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"Wenn BHP Billiton erkältet ist, hustet ganz Australien"

An Rohstoffen entzünden sich diplomatische Spannungen, Handelskriege – wenn nicht sogar reale Kriege. Verschärft wird die Problematik durch den immensen Hunger nach Rohstoffen der aufstrebenden Volkswirtschaften in China und Indien. Im Firmenporträt werden die drei weltgrößten Förderkonzerne vorgestellt.

Von Andreas Stummer | 22.07.2010
    Diesmal: der "große Australier" BHP Billiton, ein Unternehmen, das Down Under über Macht und Einfluss wie kein zweites verfügt.

    Olympic Dam, etwa sieben Autostunden nordwestlich von Adelaide. Eine Busladung staunender Geologie-Studenten ist auf Butterfahrt durch Australiens größtes Loch. Eine gigantische Abbaugrube – etwa drei mal drei Kilometer weit und fast einen Kilometer tief. Gewaltige Abräumhalden, turmhohe Schaufelbagger und Schlote, Fabrikhallen in denen leicht ein paar Jumbo-Jets parken können: Die Mine in Olympic Dam ist so groß wie das Stadtgebiet von Nürnberg. Hier fördert BHP Billiton, das weltgrößte Rohstoffunternehmen, Kupfer, Silber, Gold und Uran – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.

    "Die Vorkommen liegen in 350 bis 800 Metern Tiefe","

    erklärt Minenchef Richard Yeeles,

    ""um dorthin zu kommen haben wir ein 200 Kilometer langes unterirdisches Tunnelsystem. Wir bringen Millionen Tonnen Gestein nach oben und lösen dann daraus Kupfer, Uran, Silber und Gold."

    Was Sehenswürdigkeiten in Australien angeht ist Olympic Dam nicht gerade der Ayers Rock oder das Great Barrier Reef, aber die Mine ist ein Symbol für Australiens Wohlstand. Für einen nicht enden wollenden Rohstoffboom und den unaufhaltsamen Aufstieg von BHP, eines Bergbau-Unternehmens, das – ohne falsche Bescheidenheit – nur "der große Australier" genannt wird.

    Alles Gute kommt von unten: Auch BHP hat einmal klein angefangen - 1885 in den kargen Hügeln von Broken Hill, einer Bergbausiedlung, etwa 1200 Kilometer westlich von Sydney. Erst mit Silber-, Eisenerz- und Bleiminen, dann kamen Stahlverarbeitung und, ab 1960, die Förderung von Erdöl mit dazu. Aber erst im Jahr 2001 wird aus Australiens Vorzeigekonzern ein Weltunternehmen. "Der große Australier" wird noch ein wenig größer.

    BHP fusioniert mit der britischen Minengesellschaft Billiton, Firmensitz ist Melbourne. Heute ist der Rohstoffriese das weltgrößte Abbauunternehmen: Marktwert 110 Milliarden Euro, 100.000 Mitarbeiter in 25 Ländern. Eisenerz in Brasilien, Kupfer aus Chile, Erdöl in Algerien und vor Irland, Diamanten aus Kanada, Kohle, Gold, Silber, Nickel und Uran in Australien: Die Philosophie von BHP Billiton ist: "Je größer, desto besser". Eine Strategie, die dem Konzern oft teuer zu stehen kommt. Fehlinvestitionen gehen in die Milliardenhöhe. In Zimbabwe rostet seit Jahren ein riesiger, 500 Millionen Euro teurer, stillgelegter Platin-Schmelzer vor sich hin und die Einwohner von Tombstone in Arizona fragen sich noch heute, warum Mitte der 90-er australische BHP-Manager 2,5 Milliarden Euro für eine Handvoll wertloser Kupferminen auf den Tisch blätterten.

    Der Mann, der heute für alles Tiefschürfende bei BHP-Billiton verantwotlich ist, ist der 47-jährige Südafrikaner Marius Kloppers, Firmenchef seit drei Jahren.

    "Wir treffen gute Entscheidungen, schlechte – und annehmbare. Erst letztes Jahr haben wir zweieinhalb Milliarden Euro an einer australischen Nickelmine verloren. Aber wenn ich mir unsere Bilanz ansehe, dann brauchen wir uns finanziell auch in Zukunft bei BHP Billiton keine Sorgen machen."

    Wenn BHP Billiton erkältet ist, dann hustet ganz Australien. Großaktionäre wie Kleinanleger: Millionen Australier besitzen Anteile an dem Unternehmen, jede noch so kleine Kursschwankung wird an den Finanzmärkten debattiert und von der Fachpresse analysiert. BHP Billiton ist mehr als nur Australiens einziges wirklich globales Unternehmen: Der Melbourner Finanzjournalist Robert Macklin spricht von dem Bergbauriesen als "der vierten Gewalt im Staat". Denn egal, ob es um die Steuergesetzgebung geht, um mehr Landrechte für Aborigines oder das Einführen eines Emissionshandels in Australien: Die BHP-Lobbyisten sitzen in den Hinterzimmern der Macht immer mit am Verhandlungstisch.

    "Wer auch immer BHP Billiton anführt, hat – weltweit – enormen politischen Einfluss. Für Australien kann das von Vor- oder Nachteil sein. Nehmen wir nur den Klimawandel. Das BHP-Management weigert sich, die wissenschaftlichen Fakten anzuerkennen – das wäre schlecht fürs Geschäft. Als die Konservativen in Australien an der Macht waren, machte die Konzernleitung solange Druck auf die Regierung, bis Premier John Howard sich weigerte, das Kyoto-Klimaschutzabkommen zu ratifizieren. Das war ein Skandal."

    Was die BHP-Billiton-Führung will, das bekommt sie gewöhnlich auch. Es brauchte schon einen weltweiten Konjunkturabschwung, um dem Bergbauriesen bei einer der größten Firmenfusionen aller Zeiten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Vor zwei Jahren wollte BHP Billiton den Konkurrenten Rio Tinto für umgerechnet 100 Milliarden Dollar schlucken. Die feindliche Übernahme scheiterte damals am Einbrechen der Rohstoffpreise. Doch der Markt hat sich längst wieder erholt, dank China winken wieder Rekordgewinne. Der Bergbau ist auch weiterhin Australiens Goldgrube. Und BHP wird sich bestimmt nicht auf seinen drei Buchstaben ausruhen.

    Firmenporträt 2010-07-16 - "Die Herren der Rohstoffe"
    Teil 1: Der britisch-australische Konzern Rio Tinto