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Wenn daheim die Chancen mau sind

In Deutschland sieht die Zukunft für angehende Architekten schon seit einiger Zeit alles andere als rosig aus - über 9.000 Arbeitslose zählt die Branche, von den rund 6000 Studienabgängern pro Jahr findet nur etwa jeder Zweite eine Stelle. Zwar liegen auch in Paris die Jobs nicht auf der Straße, doch mit einem deutschen Studienabschluss in der Tasche und einigen Sprachkenntnissen hat man gute Chancen, in der französischen Architektur-Welt Fuß zu fassen.

Von Silke Oekonompulos |
    Burkhardt Schiller und Konstantin Döhler sitzen entspannt an ihren Pariser Schreibtischen. Studiert haben die beiden 30-jährigen in Dresden, seit zwei Jahren arbeiten sie als freiberufliche Architekten für das Büro von Christian de Portzamparc. Auf die Frage, wie sie auf die Idee kamen, ihr berufliches Glück jenseits des Rheins zu suchen, gibt Konstantin Döhler eine überraschende Antwort:

    Also Frankreich ist auf uns gekommen, sie haben uns einfach angerufen, gefragt ob wir für sie arbeiten wollen, wir haben hier schon mal ein Praktikum gemacht, ja und dann sind wir halt gekommen.

    Ob Portzamparc oder Jean Nouvel - mittlerweile beschäftigen alle namhaften französischen Büros in Paris junge deutsche Architekten. Spitzenreiter bleibt hierbei Dominique Perrault: über 20 seiner 50 Angestellten sind Deutsche. Eine von ihnen ist Caroline Nachtigall.

    Ich hab in Frankreich angefangen zu studieren, bin dann nach Berlin zurück und habe dort zu Ende studiert und habe 2000 hier ein Praktikum gemacht, bei Dominique Perrault, über 4 Monate und das hat viel Spaß gemacht und dann als ich fertig war mit dem Studium hab ich mich mal wieder bei ihnen gemeldet und dann haben sie mich eingestellt und diese Chance hab ich natürlich gleich wahrgenommen.

    Eine Rangliste der Bundesarchitektenkammer führt Länder auf, die für deutsche Architekten gute Chancen bieten. Darin steht Frankreich als erstes westeuropäisches Land an sechster Stelle - hinter großen Märkten wie den USA, Asien und einigen osteuropäischen Staaten. Zu den Gründen Gabriele Schindler von der Bundesarchitektenkammer in Berlin:

    In Paris aber auch in anderen großen Städten und Ballungsräumen gibt es einen enormen Bedarf an Renovierung und Sanierung, Umbau und Innenausbau aber auch die Felder wie öffentliche Gebäude, Firmensitze, Büros und Gewerbebauten oder das Nachrüsten von Gebäuden mit Schall- und Lärmschutz können Chancen ergeben.

    Denn: anders als in Deutschland, wo die Baukonjunktur am Boden liegt, boomt die Branche im Hexagon; außerdem fehlt es hier an einheimischen Architekten: lediglich 1500 ausgebildete Baukünstler verlassen jedes Jahr die Architektur-Schulen. Längst greift man deshalb auf ausländische Fachkräfte zurück. Unter ihnen sind deutsche Absolventen aufgrund ihres technisch ausgerichteten Studiums besonders beliebt. Burkhardt Schiller:

    Man ist eigentlich gewöhnt, im Studium ein Projekt konstruktiv durchzuarbeiten, was in Frankreich etwas weniger der Fall ist, dafür haben die Leute hier etwas mehr auf der soziologischen Seite und auf der künstlerischen Seite zu bieten, vielleicht sollte man das also nicht so gewichten. Aber auf jeden Fall sind die Deutschen relativ bekannt dafür, dass sie auch praktisch schon einige Erfahrungen gemacht haben während des Studiums.

    In Frankreich eilt deutschen Architekten deshalb der Ruf voraus, bautechnische Perfektionisten zu sein. Die Zusammenarbeit mit ihnen gilt als fruchtbar und konstruktiv. Stararchitekt Dominique Perrault:

    Es gibt so eine Art deutsch-französische Verbindung, die ziemlich gut läuft, die Chemie stimmt. Die Arbeit ist recht angenehm, sehr effizient, wir ergänzen uns.
    Kulturell sind es Leute, die versuchen, ihre Sache richtig gut zu machen, das heißt, sie zeichnen zum Beispiel Konstruktionsdetails, die gut gemacht sind.


    Auf welcher Seite des Rheins ihre berufliche Zukunft liegt, darüber machen sich Konstantin Döhler, Burkhardt Schiller und Caroline Nachtigall heute noch keine Gedanken. Doch eines steht für sie fest: Mit ihren Pariser Arbeitserfahrungen werden sie in einigen Jahren allemal Chancen auf dem deutschen Markt haben - vorausgesetzt die Lage für Architekten hat sich dort bis dahin wieder entspannt.