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Wenn der Kunde im Ausland sitzt...

Dass so mancher Kunde von deutschen Firmen im Ausland sitzt, ist normal und keineswegs ungewöhnlich. Wenn diese Kunden ihre Schulden jedoch nicht zahlen, ist es schwierig, das Geld einzutreiben. Die Europäische Kommission will nun das Einfrieren von Konten säumiger Schuldner erleichtern.

Von Andre Zantow |
    Ein deutscher Internethändler verkauft auch an Kunden im EU-Ausland, zum Beispiel Spanien, Italien oder Polen. Bezahlt ein italienischer Kunde nicht, ist es schwer für den deutschen Internethändler an sein Geld zu kommen. Er muss sich einen Anwalt in Italien nehmen, der sich mit dem dortigen Verfahren der Schuldeneintreibung auskennt. Er muss eine Klage einreichen und das Urteil abwarten. Das kann mehrere Monate dauern und ist teuer. Betrüger haben ihr Geld dann oft schon in ein anderes Land transferiert und der deutsche Internethändler bleibt auf seinen Forderungen sitzen.

    Oft lohnt sich in solchen Fällen ein teurer Rechtsstreit nicht – vor allem für kleinere Unternehmen, sagt Stefan Zickgraf vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft

    "Oftmals auch noch heute erlebe ich, dass man sagt, also Forderungen unter 5000 Euro über die Grenze, die lasse ich einfach. Das kostet mich mehr, das Risiko ist größer, und dann das alte Motto: Ich schmeiße doch nicht gutes Geld, schlechtem Geld nach. Das heißt das Ausfallrisiko über die Grenzen ist heute sehr groß. Es ist eine Inkongruenz zwischen der Bedeutung des Binnenmarktes und dem Risiko, dass gerade Mittelständler da wahrnehmen."

    Die EU-Kommission schätzt, dass Unternehmen pro Jahr auf 600 Millionen Euro an Forderungen verzichten, weil sie sich nicht auf kostspielige Rechtsstreitigkeiten im europäischen Ausland einlassen wollen. Dadurch entstehen Umsatzeinbußen von 2,6 Prozent. Das sei eine Schwachstelle des EU-Binnenmarktes, gibt die EU-Kommission zu. Ziel sei es, Schulden im Ausland genauso einfach einzutreiben wie im Inland. Einige Gesetze, wie zum Beispiel das europäische Mahnverfahren sind schon im Einsatz. Heute präsentiert EU-Justizkommissarin Viviane Reding ihren neusten Gesetzentwurf: zur vorläufigen Kontenpfändung.

    "Es soll eine europäische Prozedur geben, die es ermöglicht, dass Gläubiger in allen EU-Ländern unter den gleichen Bedingungen Bankguthaben von Schuldnern vorläufig pfänden können. Wir greifen aber nicht in nationales Recht ein. Wir fügen lediglich ein europäisches Verfahren hinzu, dass Gläubiger nutzen können."

    Die Umsetzung der vorläufigen Kontensperrung stellt sich Viviane Reding so vor: Es soll europaweit die gleichen Formulare für dieses Verfahren geben. Der deutsche Internethändler aus unserem Beispiel könnte dann diese Formulare ausfüllen und an ein italienisches Gericht schicken. Das Gericht würde erstmal das Konto des zahlungsunwilligen Schuldners einfrieren, bis ein Urteil gesprochen ist. Der Schuldner kann aber bis dahin nicht mehr an sein Geld heran.

    Das kritisiert Alexandra Thein. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP im Europäischen Parlament sieht durch diesen Vorschlag der EU-Komission die Rechte des Schulders gefährdet.

    "Das heißt, das Gericht wird eine Entscheidung treffen aufgrund des einseitigen Vortrags des Gläubigers. Und das ist etwas, was wir im deutschen Recht eigentlich nicht kennen. Bei uns ist es praktisch immer vorgesehen, dass der Schuldner wenigstens vorher kurz angehört wird. Und das ist hier jetzt nicht vorgesehen."

    Grundsätzlich aber zeigen sich die FDP-Abgeordneten im Europaparlament mit dem Vorhaben der EU-Kommission einverstanden. Auch sie unterstützen es, Konten von zahlungsunwilligen Schuldnern über EU-Grenzen hinweg einzufrieren. Über die letztliche Ausgestaltung des Gesetzes verhandeln nun Europaparlament und Mitgliedsstaaten.