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Wenn das Meer ein Bäuerchen macht

Paläoklimaforschung. - Der deutsche Forscher Michael Sarnthein-Lotichius von der Universität Kiel hatte es schon lange vermutet: Während der jüngsten Eiszeit wurde Kohlendioxid aus der Luft in der Tiefsee gespeichert, und an ihrem Ende ist dieser Vorrat dann in zwei Pulsen an die Meeresoberfläche und danach an die Luft befördert worden. Die Idee ist faszinierend, aber bislang fehlten die Beweise. In der aktuellen "Science" werden sie geliefert.

Von Dagmar Röhrlich | 11.05.2007
    Winzige Luftbläschen, die in antarktischen Eisbohrkernen eingeschlossen sind, haben es verraten: Während der Eiszeiten ist der Kohlendioxidgehalt in der Luft gering. Und sie haben auch verraten, dass am Ende der jüngsten Kaltphase das Kohlendioxid in zwei Schüben steil nach oben geschossen ist. Der Gesamtanstieg entspricht in etwa dem, was der Mensch seit 1750 produziert hat. Allerdings drehten vor mehr als 12.000 Jahren nicht unsere Ahnen an der Weltklimamaschine. Was also steckt hinter diesen Schwankungen?

    "”Wir fragen uns seit langem, wo während der Eiszeiten das ganze Kohlendioxid überhaupt steckt. Es muss irgendwo gespeichert gewesen sein. Wir vermuten zwar, dass das in der Tiefsee passiert, aber leider hatten alle Versuche, Beweise für diese These zu finden, kaum Erfolg.""

    Jedenfalls bislang, erklärt Ralph Keeling vom Scripps-Meeresforschungsinstitut in La Jolla, Kalifornien. Denn was Forscher vom Institut für Arktische und Alpine Forschung an der University of Colorado in Boulder jetzt gefunden haben taugt als erster Beweis: Sie entdeckten in Meeressedimenten vor der mexikanischen Küste, dass am Ende der Eiszeit im Pazifik zweimal uraltes Tiefenwasser nach oben schwappte:

    "”Damit konnten wir den Auslöser dieser beiden starken Kohlendioxidanstiege am Ende der jüngsten Eiszeit aufspüren. Danach ist die Tiefsee tatsächlich der Speicher gewesen, und dieses gespeicherte Kohlendioxid ist am Ende der Eiszeit aufgestiegen und in die Atmosphäre gelangt.""

    Den Beweis lieferte die Radiokarbonmethode. Sie bestimmt das Alter organischer Substanz, erklärt Scott Lehman vom Institut für Arktische und Alpine Forschung in Boulder. Lehman weiter:

    "”Wir haben in den Meeressedimenten Einzeller untersucht. Diese so genannten Foraminiferen speichern in ihren Kalkschalen Informationen über die Eigenschaften des Meerwassers, in dem sie leben. Uns hat interessiert, wie hoch der Gehalt an radioaktivem C-14 darin ist. Wir haben ihn benutzt, um das Alter des Meerwassers zu bestimmen, in dem die Einzeller lebten.""

    Die Foraminiferen erschienen sozusagen älter, als sie waren – denn das Wasser, in dem sie schwammen, war außergewöhnlich lange von anderen Wassermassen isoliert gewesen. Lehman:

    "”Dieses Wasser war 4000 Jahre alt. Heute bringt es das älteste Tiefenwasser auf nur 2000 Jahre.""

    Das Tiefenwasser konnte so lange abgeschlossen bleiben, weil das Meer bei Eiszeiten schlecht durchmischt wurde. Heute läuft diese Durchmischung vor allem vor der Antarktis. Und zwar in einem gigantischen Wasserwirbel, der um den Kontinent rauscht und die Südozeane wie ein Quirl mixt. Ist es kalt auf der Erde, stößt das Meereis weit vor, der Quirl funktioniert nicht mehr richtig. Erst als die Eiszeit zu Ende ging, kamen die Meeresströmungen wieder richtig in Gang. Lehman:

    "”Wir haben aus dem Nordatlantik Beweise, dass damals plötzlich große Mengen an Schmelzwasser ins Meer flossen. Weil Süßwasser leichter ist als Salzwasser, bleibt es obenauf und "schaltet" die Tiefenströmungen im Atlantik ab. Aber die Meere stehen miteinander in Verbindung. Deshalb sorgt ein Versiegen der Tiefenströmung im Norden für Reaktionen in den Südozeanen. Dort wurden die Strömungen stärker.""

    Das soll das alte Tiefenwasser mobilisiert und hinauf geschafft haben. Das darin gespeicherte Kohlendioxid wurde frei und heizte das Klima weiter an. Ralph Keeling hat die Entdeckung für das Wissenschaftsmagazin "Science" bewertet:

    "”Das Faszinierende ist die zeitliche Abfolge. Das alte Wasser wallte genau zu der Zeit auf, als der Kohlendioxidgehalt in der Luft anstieg. Beide Ereignisse können ursächlich zusammenhängen. Alles deutet stark darauf hin, dass es dieses Kohlenstoffreservoir in der Tiefsee wirklich gegeben hat. Als es sich leerte, hat das das Ende der Eiszeit beschleunigt. Zwar müssen die Befunde noch anderswo in den Meeren nachvollzogen werden, aber für mich sieht das nach einem Durchbruch aus.""