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Wenn der Druck zu hoch wird

Immer mehr Studierende leiden unter Depressionen, Angstattacken und Magenkrämpfen. Das meldet das Deutsche Studentenwerk und warnt davor, die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge zu überfrachten. Der Leiter der psychologischen Beratungsstelle der Freien Universität Berlin kann keinen erheblichen Zuwachs hilfesuchender Studierender bestätigen, wohl aber, dass sich durch das neue System die Art der Beschwerden verändert hat.

Von Katinka Schmitt |
    Durch die Einführung des Bachelor- und Master-Systems an deutschen Hochschulen verstärkt sich der Leistungsdruck, und vor allem auch der Zeitdruck auf Studierende. Das jedenfalls sagt der Psychologe und Leiter der psychologischen Beratungsstelle der Freien Universität Berlin, Hans-Werner Rückert:

    " Denn wir sehen ja, dass vielerorts, dass die Studienreform, die eigentlich mit der Einführung der Bachelor-Studiengänge hätte verbunden werden müssen, nicht stattgefunden hat. Sondern dass man einfach Lerninhalte eines vielleicht früher acht- oder neunsemestrigen Studiums komprimiert hat in ein sechs-semestriges Studium... "

    Früher war ein Studium vergleichsweise unstrukturiert. Für das erste Semester galt als Standard-Empfehlung, sich erst mal zu orientieren. Und die folgenden Semester waren, was Kurs-Wahl und Zeiteinteilung anging, weitgehend frei zu gestalten.

    Heute ist das anders: Ein Studierender soll nicht länger als sechs Semester für seinen Bachelor und vier Semester für seinen Master brauchen. Und die Studien-Inhalte sind, ähnlich einem Stundenplan in der Schule, fest vorgegeben.

    Im Klartext heißt das: Weniger Zeit für den gleichen Stoff, und zudem vielerorts die zusätzliche Belastung durch Studiengebühren. Eine Studentin eines gebührenpflichtigen Master-Studiengangs an der FU Berlin, empfindet die finanzielle Belastung als gravierend:

    " Für mich sind Studiengebühren ein großes Problem. Bei mir ist das so, ich hab das Kindergeld von meiner Mutter, ich hab einen Bildungskredit, und trotzdem muss ich immer in den Semesterferien in die Fabrik gehen, am Fließband arbeiten, in der Nähe von Stuttgart, die stellen Scheibenwischer her, und ansonsten nebenher arbeiten neben der Uni, ist für mich nicht drin, also zeitlich nicht machbar. "

    Aber nicht nur der Mangel an Zeit und Geld setzt die Akademiker von morgen unter Druck. Wenn Studierende der Lernbelastung nicht standhalten und Prüfungs- oder Zukunftsängste entwickeln, treten Selbstzweifel und depressive Verstimmungen auf ...

    "...und dann entsteht dieser Teufelskreis von Depressivität, nachlassender Leistung, sich steigernden Ängsten und daraufhin wieder, wenn man sich selber dann beobachtet, mehr Depressivität, noch mehr Ängste, noch weniger Bereitschaft oder Vermögen, arbeiten zu können. Dann freuen wir uns im Grunde genommen, wenn diese Leute den Weg in die Beratungsstellen finden und nicht alleine in ihren Studentenwohnheimen oder WGs vor sich hin leiden."

    Sagt Hans-Werner Rückert. In den Beratungsstellen sitzen ausgebildete Psychologen, die genau wissen, was zu tun ist, wenn Studierende mit Ängsten zu ihnen kommen. Die Beratung ist kostenlos und wer sich seiner Probleme schämt, kann sogar anonym mit den Psychologen chatten.
    Aber welche Methoden werden eigentlich angewendet, um Ängste zu bewältigen?

    " Wir haben ein Trainingsprogramm zur Überwindung von Redeängsten, da wird Wissen vermittelt darüber, wo Redeängste eigentlich herkommen, welche Konflikte dahinter stecken. Es wird ein Entspannungsprogramm gelehrt, damit man die eigene Erregung, den Pegel überhaupt ein bisschen runterschrauben kann und es wird dann einfach geübt. [...] Und man sieht dann einfach über den Verlauf so eines Seminars, dass man seine eigene Aufregung besser in den Griff bekommt und freut sich drüber und hat mehr Zuversicht als vorher."

    Auch die Studentin hat die Erfahrung gemacht, dass Angst vor einer Prüfung völlig blockieren kann.

    " Ja, als ich damals meinen Bachelor in Karlsruhe gemacht hab, da war des schon ziemlich schlimm. Also ich hab mich furchtbar gestresst, ich hatte Angst davor und die ganze Prüfung war wie ne Wand, gegen die ich immer wieder gerannt bin.... Ich muss sagen, jetzt wo ich gerade meine Master-Arbeit mache, wenn ich damals gewusst hätte, dass es eine Beratungsstelle gibt, ich wäre, denk ich, auf jeden Fall hingegangen. "