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Weniger Schadstoffe vom Acker

Am kommenden Montag wird in Brüssel über die EU-Grundwasserrichtlinie entschieden. Es geht darum, unseren wichtigsten Trinkwasservorrat dauerhaft zu schützen. Dass das dringend nötig ist, darauf weist der Bund für Umwelt und Naturschutz heute mit verschiedenen Aktionen hin. Abgeordnete des EU-Parlaments bekommen zum Beispiel Päckchen mit 40 Gramm Nitratdünger geschickt. So viel nähme jeder Erwachsene innerhalb eines Monats auf, wenn der Grenzwert für Nitrat überall so stark überschritten würde, wie in einigen Regionen. Der BUND verlangt von den Landwirten, die Böden weniger mit Dünger und Pflanzenbehandlungsmitteln zu belasten.

Von Annette Eversberg | 09.06.2006
    Der BUND steht dem derzeitigen Entwurf einer neuen Grundwasserrichtlinie in Europa sehr kritisch gegenüber. Er befürchtet, dass die Grundidee eines vorsorgenden und flächendeckenden Gewässerschutzes regelrecht verwässert wird. Vor allem, wenn es um die Nitratbelastung im Grundwasser geht. Dabei sollte der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser eingehalten werden. Handlungsbedarf sieht der Umweltverband jedoch viel früher, betont Dr. Ina Walenda vom BUND-Landesverband Schleswig-Holstein.

    " Das würde bedeuten, bei 37,5 Milligramm Nitrat pro Liter müssten Maßnahmen eingeleitet werden, die weitere Nitrat-Belastungen verhindern."

    Derzeit ist jedoch nur eine Nachweispflicht geplant. Auch Dr. Klaus Henning, zuständig für Gewässer und Bodenschutz bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, ist mit diesem Punkt nicht zufrieden.

    " Hinsichtlich der Grundwasserrichtlinie ist kritisch zu bewerten, wenn in einem Grundwasserleiter mehr als 50 Milligramm Nitrat auftreten, dass dann ein so genanntes Aktionsprogramm in die Wege geleitet wird. Das ist nach unserer Meinung zu spät. Aktionsprogramme dauern lange. Wenn 50 Milligramm überschritten festgestellt werden, dann muss man entweder Vertragswasserschutz anwenden oder Wasserschutzgebiete festsetzen."

    Defizite im Entwurf der Grundwasserrichtlinie sieht die BUND-Vertreterin darüber hinaus beim Umgang mit Pestiziden. Atrazin wird zwar weniger, Diuron wird unverändert im Grundwasser nachgewiesen, Bentazon sogar in steigenden Konzentrationen. Deshalb fordert Ina Walenda auch hier strikte Grenzwerte. Aber nicht nur für die Pestizide selber.

    " Auch für die Abbauprodukte, denn oftmals ist es so, dass diese Abbauprodukte wesentlich toxischer sind, als das eigentliche Pflanzenschutzmittel, und weil sie auch wesentlich länger brauchen, bis sie dann abgebaut werden. Man muss sich auch feststellen, das Grundwasser ist ein sehr träges Medium. Sind dort Pflanzenschutzmittel erst einmal angekommen, kann es Jahrzehnte dauern, bis sie restlos abgebaut werden."

    Deshalb will man mit der neuen Richtlinie auch europaweit das Gefährdungspotential für Trinkwasser erfassen und im akuten Fall Vorsorgemaßnahmen treffen, die nicht nur den Schutz des Grundwassers für die Dauer von 20, sondern von 200 Jahre garantieren soll. Der BUND macht deshalb auf die Bedeutung des Grundwassers als Ökosystem aufmerksam. Die Organismen im Grundwasser sorgen für die Selbstreinigung des Wassers. Deshalb ist der flächendeckende Grundwasserschutz besonders wichtig. Von der Wasserrahmenrichtlinie ist dies bisher nicht in allen Punkten abgedeckt. Besonders im Hinblick auf die Untersuchungsmethoden. Klaus Henning.

    " Da besteht europaweit Uneinigkeit. Die Methoden in Frankreich und in Spanien, Grundwasserbelastungen zu erfassen, sind ganz anders ausgelegt als in Deutschland oder in Schleswig-Holstein. Auch die Beschreibung des guten ökologischen Zustands."

    Die Grundwasserrichtlinie verlangt demgegenüber nun einheitliche Untersuchungsmethoden in ganz Europa. Wie man allerdings das Ziel, sauberes Trinkwasser zu garantieren erreicht, ist unterschiedlich. In einigen Ländern versucht man die Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft auf freiwilliger Basis zu lösen. Durch eine entsprechende Beratung der Landwirte zu lösen. So auch in Schleswig-Holstein. Für Ina Walenda vom BUND wirft diese freiwillige Selbstkontrolle zur Umsetzung der Grundwasserrichtlinie jedoch Fragen auf.

    " Beratung ist sicher ein erster wichtiger Schritt, um Grundwasserbelastung zu reduzieren. Man muss aber sagen, man erreicht am ehesten die Landwirte, die ohnehin schon für Umweltschutzmaßnahmen am aufgeschlossensten sind. Diejenigen, die es am nötigsten haben, wird man vermutlich gar nicht erreichen. Ein dauerhafter und wesentlicher Schritt zur Reduzierung der Belastung wird das nicht sein."

    Der BUND wünscht sich daher, dass die Grundwasserrichtlinie, die am Montag in Brüssel verabschiedet wird, die Landwirte stärker in die Pflicht nimmt. Dass Trinkwasserschutz nicht nur auf Freiwilligkeit basieren kann, sieht auch Johann Karstens, Vorsitzender einer Gemeinschaft von Dithmarscher Landwirten, die den Grundwasserschutz aktiv praktizieren.

    " Alle mit in einem Boot zu kriegen, auf freiwilliger Basis, ist ein Ding, das geht ganz einfach nicht. Ich habe mich überzeugen lassen, wir müssen auch ein Stück Ordnungsrecht und einen leisen Zwang ausüben dürfen."