Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


Weniger Einkommen gleich mehr Lärm und Abgase

Das Umweltbundesamt hat herausgefunden, dass Menschen mit geringem Einkommen mit erheblich höherer Lärm- und Abgasbelastung klar kommen müssen als solche mit hohem Einkommen.

Von Daniela Siebert | 29.06.2011
    Berlin-Mitte. Beusselstraße. Eine viel befahrene Durchgangsstraße. Gewerbegebiet um die Ecke. Autobahnzubringer. Angrenzende Bahntrasse. Und der Flughafen Tegel ist auch nicht weit. Umweltbelastung? Aber hallo, sagen die Anwohner:

    "Autos, Menschen, Dreck auf dem Boden."

    "Es ist schon recht laut zu den Stoßzeiten. Ob LKW, Autos etc."

    "Abends ist ganz schwer hier."
    "Inwiefern?"
    "Mit den ganzen Autos, mit die LKW und das und jenes. Jugendliche fahren hier, rasen wie - ist echt ganz gefährlich geworden zur Zeit. Trotzdem steht da 30er-Zone, das ist aber keine 30er-Zone, kannste dir abschminken."

    Solche Fakten aus wissenschaftlicher Sicht: Das bündelt das heute erscheinende Themen-Heft "Umwelt und Mensch - Informationsdienst". Christiane Bunge vom Umweltbundesamt ist die Redakteurin der 134 Seiten starken Publikation und fasst die Situation in Sachen Umweltgerechtigkeit so zusammen:

    "Wir können feststellen durch unterschiedliche Studien, die in Deutschland in den letzten Jahren durchgeführt wurden, dass es vor allen Dingen in städtischen Regionen, dass dort die Umweltprobleme, aber auch die Umweltressourcen wie zum Beispiel Grünflächen, unterschiedlich nach sozialem Status verteilt sind. In Gebieten, wo vor allem sozial schlechter gestellte Menschen leben, sind vielfach die Belastungen durch Feinstaub, Lärm durch Verkehr besonders hoch."

    Die Forscher belegen dies mit Bespielen aus mehreren deutschen Ballungsräumen, Großstädten und der Schweiz. Dabei sind es immer die gleichen Umweltfaktoren, die die sozial Schwächeren belasten.

    "Die meisten sind verkehrsbedingt, vor allem durch den Autoverkehr, das wäre zum Beispiel der Feinstaub, aber auch Stickstoffdioxid ist ein Umweltschadstoff, der in der Außenluft vorkommt, der auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Lärm, zeigen auch Studien, dass Lärm ein Gesundheitsrisiko sein kann. Also Lärm und Luftschadstoffe sind schon die herausragenden Umweltbelastungsfaktoren in Städten."

    Fluglärm und Flugzeugabgase spielten bei den nun veröffentlichten Daten keine Rolle räumt Christiane Bunge ein. Sie hofft, dass sich vor allem Politiker und Stadtplaner die gebündelten Fakten zu Herzen nehmen. Denn es sei möglich, Abhilfe zu schaffen. Mehr öffentlicher Nahverkehr, mehr Fahrradwege sind da nur zwei von vielen Punkten. Für Reiner Wild, den Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, ist Umweltgerechtigkeit ein Problem mit dem er täglich zu tun hat. Er bilanziert die Situation so:

    "Es ist mit ziemlicher Sicherheit so, dass die stärksten Umweltbelastungen von Haushalten erfahren werden müssen, die niedrige Einkommen haben, niedrigen Ausbildungsstandard und grundsätzlich Schwierigkeiten haben, in der Gesellschaft ihren gleichberechtigten Platz zu finden. Das ist in Berlin nicht anders als in anderen Städten. Ich gehe davon aus, dass wir eine besondere Belastung an lärmenden Straßen haben, aber auch am Rande von Gewerbegebieten trifft dies zu."

    Die Faktensammlung des Umweltbundesamtes ist für Wild eine willkommene Argumentationshilfe. Denn die Entscheider der Republik für die ungerechte Aufteilung der Umweltlasten zu sensibilisieren, daran arbeitet der Mieterverein schon lange.

    "Wir brauchen als Schutz für Haushalte mit geringem Einkommen in besonders belasteten Wohngegenden vor allen Dingen eine Reduzierung des Autoverkehrs und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen auch beim Schienenverkehr. Beim Luftverkehr ist es erforderlich, dass die An- und Abflugrouten so gestaltet werden, dass möglichst wenig Bewohner belastet werden, im Vordergrund aber stehen ganz klar Maßnahmen zur Beschränkung des Autoverkehrs in der Innenstadt."

    Die Anwohner in der Berliner Beusselstraße haben ebenfalls ganz konkrete Ideen, was zu tun und zu lassen ist:

    "Öfter mal die Bullen hier. Dass die öfter mal blitzen oder was weiß ich hier."

    "Ich werd meine Kinder bestimmt hier nicht aufziehen."