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Weniger Normen bei Verpackungen

Das Bestreben der EU, gleiche Standards innerhalb der EU schaffen zu wollen, endet mitunter in einer regelrechten Regulierungswut. Heute stellt der EU-Industrie-Kommissar Günter Verheugen rund 60 Richtlinien vor, die die Kommission zurückziehen soll, bevor sie überhaupt in Kraft treten. So etwa die Richtlinie für Kaffee-Verpackungen. Ruth Reichstein hat bei einem Produzenten in Belgien nachgefragt, was die Streichung der Verordnung in der Praxis bedeutet.

27.09.2005
    "Das ist unsere Kaffee-Verpackungsmaschine. Das ist eine Triplex-Anlage. Man fängt damit an, den Film mit verschiedenen Farben zu bedrucken und in der Mitte der Maschine kommen die verschiedenen Filme zusammen und dann hat man die Verpackung. Von Anfang bis Ende der Maschine sind das ungefähr 200 Meter Material, was drin sitzt."

    Gert Liebens erklärt gerne, wie in der Amcor-Fabrik im belgischen Halen Kaffee-Verpackungen hergestellt werden. In Halen werden Verpackungen für alles mögliche produziert. Die Kunden wollen nicht mit Namen genannt werden, aber so ziemlich alle bekannten Schokoriegel, Gummibären oder eben Kaffeesorten bekommen hier ihre Hülle. Allein für Kaffee produziert das Unternehmen jährlich 500 Millionen Einzelstücke.

    Bisher müssen sie bei der Produktion auf recht wenige Regeln achten, sagt Gert Liebens, der für die Kaffeeverpackungen zuständig ist:

    "Es gibt bestimmte Regeln, auf die man achten muss, dass Materialien, die direkt mit Nahrung in Berührung kommen, auf einer Positiv-Liste stehen, also genehmigt sind. Unsere Lieferanten müssen uns das nachweisen. Das sind weltweite Regeln, dass sind europäische Regeln, amerikanische Regeln und jedes Land kann auch noch seine eigenen Regeln haben. Da muss man sich gut auskennen."

    Dafür gibt es bei Amcor Spezialisten, sagt der Chef der belgischen Fabrik, Ernest Michott:

    "Wir haben Regeln, die wir respektieren müssen. Aber diese Regeln kennen unsere Kunden perfekt. Wir brauchen zum Beispiel Atteste für all unsere Rohmaterialien, die wir benutzen. Natürlich gibt es bei uns eine Abteilung, die sich mit der Gesetzgebung beschäftigt. Und auch hier in der Fabrik haben wir dafür eine Person."
    Die Verpackungen sind mit vielen Details ausgestattet, die laufend verbessert werden. Besonders wichtig ist, dass der Kaffee frisch bleibt, seinen Duft nicht verliert und dass sich das Paket möglichst leicht öffnen lässt. Aus den Rohmaterialien werden so bunt bedruckte Alu-Folien, die auf Rollen an die Kunden geliefert werden. Erst dort wird dann der Kaffee verpackt. Für Gert Liebens ist es wichtig, gewisse Freiheiten in der Verpackungsgestaltung zu haben:

    "Wenn man zum Beispiel 250 Gramm Kaffee nimmt, einen normalen Dessert-Kaffe und einen Mokka, dann hat man eine verschiedene Mahlungsgröße und das gleiche Gewicht hat ein anderes Volumen. Also, wenn man sagen will, ich will für 250 Gramm nur eine so hohe Verpackung, die nicht breiter sein darf als so viel und nicht tiefer als so viel, dann kann man den Kaffee da gar nicht reinbekommen. Man braucht also schon verschiedene Packungsgrößen."

    Das ist auch der Ansatz des europäischen Wettbewerbskommissars Günter Verheugen. Heute will er 60 Richtlinien vorstellen, die die Kommission zurückziehen soll, bevor sie überhaupt in Kraft treten. Darunter, das hat Verheugen zumindest angekündigt, ist auch eine Richtlinie, die die Kaffeeverpackungen normen sollte. Aber Günter Verheugen will der Wirtschaft keine zusätzliche Last aufbürden:

    "Wir haben viele, viele Beispiele in der europäischen Gesetzgebung, vor allem aber auch in der nationalen Umsetzung europäischer Richtlinien, wo dann eine wirklich ausufernde Detailbesessenheit sichtbar wird und sicher bin ich der Meinung, dass das falsch ist. Wenn wir unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft überziehen mit einem solch feinmaschigen Netz von Vorschriften, dann teile ich die Auffassung, dass der Gesellschaft und der Wirtschaft die Luft zum Atmen fehlt, weil das Vorschriftennetz einfach zu dicht ist."

    So ähnlich wie bei Kaffee sei es auch bei Waschmitteln, heisst es aus der EU-Kommission. Schliesslich bräuchten flüssige Produkte eine ganz andere Verpackung als Taps oder Pulver. Deshalb solle es auch bei der Verpackung von Waschmittel in Zukunft keine starren Regelungen geben.

    Die EU-Kommission will zusätzlich bereits bestehende Richtlinien überprüfen und die europäische Gesetzgebung weiter vereinfachen. Für Günter Verheugen ist der Bürokratie-Abbau eines der wichtigsten Projekte der Barroso-Kommission. Und die Wirtschaft freut sich über die verringerte Last. Der Geschäftsführer der Umweltorganisation "Friends of Earth Europe", Martin Rochholl macht aber auf eine Gefahr aufmerksam:

    "Erstmal glaube ich, freut sich jeder, wenn man Bürokratie verhindert oder los wird, da wo sie unnötig ist. Aber man muss natürlich aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Wenn Bürokratie-Abbau bedeutet, dass man plötzlich keine Umweltschutzbestimmungen mehr hat oder keine Verbraucherschutzbestimmungen, dann wird es natürlich gefährlich und kann sich auch sehr schädlich auswirken."