Archiv


Wenn der Schlaf zur Sorge wird

Medizin. – Jeder Zehnte hierzulande leidet unter Schlafstörungen. So bringt Schnarchen etwa nicht nur Partner um die wohlverdiente Nachtruhe, sondern unterbricht auch immer wieder den eigenen Tiefschlaf aus dem Takt. Obendrein vermindern Atmungsaussetzer die Sauerstoffaufnahme und können so auch gefährlich werden. Seit zehn Jahren untersucht das Schlaflabor der Universität Leipzig diese Phänomene, aber auch Krankheiten wie den plötzlichen Kindstod, so erläuterten die Forscher jetzt anlässlich eines Jubiläumskongresses am vergangenen Wochenende.

    "Wer schläft, sündigt nicht" weiß der Volksmund, doch wer nicht zu seinem Schlaf kommt, ruiniert seine Gesundheit, wissen Mediziner spätestens seit der intensiven Schlafforschung, die vor rund 50 Jahren begonnen wurde. Dabei steht allerdings weniger der reine Schlafmangel im Vordergrund, sondern vielmehr jene Faktoren, die den Schlaf verhindern und unterbrechen, darunter etwa das so genannte Syndrom der ruhelosen Beine, nächtliche Atemaussetzer oder auch heftiges Schnarchen. Schlafstörungen sind eine Volkskrankheit – rund ein Zehntel der Bundesbürger schläft schlecht, wird immer wieder jäh aus ihren Träumen gerissen oder fühlt sich selbst nach einer durchschlafenen Nacht einfach gerädert. Doch die Folgen können sogar noch schwerwiegender sein. So gelten heftige Schnarcher als stärker Herzinfarkt und Schlaganfall gefährdet.

    Im zehnten Stock der Universitätsklinik Leipzig liegen die Räume des Schlaflabors, in dem Patienten rund um die Uhr versuchen, für die Forschung und ihre eigene Gesundheit beide Augen zu schließen und in Morpheus Arme zu sinken. "Wir untersuchen den Schlaf auch tagsüber. Dabei erhalten die Patienten entweder die Aufgabe, sich für 40 Minuten bequem in einen verdunkelten Raum zu setzen und möglichst nicht einzuschlafen, oder wir prüfen die Einschlaffähigkeit, indem sich die Probanden alle zwei Stunden Bett legen und versuchen, innerhalb von 20 Minuten einzuschlafen", erläutert die Schlafwissenschaftlerin Andrea Bosse-Henck und Leiterin des Labors. Mitunter verfallen Menschen in nur wenigen Minuten in Tief oder gar Traumschlaf, doch auch dies ist kein gutes Zeichen. Schlaflähmung, die so genannte Narkolepsie, kann die Betroffenen urplötzlich an Ort und Stelle überfallen, die auch in Alltagssituation wie im Verkehr oder bei der Arbeit unversehens zusammensinken, weil ihre Muskeln auf den Schlaf umschalten und sich völlig entspannen. Ursache für das seltene Leiden sei eine Fehlorganisation des Schlafes dieser Menschen, sagt Professor Hartmut Schulze von der Klinik für Neurologie des Klinikums Erfurt. Normalerweise durchlaufen Schläfer eine rund zwei Stunden lange traumlose Phase, bevor ein flacherer Schlaf mit seinen Träumen und seinen charakteristischen raschen Augenbewegungen, dem so genannten Rapid Eye Movement (REM) einsetzt. "Bei diesen Patienten ist die Reihenfolge der Schlafstadien verändert und der REM-Schlaf setzt nach dem Einschlafen ein. Weil die Betroffenen dann noch halb wach sind, erleben sie Halluzinationen, gegen die sie sich nicht wehren können", berichtet Schulze.

    Ursache der bedrohlichen Schlafattacken ist eine kleine Gruppe von Zellen im Gehirn, die bei diesen Menschen nicht mehr arbeiten. So belegen Untersuchungen, dass bei fast allen Narkoleptikern auch ein bestimmtes Gen verändert ist. Wissenschaftler vermuten daher eine Autoimmunerkrankung, in deren Folge diese Zellen nicht mehr die Substanz Orexin, auch Hypocretin genannt, produzieren. "Diese winzige Zellgruppe hat eine Schlüsselfunktion bei der Steuerung von Schlafen und Wachen, die aber bei Narkoleptikern nicht erfüllt wird", so der Schlafexperte. Ob die Steuerungsinstanz nur abgeschaltet ist oder die Zellen sogar zugrunde gehen, sei bislang unklar. Auch rätseln die Wissenschaftler, warum die Schlafattacken häufig gerade dann ausbrechen, wenn man erschreckt wird, der Stürmer des Lieblingsvereins den Ball über das leere Tor drischt oder jemand einen Witz erzählt.

    [Quelle: Hartmut Schade]