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Wenn der Handschuh anruft

Technologie.- In München hat am Sonntag die Sportmesse "ispo" begonnen. Die Schau zeigt auf beeindruckende Weise, welche neuen Produkte möglich werden, wenn Elektronik immer kleiner wird und biegsame Schaltkreise sogar in Kleidung eingenäht werden können.

Von Hellmuth Nordwig | 09.02.2010
    Einfach nur Skifahren – das ist nicht genug. Man muss dabei auch telefonieren können, sagt die Industrie, und das natürlich, ohne anzuhalten. Die Freisprecheinrichtung für das Handy am Hang passt zum Beispiel in den Skihandschuh. Dr. Hans-Walter Praas von der Dresdner Firma Texsys.

    "Das Mikrofon am Handschuh ist in der Verlängerung des Daumens am unteren Handballen. Der Lautsprecher befindet sich außerhalb am Daumen. Da sind keine Schlaufen von Skistöcken, es kommt auch kein Druck drauf, wenn man den Skistock in der Mitte hält, und bei einem Sturz wird auch die Hand nicht geschädigt. Das ist ja ein Handschuh, der soll schützen, und nicht durch eine Elektronik, die drin ist, ein zusätzliches Gefährdungspotenzial bieten."

    Den Handschuh kann man waschen, denn drin steckt flexible Elektronik, wasserdicht verkapselt. Das Handy selbst trägt der Skifahrer am Körper. Es ist über den Nahbereichs-Funkstandard Bluetooth mit der Freisprecheinrichtung verbunden. Diese lässt sich auch in den Helm integrieren. Dann gibt's das Gespräch direkt auf die Ohren, und die anderen Sportler auf der Piste bekommen die neuesten Probleme aus dem Büro nur zur Hälfte mit. Auch wenn gerade mal keiner anruft, wird dem Sportler mehr geboten als nur Schnee und Sonne.

    "Wir haben ein Stereo-Headset dazu entwickelt. Da ist es möglich, zu telefonieren mit dem Voicedialling-Verfahren, man kann also nur durch Reinsprechen jemanden anrufen. Und gleichzeitig Hifi-Musik hören."

    Im Fitnessstudio oder beim Laufen ist es schon lange verbreitet, nebenbei Musik zu hören. Wer dazu ein iPhone verwendet, wird dabei schon bald zusätzlich seinen Puls messen können und braucht dazu weder einen Pulsgurt noch eine Uhr. Forscher des Schweizer Instituts CSEM haben nämlich in die Ohrhörer einen Infrarot-Sensor integriert, der auf den Blutfluss in der Ohrmuschel reagiert, berichtet Katharina Eckey:

    "Bei diesem Gerät von CSEM ist es so, dass die Herzfrequenz über die Ohrstöpsel gemessen wird. So dass man gar nicht mehr drei verschiedene Geräte braucht, sondern man nimmt einfach sein iPhone oder iPod mit, hört Musik und hat nebenbei die Information über seine Herzrate."

    Solche Sensoren sollen den Sportler bei seinem Training unterstützen. Auch für Skifahrer und Snowboarder werden schon bald Bewegungssensoren verfügbar sein, die ihre Daten per Bluetooth ans Handy senden. Patrick Coulbourne von der Firma Antware in den USA:

    "Immer wenn Sie eine bestimmte Abfahrt runterfahren, misst der Sensor, wann Sie starten und wann Sie ankommen. Haben Sie zusätzlich einen Gurt, der Ihren Puls oder Blutdruck misst, wird das ebenfalls aufgezeichnet. Wenn Sie nun in einem Skigebiet unterwegs sind, ermittelt das Gerät Ihr Fitnessniveau, und das können Sie Ihren Freunden direkt mitteilen. Denn Sie können sich in Facebook oder Twitter einloggen oder SMS verschicken. Sie teilen also Ihre sportlichen Aktivitäten mit anderen, und Sie können im Skigebiet sogar einen Wettbewerb ausrufen mit Sportlern, die ungefähr Ihr Niveau haben."

    Das ist noch nicht alles. Wer will, kann seine Snowboardtricks sogar mit einer Videokamera aufzeichnen, die in die Jacke integriert ist. Diese Entwicklung aus der Sicherheitsbranche soll ab dem kommenden Winter auch für Sportler zur Verfügung stehen. Hans-Walter Praas von Texsys:

    "Die Daten können Sie speichern auf dem Speicherchip, bis zu 32 Gigabyte je nach Geldbeutel und Nutzung. Die andere Variante: Sie können die Daten direkt übertragen über UMTS. Sie können also die Kamera anrufen, wie es heute bei Netzwerkkameras üblich ist, und kommen – wenn Sie den passwortgeschützten Zugang bekommen – mit Ihrem Display auf die Kamera. Mittlerweile sind komplette Videostreams möglich und am Handy zu verarbeiten."

    Die gewagte Skiabfahrt, der einmalige Schlag beim Golfspiel – sie sind dann genauso auf Youtube zu sehen wie der Sturz mit dem Mountainbike. Viel Hightech also für Sportler, die darauf Wert legen.