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Weniger Studierende aus China

Die Zahl der ausländischen Studierenden in Deutschland ist etwas gestiegen, so ein Ergebnis der DAAD-Studie "Wissenschaft Weltoffen 2007". DAAD-Sprecher Helmut Buchholt betont jedoch, dass die Steigerungsraten in den Vorjahren erheblich höher waren, sodass man tatsächlich von einer Stagnation sprechen müsse. Insbesondere die Zahl von Studierenden aus China sei zurückgegangen.

Moderation: Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Wissenschaft weltoffen 2007 - Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung in Deutschland, vorgelegt von Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Hochschulinformationssystem GmbH (HIS). Trocken und nüchtern, das sind nämlich Zahlen. Spannend und lohnend dagegen die Interpretation und der genaue Blick. Dr. Helmut Buchholt vom DAAD. Guten Tag nach Bonn!

    Helmut Buchholt: Guten Tag, ich grüße Sie.

    Burgwinkel: Die Zahl der ausländischen Studierenden ist gestiegen, sagt Ihr Report, um 2000 auf 248.357. Ist das denn uneingeschränkt eine gute Nachricht?

    Buchholt: Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der vergangenen Jahre ist allerdings diese Entwicklung gar nicht mehr so herausragend, weil die Steigerungsraten in den Vorjahren erheblich höher waren. Wir beobachten seit 2004 eine weitgehende Stagnation dieser Zahlen. Gleichzeitig möchte ich aber darauf hinweisen, dass die Zahl für ausländische Studierende nur einen Ausschnitt bildet. An sich muss man diese ausländischen Studierenden unterteilen in die Bildungsausländer und die Bildungsinländer. Die Bildungsausländer sind die Studierenden, die tatsächlich mobil sind und aus dem Ausland speziell für ihr Studium nach Deutschland kommen, wohingegen die Bildungsinländer, eine kleinere Zahl, ihre Hochschulzugangsberechtigung hier in Deutschland erworben hat. Das Verhältnis ist genau so, dass wir an Bildungsausländern etwa 180.000 haben, und die Bildungsinländer den Rest ausmachen.

    Burgwinkel: Auch die Gesamtzahl aller Studierenden ist angestiegen. Da würde man natürlich logischerweise sofort fragen, aha, trotz der Studiengebühren?

    Buchholt: Ja, sie sprechen natürlich ein interessantes Thema an. Viele Menschen konzentrieren sich jetzt mit ihrem Blick darauf: Sind diese ganzen Entwicklungen nicht irgendwie im Zusammenhang zu sehen mit den Studiengebühren? Für eine solche Aussage ist es viel zu früh. Studiengebühren sind eingeführt worden im Wintersemester 2006/2007, wir sprechen hier über Zahlen, die weiter zurückliegen, allenfalls die Diskussion um Studiengebühren beinhalten, aber nicht unmittelbar damit in Zusammenhang gebracht werden können.

    Burgwinkel: Selbst nicht bei Neuanfängern?

    Buchholt: Das ist ein interessantes Thema, denn solange wir über die Zahlen sprechen, die wir gerade genannt haben, wenn wir jetzt den Blick auf die richten, die Studienanfänger sind, dann lässt sich beobachten, dass wir da einen Rückgang haben tatsächlich, und zwar seit 2003 von - ich spreche jetzt mal von den Bildungsausländern - von 60.000 auf 55.000. Der gewiefte Interpreteur könnte jetzt natürlich gleich auf die Idee kommen und sagen, aha, auch da gibt es doch sicherlich einen Zusammenhang zu den Studiengebühren. Wenn wir jetzt diese Zahlen uns genauer ansehen, stellen wir Folgendes fest: In Deutschland haben wir in den letzten Jahren die wichtigste Gruppe an ausländischen Studierenden aus China gehabt. Und die Zahl derer, die aus China ein Studium in Deutschland aufgenommen haben, lag im Jahr 2003 noch bei rund 6700, und im Jahr 2005 liegt sie bei 3800. Das heißt, China ist bei unserem Betrachtungsjahrgang das erste Mal vom ersten Platz auf den zweiten abgerutscht, und an erster Stelle ist nun Polen. Wenn man sich das aber wiederum ansieht, erkennt man, dass sich - bezogen auf die polnischen Studierenden - von der Zahl her überhaupt nichts geändert hat, sie ist relativ konstant bei 4000.

    Burgwinkel: Aber warum sind so viel weniger Studierende aus China gekommen? Haben Sie da eine andere Erklärung für?

    Buchholt: Ja, es sind auf jeden Fall, es wäre jetzt wieder falsch zu sagen, das sind die Studiengebühren, sondern die Situation in China hat sich verändert. Das chinesische Angebot in China selbst ist bedeutend besser geworden. Das wissen wir auch aus qualitativen Erhebungen, beziehungsweise auch aus Gesprächen, das wissen wir auch durch unsere Außenstelle. Es lohnt sich für den Einzelnen nicht mehr unbedingt, nach Deutschland zu gehen zum Beispiel für eine Promotion, weil er zu lange aus seinem Kontext ist, und wenn er dann nach fünf, sechs, sieben Jahren, je nachdem, wieder zurückkommt - er muss ja die Sprache lernen, er muss vielleicht noch Scheine nachmachen, und bis zur Promotion würde es dann entsprechend lange dauern -, gibt es so die Voraussagen, dass er dann auf dem chinesischen Bildungsmarkt nicht die großen Chancen mehr hat, wie er in der Vergangenheit gehabt hätte oder wie die Generation vor fünf, vor zehn Jahren noch gehabt hat.

    Burgwinkel: Herzlichen Dank für die Interpretationshilfe! Dr. Helmut Buchholt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst aus Bonn.