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Weniger Stellen und billigere Preise

Von Stützstrümpfen bis Computer - der sogenannte Universalversand ist der traditionsreiche Kern des Versandhauskonzerns Otto Group. Während der Online-Handel massiv wächst, gehen die Umsätze bei den Marken Otto, Schwab und Baur zurück. Nun soll die Sparte saniert werden.

Von Verena Herb | 20.06.2012
    Es rumort in der Otto Group: Die Zahlen sind nicht mehr so gut, wie in den vergangenen Jahren: Zwar stieg der Konzernumsatz im vergangenen Geschäftsjahr um 1,7 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro. Doch der Betriebsgewinn schrumpfte um nahezu ein Drittel auf 259 Millionen Euro. Beim Otto-Versand, dem historischen Kerngeschäft der Firma, sank der Umsatz um 2,1 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Der Vorstand hat deshalb Umstrukturierungen angekündigt – die wohl tief greifendsten in der Geschichte des Konzerns. Im Zentrum steht das Programm mit Namen "Focus": Die Versandhändler Otto in Hamburg, Baur in Burgkunststadt und Schwab in Hanau sollen stärker verzahnt werden – erläutert der Vorstandschef der Otto-Group, Hans-Otto Schrader.

    "Unser Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der drei Marken weiter zu erhöhen. Und das Heben von Synergien entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen."

    Übersetzt heißt das: Bündeln von Ressourcen, also Arbeitsplatzabbau.

    "Es wird auch zu Arbeitsplatzabbau kommen im Projekt Focus. Ganz klar. Weil wir arbeiten heute an den Standorten in Hanau, in Burgkunststadt und in Hamburg eben nicht überschneidungsfrei, sondern wir haben bestimmte Funktionen, die doppelt besetzt sind. Wir haben bestimmte Prozesse, die man verschlanken muss. Einfach um schneller werden zu müssen."

    Die Mitarbeiter sind in Unruhe: In Briefen der Belegschaft ist von Chaos die Rede – ein Zeichen von Unsicherheit, denn erst im September sollen Details zum Umstrukturierungsprozess vorgelegt werden.

    Schon jetzt hat sich das Führungsgremium neu aufgestellt: Für den E-Commerce Bereich wird es mit dem ehemaligen Konzern-Vize Rainer Hillebrand künftig einen eigenen Vorstand geben. Das Otto-Versandgeschäft wird nicht mehr im Konzernvorstand verankert sein, sondern bekommt nur eine eigene Geschäftsführung. Schon allein daran lässt sich die Fokussierung der Otto-Group auf den Internethandel ablesen.

    Der Konzern reagiert auf den zunehmenden Konkurrenz-Druck im Netz, so Hans-Otto Schrader:

    "Ich glaube, jeder, der sich dort nicht anpasst, wird an diesem Geschäft nicht mehr sehr lange teilnehmen. Von daher stellen wir uns dieser Herausforderung: Universaldistanzhandel: Otto, Baur, Schwab – macht noch etwas mehr als 20 Prozent von unserem Konzernumsatz aus. Deshalb machen wir den jetzt zukunftsfähig."

    Das Ziel sei nun, sich neben Amazon im Markt der Universalanbieter zu behaupten.

    "Wir haben großen Respekt vor Amazon. Aber Amazon ist in Deutschland wie in anderen Märkten jemand, der sehr erfolgreich ist. Das ist die Otto Group aber auch. Und wir eifern Amazon auch nicht nach. Wir wollen nicht ein Klon von Amazon werden. Wir wollen nicht irgendwann mal irgendwie sein wie Amazon. Wir sind Otto und wir bleiben Otto."

    Und die Strategie der Hamburger zielt durchaus auf Expansion: In Russland ist Otto Group Russia bereits Marktführer und will diese Position bald auch in Brasilien erreichen: Da von Erfolgen im Auslandsmarkt auszugehen ist, gibt der Vorstandsvorsitzende sich im Hinblick auf das laufende Geschäftsjahr verhalten optimistisch.

    "Im Moment reden wir ja gerne und viel über Fußball. Also wenn ich das jetzt mal auf die aktuelle Situation im Fußball übertrage, würde ich sagen: Wir sind in einer kontrollierten Offensive. Und sichern nach hinten ab, was die Erträge angeht. Und greifen nach vorne an."