Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Weniger harmlos als behauptet

Psychologie. - Seit es Computerspiele in täuschend echt simulierten Ausführungen gibt, reißt die Diskussion nicht ab, ob speziell die Kriegs- und Schießspiele nicht die Aggression steigern. Auf einer internationalen Tagung an der Fachhochschule München wurde dieses These von vielen Beteiligten bejaht.

Von Hellmuth Nordwig | 21.11.2008
    "Ja, es gibt eine Wirkung von Mediengewaltkonsum auf aggressive Gedankeninhalte, dass die aktiviert werden kurzfristig, man aber auch langfristig in diese Richtung denkt","

    sagt Ingrid Möller von der Arbeitsgruppe Sozialpsychologie der Universität Potsdam,

    ""es gibt eine Wirkung auf aggressive Gefühle und auch auf das Verhalten. Und wir sind bisher nicht fündig geworden bei der Suche nach einer Personengruppe, die immun wäre gegen diese Effekte."

    Mit zwei ganz verschiedenen Ansätzen kommen Forscher zu diesem selben Ergebnis. Die eine Methode besteht aus Verhaltensbeobachtungen und Befragungen von Schülern über ihre Gefühle und Einstellungen. Gleich vier neue Studien gibt es hier, die Kinder und Jugendliche begleiten, und zwar über einen längeren Zeitraum. Das ist wichtig, denn die Hypothese ist ja: Gefährdet ist vor allem, wer dauerhaft und häufig Medien mit gewalttätigen Inhalten konsumiert. Das bestätigt nicht nur Ingrid Möller, sondern auch der Münchner Schulpsychologe Werner Hopf. Er wollte wissen, welche Medien einen besonders negativen Einfluss haben. Hopf:

    "Im Vergleich von Computergewaltspielen, Horrorgewaltfilmen – die ab dem sechsten Lebensjahr konsumiert werden – und Fernsehgewalt wirken Computergewaltspiele am stärksten auf Delinquenz, also Körperverletzung oder Automatenaufbrüche und so weiter, zwei Jahre später, vom zwölften auf das 14. Lebensjahr gemessen."

    Warum der Konsum gewalttätiger Medien dazu beiträgt, dass jemand Konflikte eher aggressiv austrägt, dazu hat eine zweite Methode Ergebnisse geliefert. Forscher haben untersucht, was im Gehirn passiert, wenn jemand sich in ein Spiel wie "Tactical Ops" vertieft. Es gehört zu den so genannten Ego-Shootern, bei denen der Spieler selbst mit einer Schusswaffe seine virtuellen Gegner erlegt. René Weber und seine Kollegen haben es Versuchspersonen im Kernspintomographen spielen lassen. Dort lässt sich sichtbar machen, welche Hirnareale aktiv sind. In dem Experiment war es der sogenannte cinguläre anteriore Cortex. Dieser Teil des Frontallappens wird auch bei Aggressionen im wirklichen Leben mobilisiert und unterdrückt das Mitgefühl für den Gegner. Genau das hat auch Werner Hopf bei seinen Schülerbefragungen beobachtet.

    "Die emotionale Komponente sehe ich in Richtung Aggression. Was in unserer Studie deutlich herauskam: Hass, Überlegenheit, Stärkegefühle statt Empathie. Also es wird durch Gewaltinhalte in den Medien eine Abstumpfung und ein Verlust von Empathie bewirkt."

    Die Psychologen sehen hier eine These widerlegt, welche die Spieleindustrie immer wieder aufwirft: dass Gewaltmedien nämlich nur bei denjenigen die Aggressionen verstärkten, die von vornherein aggressiv veranlagt seien. Auch Douglas Gentile von der Iowa State University widerspricht dem und sagt: Die Spiele wirken bei allen Jugendlichen, der Ball lässt sich sozusagen in jedem Kopf ins Rollen bringen.

    "Die interessante Frage ist dann, was die Richtung dieses Balls bestimmt und was ihm erst seine Wucht verleiht. Was leitet ihn also fehl und was macht ihn so schlagkräftig? Das finde ich wichtiger als die Frage, wodurch er in Bewegung gerät."

    Die Mitgliedschaft in einer aggressiven Clique oder häusliche Gewalt – solche Faktoren müssen dazu kommen. Computer-Gewaltspiele allein machen aus einem Jugendlichen noch keinen Schläger. Aber sie tragen ihren Teil dazu bei.