabe. Das lag an der Konzeption: Dass man zivile und militärische Elemente so eng miteinander verband, hielten die meisten für nicht machbar. Zudem war es eine Ausweitung des Einsatzgebietes weit über Kabul hinaus. Die Sicherheitslage dort war unübersichtlich. Das Risiko konnte nicht richtig eingeschätzt werden.

    Damals übernahm die Bundesrepublik die Aufgabe, denn die USA drängten massiv. Die eher skeptische Haltung der damaligen rot-grünen Bundesregierung wich einer positiveren Einstellung, nachdem der damalige US-Außenminister Colin Powell in Berlin war. Die deutsche Regierung stellte sich der Herausforderung und machte ihre Arbeit gut, so gut, dass das PRT-Konzept mittlerweile von der NATO übernommen wurde.

    Es gelang seither, das Konzept erfolgreich umzusetzen: In der mittlerweile erweiterten Zone im Norden Afghanistans, wo die Deutschen die Verantwortung tragen, ist die Lage relativ entspannt - im Vergleich zu anderen Regionen. Doch auch im Norden wird es zusehends unruhiger: Vor allem mit den zurückkehrenden Flüchtlingen sickern auch Taliban-Kämpfer wieder in diese Gegend ein.

    Aber es gilt auch, dass in den anderen Regionen das PRT-Konzept nicht so konsequent und umfassend umgesetzt wird wie dort. Deutschland hat damals die Verantwortung übernommen und ist ein recht hohes Risiko eingegangen, auch, wenn nicht sogar vor allem wegen des Drucks, den die Verbündeten ausübten.

    Jetzt wird Deutschland erneut gedrängt, Soldaten in besonders unruhige Regionen zu entsenden. Diesem Druck will Bundeskanzlerin Merkel aber nicht nachgeben.

    "Die Bundeswehr erfüllt im Rahmen der Isaf-Mission im Norden des Landes eine wichtige und gefährliche Aufgabe. Wir wollen den Erfolg dieser Mission im Norden auf gar keinen Fall infrage stellen und deshalb sehe ich Niemanden, der ernsthaft die relative Stabilität, die wir im Norden erreicht haben aufs Spiel setzen möchte. Immerhin leben in diesem Gebiet ca. 40 Prozent der afghanischen Bevölkerung. Die Bundeswehr wird dort auch weiterhin im Rahmen ihres Mandats Verantwortung tragen. Ich sehe aber kein über dieses Mandat hinausgehendes militärisches Engagement. Auch das will ich hier ganz deutlich sagen. "

    Deutschland ist zudem mit den im Norden stationierten Soldaten einer der größten Truppensteller in Afghanistan. Diesen Einsatz leistet die Bundeswehr auf Grund einer Vereinbarung in der NATO. Die Bundesregierung verweist zudem darauf, dass die NATO 26 Mitgliedsstaaten hat. Einige davon haben ihre Truppen aus dem Irak zurückgezogen, weil es dort schwere Kämpfe gab. Darüber aber wird nicht annähernd so heftig diskutiert.

    "Das Thema Afghanistan heißt, dass wir als NATO erfolgreich sein wollen, als Weltgemeinschaft erfolgreich sein wollen und wir wissen in Deutschland, dass man dafür auch kämpfen muss, auch militärisch. Aber, meine Damen und Herren, man muss auch kämpfen um die Herzen der Menschen in Afghanistan. Beides gehört für mich zusammen und so werden wir diese Mission verstehen. "

    Afghanistan ist die Kernmission der NATO. Viele bezweifeln, dass man dort eine wirkliche Chance auf Erfolg hat. Angela Merkel reiht sich nicht in diese Phalanx der Skeptiker ein:

    "Wir brauchen mehr Zeit für die Entwicklung Afghanistans, als wir uns das gedacht haben und als wir es uns gewünscht hätten. Aber ich sage auch: wir wollen und wir müssen diese Mission in Afghanistan zum Erfolg führen mit unseren Verbündeten zusammen. Wir brauchen mehr Zeit, aber es gibt überhaupt keinen Grund an dieser Stelle zu verzagen. "

    Der wesentliche Konflikt in der NATO entzündet sich an ihrer Rolle: Soll sie, wie es Frankreich will, nur eine militärische Allianz sein, oder soll sie, wie es viele andere wollen, auch politisch handeln. Nochmals die Bundeskanzlerin:

    "Kein Land der Welt kann alleine der Gefahren Herr werden und deshalb ist deutsche Sicherheitspolitik immer auch partnerschaftliche Politik. Deutsche Sicherheitspolitik kann überhaupt nicht als nationale Politik gedacht werden. Und deshalb sage ich: die NATO ist und bleibt wichtigster Garant unserer Sicherheit. Die NATO bleibt auch im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik das Zentrum des sicherheitspolitischen Dialogs im atlantischen Raum. Und ich glaube wir Europäer, wenn ich das einmal so sagen darf, können viel Wertvolles einbringen in diesen atlantischen Dialog. "

    General Jones spricht wie die Bundesregierung von einer sehr komplexen Aufgabe der Sicherheitspolitik heute.

    "Ich meine, wir brauchen eine umfassende Stabilität. Das heißt: Probleme in einer geopolitischen Region können sehr leicht Instabilitäten in einer oder mehreren anderen Regionen hervorrufen, die dann große Teile der globalen politischen, wirtschaftlichen und der Sicherheitssysteme beeinträchtigen können. Das wird in dieser Welt immer deutlicher sichtbar."

    Der General nennt als Themen für die Sicherheitspolitik heute den Schutz wichtiger Infrastruktur, die Sicherheit der Energieversorgung, die Freiheit der Handelswege, den Kampf gegen Drogen und die damit verbundene Kriminalität, die unkontrollierte Migration, die Proliferation und das Risiko, dass auch nicht-staatliche Akteure in den Besitz von Massenvernichtungswaffen geraten können.

    "Die Antworten auf solche Bedrohungen und Risiken sind nicht einfache militärische Antworten. Es so zu sehen, ist zwar eine Versuchung, der man leicht erliegen kann. Das kann man leicht verstehen, weil es in der Natur der Geschichte liegt. Es war aber nach meiner Überzeugung mit dem Ende des Kalten Krieges vorbei."

    Daraus ergeben sich Forderungen für die Strategie der NATO:

    "Dieses neue Umfeld verlangt von der Allianz, mehr vorsorgend als reagierend zu handeln. Die intellektuelle Debatte hat die Frage noch nicht beantwortet, in welche Richtung die Allianz geht. Ich glaube, sie bewegt sich in die richtige Richtung. Aber es bedarf noch deutlicherer Definitionen und einer Überarbeitung unserer aktuellen Dokumente."

    Das führt zu den Themen, die eigentlich für den Riga-Gipfel geplant waren, über die sich die Allianz aber nicht verständigen konnte. Manche dachten bei der Vorbereitung der Konferenz darüber nach, ob die NATO nicht ein neues Strategisches Konzept benötigte, in dem all das aufgeführt wird, was Jones beschrieben hat. Das letzte Strategiepapier stammt aus dem Jahr 1999. Es wurde damals beim 50. Jahrestag der NATO-Gründung in Washington beschlossen. Seither hat sich die sicherheitspolitische Landschaft erheblich verändert, auch die Einsatzoptionen der NATO sind heute andere.

    Aber diese Überlegung wurde sehr schnell wieder ad acta gelegt. Es wurde deutlich, dass man sich im Bündnis kaum auf ein solches neues Konzept würde verständigen können. Es wäre für alle Beobachter klar erkennbar geworden, dass die NATO gegenwärtig kein gemeinsames Verständnis von den Aufgaben erreichen kann, die über die Beistandspflicht hinausgehen.

    Dann gab es die Idee, dass dieser Gipfel eine neue Erweiterungs-Runde einläuten könnte. Nachdem in den letzen zehn Jahren zunächst Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, später Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen aufgenommen worden waren, stehen nun Mazedonien, Kroatien und Albanien, aber auch die Ukraine - (hier ist die Beitrittsfrage mittlerweile innenpolitisch von der Tagesordnung abgesetzt) - und Georgien sowie Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina auf der Liste der Beitrittswilligen.

    Allerdings stellte sich relativ schnell heraus, dass die NATO-Mitgliedstaaten die Erweiterung nicht schon wieder vorantreiben wollten. Denn bislang hat die Allianz die Aufnahme der neuen Mitglieder noch nicht verkraftet. Zudem haben die Neumitglieder ihre Reformbemühungen alsbald reduziert oder eingestellt. Schon wieder eine neue Beitrittsrunde hätte die NATO überfordert. Denn es gilt immer noch: Neue Mitglieder sollen einen Beitrag zur Sicherheit und der Aufgabenerfüllung der Allianz leisten. Zwar sind einige an den Missionen beteiligt, aber insgesamt fällt das kaum ins Gewicht.

    Dennoch will die NATO ein Signal zum Stabilitätstransfer geben - und zwar durch die Betonung des Grundsatzes, dass die Tür der Allianz auch für neue Mitglieder offen bleibt. Diese Erklärung ist aber keine Sensation, sondern steht in Artikel 10 des NATO-Vertrages.

    Ob den Staaten, die jetzt auf die NATO zugehen, das Angebot gemacht wird, sie in das Programm Partnerschaft für den Frieden aufzunehmen, war bis zur vergangenen Woche noch heiß umstritten. Klar war nur, dass Serbien für solch einen Schritt nicht infrage käme.

    Bei einem anderen Projekt brachen prinzipielle Meinungsunterschiede auf: Die NATO-Führung will die Kooperation mit Ländern wie Japan, Neuseeland, Australien und Südkorea auf institutionelle Beine stellen. Vor allem Frankreich hat dagegen Bedenken erhoben. Es plädiert dafür, die NATO nicht über den euro-atlantischen Raum hinaus auszudehnen, auch nicht einer kooperativen Form. Dafür haben die Partner allerdings kein Verständnis. Sie weisen darauf hin, dass die Zusammenarbeit gerade mit den vier Staaten bereits sehr eng ist, dass bis auf Südkorea alle an Missionen der NATO beteiligt sind, dass es also nur darum gehe, das, was ohnehin schon getan werde, etwas zu formalisieren. Auch hier muss man die Kommunique-Verhandlungen abwarten, die wohl erst in Riga von den politischen Direktoren der Außenministerien abgeschlossen werden können.

    Ein dritter Höhepunkt des Gipfels in Riga sollte die Erklärung der Einsatzbereitschaft der NATO-Response-Force sein. Die NRF soll die Allianz in die Lage versetzen, in Krisenlagen binnen kürzester Zeit, im Ernstfall innerhalb von fünf Tagen, eingreifen zu können. In einem Rotationsverfahren stellen die NATO-Partner dazu Truppen aus allen wesentlichen Kategorien bereit. Das Spektrum reicht von der Evakuierung einzelner Bürger bis zum Kriegseinsatz. Mit diesem Instrument will die NATO ihre weltweite Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Deshalb sollen diese Verbände schnell verlegbar sein und über eine hohe Kampfkraft verfügen. Die Truppen, die ein Land dafür bereitstellt, müssen sich einem eigens dafür entworfenen Lizensierungsverfahren unterwerfen. Damit soll ihre Einsatzfähigkeit sichergestellt werden. Da ein Teil dieser Eingreiftruppe einsatzbereit ist, hat sie bei den Olympischen Spiele in Athen und bei der Fußballweltmeisterschaft bereits agiert. Zur NRF gehörende Verbände haben damals zum Beispiel in Athen die Luftüberwachung gewährleistet. Verbände waren so stationiert, dass sie - im Fall einer Gefahr - sofort hätten eingreifen können.

    Im Sommer dieses Jahres hat die NATO auf den Kapverdischen Inseln ein großes Manöver abgehalten, das die vollständige Einsatzfähigkeit beweisen sollte. Es traten aber erhebliche Mängel in der Logistik auf. Voll verfügbar ist diese Truppe damit nicht, vor allem dann nicht, wenn Einsätze weit weg von den Heimatstandorten erforderlich würden. Damit ist eine volle Operationsfähigkeit objektiv nicht gegeben - jeder weiß das. Der Gipfel wird deswegen der Versuchung widerstehen, aus politischen Gründen diesen Beschluss zu fassen.

    So blieb für den Riga-Gipfel eigentlich kaum noch ein Thema, das der Konferenz wirklich positive Beschlüsse ermöglicht. Es blieben Themen, über die man vielleicht sprechen könnte, wenn Gipfeltreffen Gesprächsforen wären, die über das Verlesen vorbereiteter Stellungsnahmen hinausgingen. Der Gipfel war ursprünglich für zwei Tage geplant, nun beginnt er morgen mit einem Abendessen und endet am Mittwoch mit einer dreistündigen Arbeitssitzung. Damit hat jeder der Staats- und Regierungschefs aus immerhin 26 Staaten - bei völliger Ausschöpfung der Tagungszeit - eine Redezeit von rund sechs Minuten. Und dann hätte noch keiner auf seinen Vorredner reagiert, sondern nur seine Punkte aufgelistet. Allenfalls am Abend vorher, beim informellen Abendessen, könnte ein Gespräch aufkommen.