Christoph Heinemann: So etwas nennt man Eigentor. Vor fünf Jahren gab der Berliner Bildungssenator Klaus Böger, SPD, eine Studie in Auftrag. Untersucht werden sollten die Lernzuwächse in den Fächern Lesen und Mathematik bei Fünft- und Sechstklässlern an 69 Berliner Grundschulen und 31 Gymnasien der Hauptstadt. Der Berliner Bildungsforscher Rainer Lehmann von der Humboldt-Universität kam zu dem Ergebnis: Die sechsjährige Grundschule zeigt - verglichen mit der vierjährigen Grundschule und dem früheren Wechsel auf das Gymnasium - erhebliche Leistungsschwächen. Genauer: Am Ende der sechsten Klasse liegen die untersuchten Grundschülerinnen und -schüler bis zu anderthalb Schuljahre im Fach Lesen zurück, bei Mathematik und Englisch beträgt der Rückstand zwei Jahre, verglichen mit den Altersgenossen, die schon auf dem Gymnasium unterrichtet werden. Diese sogenannte Elementstudie ist von der Berliner Senatsverwaltung bis heute nicht veröffentlicht, und sie ist nicht nur für Berlin von Bedeutung, denn die sechsjährige - also, laut Studie leistungsschwächere - Grundschule ist Bestandteil des Hamburger Koalitionsvertrages zwischen CDU und Grün-Alternativen. Und eine rot-rot-grüne Regierung in Hessen hätte die Schülerinnen und Schüler gar für zehn Jahre gemeinsam lernen lassen. Am Telefon ist Jörg Tauss, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied des bildungs- und forschungspolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Morgen!
Jörg Tauss: Ja, schönen guten Morgen!
Heinemann: Herr Tauss, auf Ihrer Internetseite ist zu lesen, das deutsche Schulsystem selektiere zu früh, Kinder und Jugendliche müssten vielmehr länger gemeinsam lernen. Professor Rainer Lehmanns Erkenntnisse besagen genau das Gegenteil, die sechsjährige Grundschulzeit beschert den Schülerinnen und Schülern einen Rückstand. Werden Sie Ihre Internetseite jetzt korrigieren?
Tauss: Nein, die werde ich nicht korrigieren. Ich mag auch unveröffentlichte Gutachten nicht kommentieren, denn mir kann niemand erklären, warum ausgerechnet in Deutschland nicht funktionieren soll, was in allen anderen Staaten, den vergleichbaren PISA-Staaten, funktioniert, nämlich, dass weniger Selektion zu besseren Leistungen führt, und das im gesamten Schulsystem, auch bei denen, die oben sind, wie bei denen, die unten sind. Allerdings - auch das ist ein Problem des deutschen Schulsystems -, man kratzt ja oft an der Oberfläche, siehe G8 bei den Gymnasien. Wenn man natürlich sagt, wir verändern jetzt irgendwas an einer Jahreszahl, egal wie, ohne dass dies parallel dazu mit Schulreformen begleitet ist - und da haben wir das große Defizit, dann in der Tat kann man sagen, kann man es lassen wie bisher. Aber genau ist ja das Ziel nicht, sondern wir brauchen endlich eine Schule, die vorwärtskommt. Und nochmals: Bei Grundschulen zeigt sich, da haben die Schülerinnen und Schüler oft bessere Leistungen im internationalen Vergleich, und sobald wir anfangen zu trennen, nehmen sie ab. Das ist das Ergebnis von PISA, und andere Studien - mit Verlaub -, die dann noch nicht mal veröffentlicht sind, scheinen dieses Bild vielleicht von einer interessierten Seite beeinträchtigen zu können, aber mit der Realität hat es leider wenig zu tun.
Heinemann: Der Autor der Studie hat sich in der "Zeit" geäußert und noch mal zusammengefasst. Sein Fazit: Die Starken werden schwach oder sind schwach, und die Schwachen werden nicht stärker. Besser kann man Misserfolg nicht definieren.
Tauss: Ich halte diese Aussage schlicht für falsch, und zwar deshalb, weil wir wie gesagt nicht nur nach innen schauen müssen, sondern nach außen schauen müssen.
Heinemann: Das heißt, Sie wissen es besser als die Wissenschaft?
Tauss: Nein, aber die Wissenschaft besteht ja nun aus mehreren Facetten als aus einer einzelnen Stimme, die - wie gesagt - zudem sich etwas quengelnd im Abseits äußert. Wir haben doch in Deutschland festgestellt, dass unsere Schüler - die guten Schüler im internationalen Vergleich, die haben wir ja -, aber in der Spitze nun wirklich nicht so zureichend, wie wir es anders vorhaben. Und die schwachen Schülerinnen und Schüler, die wir in Deutschland haben, die sind richtig schwach im internationalen Vergleich, und nirgendwo ist der Abstand zwischen guten und schlechten so groß wie in Deutschland. Parallel dazu entscheidet nirgendwo stärker die soziale Herkunft über die Frage, ob ich oben oder unten angekommen bin. Das heißt also, es ist natürlich nicht nur eine Frage des gemeinsamen Lernens - das ist eine ganz wichtige Frage, aber es ist vor allem eine Frage, wie Schule organisiert wird, jenseits von 45-Minuten-Takten, in Zusammenarbeit beispielsweise auch mit Schulpsychologen und mit Schulsozialarbeitern, mit der Jugendhilfe und Ähnlichem für Kinder aus lernschwachen Familien. Wenn ich lediglich sage, ich ändere was an einem Schräubchen, nämlich an der Zeit des gemeinsamen Lernens, dann möglicherweise ist die deutsche Schule so wenig erfolgreich, wie sie es in der Vergangenheit war. Aber längeres, gemeinsames Lernen nochmals in einer gut organisierten Schule fördert unten und fördert oben, und das ist eine nicht wegzudiskutierende Tatsache.
Heinemann: Sie lassen sich Ihre Meinung von der Wissenschaft nicht kaputt recherchieren.
Tauss: Ich bin sehr beeindruckt von wissenschaftlichen Ergebnissen, aber ich sage nochmals: Diese Untersuchung, die wir vorliegen haben ... Im Übrigen gibt es ja auch genügend Schulen in Deutschland, die das Gegenteil beweisen. Dort, wo wir Modellschulen haben, wo die Möglichkeit besteht, dass länger gemeinsam gelernt wird und der Schulalltag vernünftig organisiert ist, sind die Ergebnisse wesentlich besser. Ich halte diese Studie für eine Studie von interessierter Seite. Wir haben ja viele, ich nenne mal den Philologenverband in Deutschland, der sich eine andere Schule gar nicht vorstellen kann, der eben unbelästigt sein will von Kindern aus niederen, sozialen Schichten, der an dieser Teilung interessiert ist. Aber gesamtgesellschaftlich können wir es uns einfach nicht mehr leisten, einen großen Teil von Kindern in Schulen abzudrängen, wo sie hinterher nicht mal mehr eine Lehrstelle bekommen, Kinder zu selektieren, danach, ob sie im elften oder im zehnten Lebensjahr schon geeignet sind, ihre gesamte Karriere vorauszuplanen. Das alles sind Dinge, die nicht in ein modernes Bildungssystem passen. Und wenn es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben sollte, die diesen Blödsinn auch noch wissenschaftlich unterstützen, kann ich nur sagen: Er ist international widerlegt.
Heinemann: Herr Tauss, das ist interessant, was Sie gerade gesagt haben - das sei eine Studie von interessierter Seite. Vorher haben Sie gesagt, Sie kennen die Studie noch gar nicht, das heißt, Sie nehmen nur das wahr, was Ihnen wirklich passt.
Tauss: Nein, das ist nicht richtig. Aber ich sage nochmals: Iich kann mich ja nur auf das beziehen, was Sie sagen, es ist eine öffentlich unveröffentlichte Studie, da habe ich mich jetzt direkt an Sie gehalten. Aber wie gesagt, ich bin gerne bereit, mit dem Herrn Lehmann und mit allen mich auseinanderzusetzen, aber alle Studien, die wir haben, gehen in eine völlig andere Richtung. Aber wenn es so sein sollte, wie Sie sagen, dass wir in Berlin hier schlechtere Ergebnisse haben, dann muss man sich anschauen, was geht hier möglicherweise im Berliner Bildungssystem noch daneben? Und hier haben wir natürlich auch in der Vergangenheit die Situationen gehabt, dass aufgrund der Sparsituation, die die Stadt aufgrund ihrer schwierigen, finanziellen Situation, die sie ja nun auch nicht von heute auf morgen bekommen hat, sondern geerbt hat - auch im Schulbereich gespart hat. Das erleben wir leider auch in reichen Ländern. Und wer an Schule spart, egal wie lange er Kinder gemeinsam unterrichtet, wird natürlich Ergebnisse haben, die nicht optimal sind. Aber mit dem längeren, gemeinsamen Lernen hat das wenig zu tun.
Heinemann: Herr Tauss - was ist Ihnen wichtiger, die Leistung oder der Gleichheitsgedanke?
Tauss: Eindeutig die Leistung. Ich sage nochmals: Wir brauchen ein Schulsystem, in dem diejenigen gefördert werden, die gut sind. Wir brauchen mehr Gute in internationalen Vergleichen. Wir dürfen diejenigen, die schwächer sind, nicht länger ausgrenzen, sie dann bis hin in Sonderschulen stecken. Und wenn ich mir ein Land wie Finnland betrachte, das sogar ohne Sonderschulen auskommt - in Wahrheit haben wir nicht ein dreigliedriges, sondern ein viergliedriges Schulsystem - und international wesentlich bessere Leistungen erbringt - und das gilt nicht nur für Finnland -, dann heißt dieses ganz eindeutig: Deutschland hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Wir müssen hier von den erfolgreichen Ländern lernen. Finnland übrigens hat zehn Jahre gemeinsames Lernen.
Heinemann: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb - bezogen auf Hamburg, auf die Einführung der sechsjährigen Grundschule jetzt: Bildungsverflachung sei der Preis für die Elbvertiefung und gab zu bedenken, Hamburger Eltern, die ihren Nachwuchs fördern wollten, könnten ihre Kinder ja künftig in Niedersachsen zur Schule schicken. Wird Bildungsqualität mehr und mehr zum Standortvorteil oder -nachteil?
Tauss: Oh, eindeutig hat die Qualität von Schule etwas mit Bildungs..., mit Vorteilen zu tun für einen Standort. Eine gute Schule auch vor Ort, übrigens bis hin zu guten Betreuungsangeboten für kleinere Kinder, gute Förderangebote werden in den nächsten Jahren ganz starke Faktoren sein. Aber die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die Sie hier zitieren, die gehört genau zu denen, die bildungspolitisch seit Jahren einen Rückschritt predigen und leider zu keinerlei Fortschritt beigetragen haben, sondern im Gegenteil jeden bildungspolitischen Fortschritt wegreden. Ich bin mir sicher, wenn die Hamburger das vernünftig machen, wird die "FAZ" vielleicht irgendwann auch mal zur Kenntnis nehmen, dass in Deutschland nicht mit dem Beharren auf dem Bildungssystem des vorvorletzten Jahrhunderts Zukunft zu erwirtschaften ist, sondern mit einem modernen Bildungssystem, in dem auch was passiert.
Heinemann: Jörg Tauss, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Tauss: Bitte schön, schönen Tag noch.
Jörg Tauss: Ja, schönen guten Morgen!
Heinemann: Herr Tauss, auf Ihrer Internetseite ist zu lesen, das deutsche Schulsystem selektiere zu früh, Kinder und Jugendliche müssten vielmehr länger gemeinsam lernen. Professor Rainer Lehmanns Erkenntnisse besagen genau das Gegenteil, die sechsjährige Grundschulzeit beschert den Schülerinnen und Schülern einen Rückstand. Werden Sie Ihre Internetseite jetzt korrigieren?
Tauss: Nein, die werde ich nicht korrigieren. Ich mag auch unveröffentlichte Gutachten nicht kommentieren, denn mir kann niemand erklären, warum ausgerechnet in Deutschland nicht funktionieren soll, was in allen anderen Staaten, den vergleichbaren PISA-Staaten, funktioniert, nämlich, dass weniger Selektion zu besseren Leistungen führt, und das im gesamten Schulsystem, auch bei denen, die oben sind, wie bei denen, die unten sind. Allerdings - auch das ist ein Problem des deutschen Schulsystems -, man kratzt ja oft an der Oberfläche, siehe G8 bei den Gymnasien. Wenn man natürlich sagt, wir verändern jetzt irgendwas an einer Jahreszahl, egal wie, ohne dass dies parallel dazu mit Schulreformen begleitet ist - und da haben wir das große Defizit, dann in der Tat kann man sagen, kann man es lassen wie bisher. Aber genau ist ja das Ziel nicht, sondern wir brauchen endlich eine Schule, die vorwärtskommt. Und nochmals: Bei Grundschulen zeigt sich, da haben die Schülerinnen und Schüler oft bessere Leistungen im internationalen Vergleich, und sobald wir anfangen zu trennen, nehmen sie ab. Das ist das Ergebnis von PISA, und andere Studien - mit Verlaub -, die dann noch nicht mal veröffentlicht sind, scheinen dieses Bild vielleicht von einer interessierten Seite beeinträchtigen zu können, aber mit der Realität hat es leider wenig zu tun.
Heinemann: Der Autor der Studie hat sich in der "Zeit" geäußert und noch mal zusammengefasst. Sein Fazit: Die Starken werden schwach oder sind schwach, und die Schwachen werden nicht stärker. Besser kann man Misserfolg nicht definieren.
Tauss: Ich halte diese Aussage schlicht für falsch, und zwar deshalb, weil wir wie gesagt nicht nur nach innen schauen müssen, sondern nach außen schauen müssen.
Heinemann: Das heißt, Sie wissen es besser als die Wissenschaft?
Tauss: Nein, aber die Wissenschaft besteht ja nun aus mehreren Facetten als aus einer einzelnen Stimme, die - wie gesagt - zudem sich etwas quengelnd im Abseits äußert. Wir haben doch in Deutschland festgestellt, dass unsere Schüler - die guten Schüler im internationalen Vergleich, die haben wir ja -, aber in der Spitze nun wirklich nicht so zureichend, wie wir es anders vorhaben. Und die schwachen Schülerinnen und Schüler, die wir in Deutschland haben, die sind richtig schwach im internationalen Vergleich, und nirgendwo ist der Abstand zwischen guten und schlechten so groß wie in Deutschland. Parallel dazu entscheidet nirgendwo stärker die soziale Herkunft über die Frage, ob ich oben oder unten angekommen bin. Das heißt also, es ist natürlich nicht nur eine Frage des gemeinsamen Lernens - das ist eine ganz wichtige Frage, aber es ist vor allem eine Frage, wie Schule organisiert wird, jenseits von 45-Minuten-Takten, in Zusammenarbeit beispielsweise auch mit Schulpsychologen und mit Schulsozialarbeitern, mit der Jugendhilfe und Ähnlichem für Kinder aus lernschwachen Familien. Wenn ich lediglich sage, ich ändere was an einem Schräubchen, nämlich an der Zeit des gemeinsamen Lernens, dann möglicherweise ist die deutsche Schule so wenig erfolgreich, wie sie es in der Vergangenheit war. Aber längeres, gemeinsames Lernen nochmals in einer gut organisierten Schule fördert unten und fördert oben, und das ist eine nicht wegzudiskutierende Tatsache.
Heinemann: Sie lassen sich Ihre Meinung von der Wissenschaft nicht kaputt recherchieren.
Tauss: Ich bin sehr beeindruckt von wissenschaftlichen Ergebnissen, aber ich sage nochmals: Diese Untersuchung, die wir vorliegen haben ... Im Übrigen gibt es ja auch genügend Schulen in Deutschland, die das Gegenteil beweisen. Dort, wo wir Modellschulen haben, wo die Möglichkeit besteht, dass länger gemeinsam gelernt wird und der Schulalltag vernünftig organisiert ist, sind die Ergebnisse wesentlich besser. Ich halte diese Studie für eine Studie von interessierter Seite. Wir haben ja viele, ich nenne mal den Philologenverband in Deutschland, der sich eine andere Schule gar nicht vorstellen kann, der eben unbelästigt sein will von Kindern aus niederen, sozialen Schichten, der an dieser Teilung interessiert ist. Aber gesamtgesellschaftlich können wir es uns einfach nicht mehr leisten, einen großen Teil von Kindern in Schulen abzudrängen, wo sie hinterher nicht mal mehr eine Lehrstelle bekommen, Kinder zu selektieren, danach, ob sie im elften oder im zehnten Lebensjahr schon geeignet sind, ihre gesamte Karriere vorauszuplanen. Das alles sind Dinge, die nicht in ein modernes Bildungssystem passen. Und wenn es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben sollte, die diesen Blödsinn auch noch wissenschaftlich unterstützen, kann ich nur sagen: Er ist international widerlegt.
Heinemann: Herr Tauss, das ist interessant, was Sie gerade gesagt haben - das sei eine Studie von interessierter Seite. Vorher haben Sie gesagt, Sie kennen die Studie noch gar nicht, das heißt, Sie nehmen nur das wahr, was Ihnen wirklich passt.
Tauss: Nein, das ist nicht richtig. Aber ich sage nochmals: Iich kann mich ja nur auf das beziehen, was Sie sagen, es ist eine öffentlich unveröffentlichte Studie, da habe ich mich jetzt direkt an Sie gehalten. Aber wie gesagt, ich bin gerne bereit, mit dem Herrn Lehmann und mit allen mich auseinanderzusetzen, aber alle Studien, die wir haben, gehen in eine völlig andere Richtung. Aber wenn es so sein sollte, wie Sie sagen, dass wir in Berlin hier schlechtere Ergebnisse haben, dann muss man sich anschauen, was geht hier möglicherweise im Berliner Bildungssystem noch daneben? Und hier haben wir natürlich auch in der Vergangenheit die Situationen gehabt, dass aufgrund der Sparsituation, die die Stadt aufgrund ihrer schwierigen, finanziellen Situation, die sie ja nun auch nicht von heute auf morgen bekommen hat, sondern geerbt hat - auch im Schulbereich gespart hat. Das erleben wir leider auch in reichen Ländern. Und wer an Schule spart, egal wie lange er Kinder gemeinsam unterrichtet, wird natürlich Ergebnisse haben, die nicht optimal sind. Aber mit dem längeren, gemeinsamen Lernen hat das wenig zu tun.
Heinemann: Herr Tauss - was ist Ihnen wichtiger, die Leistung oder der Gleichheitsgedanke?
Tauss: Eindeutig die Leistung. Ich sage nochmals: Wir brauchen ein Schulsystem, in dem diejenigen gefördert werden, die gut sind. Wir brauchen mehr Gute in internationalen Vergleichen. Wir dürfen diejenigen, die schwächer sind, nicht länger ausgrenzen, sie dann bis hin in Sonderschulen stecken. Und wenn ich mir ein Land wie Finnland betrachte, das sogar ohne Sonderschulen auskommt - in Wahrheit haben wir nicht ein dreigliedriges, sondern ein viergliedriges Schulsystem - und international wesentlich bessere Leistungen erbringt - und das gilt nicht nur für Finnland -, dann heißt dieses ganz eindeutig: Deutschland hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Wir müssen hier von den erfolgreichen Ländern lernen. Finnland übrigens hat zehn Jahre gemeinsames Lernen.
Heinemann: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb - bezogen auf Hamburg, auf die Einführung der sechsjährigen Grundschule jetzt: Bildungsverflachung sei der Preis für die Elbvertiefung und gab zu bedenken, Hamburger Eltern, die ihren Nachwuchs fördern wollten, könnten ihre Kinder ja künftig in Niedersachsen zur Schule schicken. Wird Bildungsqualität mehr und mehr zum Standortvorteil oder -nachteil?
Tauss: Oh, eindeutig hat die Qualität von Schule etwas mit Bildungs..., mit Vorteilen zu tun für einen Standort. Eine gute Schule auch vor Ort, übrigens bis hin zu guten Betreuungsangeboten für kleinere Kinder, gute Förderangebote werden in den nächsten Jahren ganz starke Faktoren sein. Aber die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die Sie hier zitieren, die gehört genau zu denen, die bildungspolitisch seit Jahren einen Rückschritt predigen und leider zu keinerlei Fortschritt beigetragen haben, sondern im Gegenteil jeden bildungspolitischen Fortschritt wegreden. Ich bin mir sicher, wenn die Hamburger das vernünftig machen, wird die "FAZ" vielleicht irgendwann auch mal zur Kenntnis nehmen, dass in Deutschland nicht mit dem Beharren auf dem Bildungssystem des vorvorletzten Jahrhunderts Zukunft zu erwirtschaften ist, sondern mit einem modernen Bildungssystem, in dem auch was passiert.
Heinemann: Jörg Tauss, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Tauss: Bitte schön, schönen Tag noch.