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Geronto-Psychologie
Weniger Psychotherapie wegen Vorurteilen zum Alter

Vorurteile zum Alter führen nach Ansicht einer Expertin zu einer schlechteren psychotherapeutischen Versorgung älterer Menschen. Diese Vorurteile gebe es auf beiden Seiten, betont die Professorin für Geronto-Psychologie Eva-Marie Kessler: auf Seiten der Älteren und auf der von Therapeuten.

    Eine Seniorin im Rollstuhl sitzt alleine im leeren Flur eines Altenheimes und schaut aus dem Fenster.
    Psychischer Leidensdruck kann auch im hohen Alter noch immens sein. (imago images / epd)
    Kessler sagte der Zeitschrift "Psychologie heute", Glaubenssätze wie "in meinem Alter ändert man sich nicht mehr" oder "ich muss allein mit meinen Problemen zurechtkommen" hielten manche Ältere davon ab, sich psychisch helfen zu lassen. Und auch die Behandler hielten ältere Menschen tendenziell für weniger therapiefähig. Das hätten Untersuchungen gezeigt.
    Diese Einstellung sei keine böse Absicht. Es würden vielmehr unbewusste und in unserer Kultur tief verankerte Altersstereotype aktiviert, erläuterte Kessler. Hinzu komme folgende Vorstellung: "Wenn jemand nicht mehr so mobil ist, das soziale Netzwerk immer kleiner wird und die Lebenszeit ausläuft - da müsse man ja depressiv werden".
    Dabei kann Kessler zufolge der psychische Leidensdruck selbst im hohen Alter noch immens und eine Psychotherapie durchaus hilfreich sein. In diesen Therapien müsse es aber auch darum gehen, der Einsamkeit entgegenzuwirken, das Alltagsleben zu normalisieren und praktische Probleme zu lösen. Also "hinausgehend über die klassische Rolle von Psychotherapeuten."
    Die Geronto-Psychologin ist seit dem vergangenen Jahr Mitglied der Altersberichtskommission der Bundesregierung.