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Wenn der Knochen bricht

Unterstützt von der Europäischen Union, hat die Internationale Osteoporose-Stiftung umfangreiche Daten zur Versorgungssituation von Menschen mit Knochenschwund in Europa zusammen getragen. Es ist der mittlerweile der dritte Bericht. Doch viel getan hat sich nicht, resümieren die Experten.

Von William Vorsatz | 28.10.2008
    "Bei uns sieht es eigentlich genauso katastrophal aus wie im europäischen Umland, das ist doch schon mal ein Vorteil, wir sind nicht wesentlich schlechter als die anderen Europäer. "

    resümiert Dr. Karsten Dreinhöfer vom Universitätsklinikum Ulm. Unterstützt von der Europäischen Union, hat die Internationale Osteoporose-Stiftung umfangreiche Daten zur Versorgungssituation von Menschen mit Knochenschwund zusammen getragen.
    Es ist der mittlerweile 3. Bericht. Seit dem ersten vor zehn Jahren habe sich jedoch nicht viel getan.

    "Insgesamt sieht es in Europa relativ mau aus, und da hat man eben gesehen, dass zum einen sehr viele Menschen betroffen sind, und zum anderen sehr wenige Menschen versorgt sind. "
    Die Experten haben EU-weit erfasst, wie viele Brüche aufgetreten sind, wie oft die Knochendichte gemessen wurde und wie häufig die Osteoporose mit Medikamenten und ergänzenden Therapien behandelt worden ist. Allein in Deutschland brechen sich jährlich 120 000 Menschen den Schenkelhals. Dazu kommt eine große Zahl von Wirbelkörper-, Unterarm- und weiteren Knochenbrüchen. Aber nur jeder fünfte Patient wird in diesen Zusammenhang auf Osteoporose untersucht.

    "Und in einer aktuellen Untersuchung, wo wir mal exemplarisch zehn Kliniken exemplarisch analysiert haben, und zwar waren das Top-Kliniken, zum Teil zumindest Top- Kliniken, mussten wir leider feststellen, dass die Ergebnisse gar nicht mal so "top" waren. Die operative Versorgung war wirklich super, die Patienten sind vom Röntgenbild hervorragend versorgt worden mit ihrer Fraktur, aber leider ist bei einem Großteil der Patienten überhaupt nicht dran gedacht worden, dass da ja möglicherweise eine Ursache für die Fraktur war. Und zwar eine andere Ursache ein als bei einem Motorradfahrer, der sich auf die Klappe legt, nämlich eine zugrunde liegende Erkrankung, die Osteoporose."

    Ein Großteil dieser Patienten ist so aus der Klinik entlassen worden, ohne dass die Ärzte den Knochenschwund behandelt haben. Dabei brechen sich Patienten mit einer Fraktur statistisch gesehen fünf bis sieben mal häufiger als andere erneut etwas. Eine Osteoporosebehandlung würde dieses Risiko erheblich verringern. Dreinhöfer fordert Konsequenzen.

    "Das man ganz klar sagt: routinemäßig wird bei jedem Patienten, bei dem die Fraktur kommt, zunächst mal geguckt: was ist die Ursache für die Fraktur. Und dass heißt, jeder Patient ab einem bestimmten Alter, und da kann man sich nun streiten, ob das 50, 55 oder 60 ist, wird einer entsprechenden Knochendichtemessung zugeführt, und ein Großteil dieser Patienten haben dann reduzierte Knochendichte-Werte, häufig auch noch andere Risikofaktoren, und dann wird von uns je nachdem bereits unmittelbar eine Therapie eingeleitet, oder aber eine entsprechende Empfehlung an den weiterbehandelnden Arzt in der Rehabilitationsklinik oder den Hausarzt weiter gegeben. "

    Eine große belgische Studie belegt, dass außerdem viele medikamentöse Langzeittherapien abgebrochen werden - durch die Patienten selbst. Nach einem Jahr hat nur noch jeder dritte die verordneten Tabletten geschluckt. Oft verursachen sie Nebenwirkungen wie Sodbrennen oder Brustschmerzen. Weil die Pillen die Schleimhäute reizen, müssen sie eine halbe Stunde vor dem Essen eingenommen werden, im Stehen, ohne sich danach hinzulegen, so dass die Tabletten nicht in einer Ausbuchtung der Speiseröhre stecken bleiben. Neue Tablettensorten müssen aber nur noch einmal pro Woche eingenommen werden. Die Spritze gegen Knochenabbau reicht sogar halbjährlich oder einmal pro Jahr. Wie wirksam sie ist, muss aber noch weiter überprüft werden. Medikamente sind nur ein Teil der Therapie, betont Karsten Dreinhöfer:

    "Je mehr sie sich bewegen, desto mehr kommt ein Reiz auf den Knochen, sich selbst wieder ein bisschen umzubauen. Und dann kann man auch ein sogenanntes Sturztraining machen. Es gibt große Studien in geriatrischen Zentren, wo man eben deutlich die Frakturraten reduzieren konnte durch Sturztraining bei alten Menschen. "

    Die Osteoporose-Vorsorge beginnt jedoch schon viel früher. In der Kindheit und Jugend. In den ersten 20 bis 25 Lebensjahren wird die Basis aufgebaut. Sport und Bewegung sorgen für starke Knochen. Davon profitiert der Mensch noch im Alter.