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Weniger oder mehr Hunger?

Weltweit wachsen die Flächen, auf denen gentechnisch veränderte Saaten angebaut werden - auch Landwirte in manchen Entwicklungsländern setzen darauf. Für die Anbieter ist die Gentechnik auch ein Mittel gegen den Hunger in der Welt, entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland sind da allerdings skeptisch. Ob die Gentechnik für die Welternährung erforderlich ist, war Thema einer Tagung der Evangelischen Akademie Iserlohn.

Von Georg Ehring |
    Ob genveränderte Sorten auch unter den Bedingungen in armen Ländern die Erträge bringen, die die Anbieter versprechen, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Ira Matuschke von der Universität Hohenheim argumentiert aufgrund einer eigenen Fallstudie mit genveränderter Baumwolle:

    " Es gibt das Potenzial, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern. Diese landwirtschaftliche Produktivität kann zu höheren Einkommen führt und dann denke ich, ist das Potenzial da, zu erhöhten Lebensstandards beizutragen."

    Auch in Brasilien berichten viele Bauern zunächst von Ertragssteigerungen, nachdem sie auf genverändertes Soja umgestiegen sind. Doch dann kommen Probleme, sagt Antonio Andrioli, der die Folgen der Gentechnik in Brasilien wissenschaftlich untersucht.

    " Aber langfristig gesehen, treten die selben Auswirkungen auf, die schon in den USA und auch in Argentinien zu sehen sind, nämlich die Resistenzbildung von Unkräutern, dass man immer mehr Herbizid spritzen muss und dann sind die Betriebskosten auch höher. Man hat neue Krankheiten, die man vorher nicht hat, man hat neue Schädlinge. Ich kann das jetzt nicht beweisen, wie das zusammenhängt, da forscht man ja noch dran. Aber das kann man zunächst schon sehen und langfristig dann auch davon ausgehen, dass es sich nicht lohnen würde. Aber dann hat man keine herkömmlichen Sojasorten, um da wieder zurückzukommen."

    Entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland sehen die Erwartung, mit Hilfe der Gentechnik das Problem des Hungers in den Griff zu bekommen, überwiegend mit Skepsis. Denn die Gentechnik habe Nebenwirkungen: Traditionelle Produkte werden zugunsten von Monokulturen für den Export aufgegeben, Kleinbauern verlören ihre Existenz und die Fähigkeit ganzer Länder, sich selbst zu ernähren, gehe verloren, so ihre Argumentation. Zumal die genveränderten Saaten bei den Hungernden meist nicht ankommen. Kiflemariam Gebrewold aus Äthiopien, der als freier Gutachter für Entwicklungshilfe arbeitet, verweist auf die Kosten.

    " Ich kann mir nicht vorstellen, dass Firmen, die sechs oder zwölf Jahre geforscht haben und darauf viel Geld verwendet haben, nun anfangen, diese genveränderten Pflanzen preiswert oder umsonst abzugeben. Zumal wissen wir ja, dass Hunger nicht primär und nicht ausschließlich ein Problem der Technologie ist, sondern von Verteilung, von Kaufkraft, von politischen Zuständen in den jeweiligen Ländern."

    Zu den politischen Verhältnissen gehört gerade in vielen Ländern Afrikas auch, dass manche Regierungen gar nicht wissen, was in punkto Gentechnik in ihrem Land passiert. Weltweit gültige Regeln für den Umgang mit genveränderten Organismen setzen Mindeststandards, weit genauere Abkommen seien nötig, argumentiert zum Beispiel Lim Li Lin vom Third World Network in Malaysia:

    " Das Wichtigste ist der Aufbau von Kompetenz in diesen Ländern. Selbst wenn man internationale Abkommen und nationale Gesetze hat, dann bedeutet das nicht automatisch, dass man diese Dinge auch regulieren kann."

    Weitaus die meisten genveränderten Sorten sind in Ländern des Nordens entwickelt worden, vor allem in den USA. Für den Kampf gegen den Hunger und für bessere Ernährung seien aber andere Entwicklungen nötig, so Kiflemariam Gebrewold.

    " Wenn überhaupt genveränderte Pflanzen, dann auch die Nahrungsmittel, auf die lokalen Sorten, die in der dritten Welt normalerweise konsumiert werden, und dann aber auch auf Qualitätsmerkmale setzen: Wie kann ich Kassava beispielsweise verbessern, wie kann ich bestimmte lokale Gemüsesorten verbessern, so dass der Vitamingehalt oder der Eiweißgehalt gesteigert wird."

    Institute in Kenia und Indonesien seien dabei, solche Sorten mit Hilfe der Gentechnik zu entwickeln, allerdings seien die Ergebnisse noch nicht marktfähig. Alternativen zu einem solchen Umgang mit der Gentechnik gebe es aber nicht:

    " Diese Technologie kommt, sie ist sozusagen kaum aufhaltbar. Wir müssen sie steuern, wir müssen sie so verändern, dass sie den Bauern nutzt."