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Wenn der Spaziergang zur Qual wird

Medizin. - Herzinfarkt und Schlaganfall sind die Todesursache Nummer Eins in Deutschland. Mehr als jeder Zweite muss damit rechnen, ihnen einmal zum Opfer zu fallen. Ursache sind Schäden an den Gefäßen – und die treten meist nicht nur am Herzen oder im Gehirn, sondern im gesamten Körper auf, besonders auch in den Beinen. Doch diese so genannte Periphere Arterielle Verschlusskrankheit findet nur wenig Beachtung, es ist noch nicht einmal bekannt, wie viele Menschen in Deutschland an ihr leiden. Das will die ''getABI'' Studie ändern. Die ersten Ergebnisse wurden heute auf der Wissenschaftspressekonferenz in Berlin vorgestellt.

    Von Volkart Wildermuth

    Im Grund weiß jeder, was schlecht für seine Adern ist: zuwenig Bewegung, Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck und zuviel schlechtes Cholesterin im Blut. Doch selbst wer nicht an diesen viel diskutierten Risikofaktoren leidet, kann an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall sterben. Deshalb sucht Prof. Curt Diehm vom Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, das zur Universität Heidelberg gehört, nach weiteren Warnzeichen.

    Wir glauben dass die periphere Verschlusskrankheit ein viel stärkerer Risikoindikator ist als alle anderen Risikofaktoren, die wir klassischer Weise bisher diskutiert haben.

    Periphere Verschlusskrankheit, darunter fallen vor allem Durchblutungsstörungen in den Beinen, die nicht nur Warnzeichen für einen Infarkt oder Hirnschlag darstellen, sondern auch ganz akut für Beschwerden sorgen können.

    Die Leute können nur eine gewisse Gehstrecke gehen, bleiben dann stehen, können dann weitergehen, müssen dann wieder stehen bleiben und in den schweren Stadien der Erkrankung kommt es dazu, dass Ruheschmerzen entstehen. Die Patienten können nachts nicht schlafen, die Beine gehen auf und wir amputieren aus diesem Grunde etwa 40.000 Menschen im Jahr in Deutschland.

    Früher nannte man das Leiden Raucherbein, aber es kommt längst nicht nur bei den Rauchern vor, deshalb sprechen die Mediziner von der Schaufensterkrankheit, weil die Patienten immer wieder stehen bleiben müssen und dann gerne in die Auslagen sehen. Nicht immer sind die Symptome aber so schwerwiegend. Curt Diehm schätzt, dass nur jeder Dritte mit verengten Adern in den Beinen auch tatsächlich zum Arzt geht. Genauere Daten liefert jetzt die getABI Studie. ABI das steht für Ankle Brachial Index, auf Deutsch der Knöchel Arm Index. Jeder Hausarzt kann ihn bestimmen, in dem er den Blutdruck in den Armen mit dem Blutdruck in den Beinen vergleicht. Dazu benötigt er neben der klassischen Blutdruckmanschette nur noch einen Ultraschallstift, der für rund 500 Euro zu haben ist. Wenn der Blutdruck in den Beinen auch nur um zehn Prozent niedriger liegt als der in den Armen, stimmt etwas nicht. Bei getABI wurde stellvertretend für die Deutsche Bevölkerung über 65 Jahren bei 6880 Patienten der Knöchel Arm Index bestimmt.

    Wir können dann im Grunde innerhalb weniger Minuten - so eine Messung dauert zwischen 5 und 10 Minuten - feststellen, ob diese Drucke normal sind oder ob sie reduziert sind. Das Ergebnis hat uns alle überrascht. Wir haben eine Häufigkeit der Erkrankung, die nahezu doppelt so hoch ist wie wir das erwartet haben. Sie liegt bei ungefähr 20 Prozent bei der männlichen Bevölkerung und bei Patientinnen etwas weniger, bei 16 Prozent. Und das bedeutet für den Patienten, dass er eine Lebenserwartung hat, die zehn Jahre geringer ist als die eines Patienten, der dieses Problem nicht hat. So einfach ist es.

    Ganz so einfach ist es aber doch nicht. Aus getABI kann Curt Diehm bislang nur ableiten, dass die peripherer Verschlusskrankheit viel häufiger ist als angenommen. Ob der Knöchel-Arm Index allein, also ohne weitere Beschwerden, schon einen Krankheitswert hat, kann sich aber erst zeigen, wenn die Patienten im Rahmen von getABI noch einige Jahre weiter beobachtet werden. Allerdings sprechen Studien aus den USA dafür, dass der Knöchel-Arm Index tatsächlich ein entscheidender Risikofaktor für den Tod durch Herzinfarkt und Schlaganfall ist. Wenn er vorliegt, sollte der Arzt deshalb schon heute eine Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten verschreiben und auch der Patient selbst muss aktiv werden.

    Er muss definitiv aufhören zu rauchen, weil das ein ganz gravierender Risikofaktor ist, er muss sein Gewicht normalisieren, den Blutdruck optimal einstellen, er muss sich sehr genau überlegen, ob er Symptome hat bezüglich eines Herzinfarktes oder eine Schlaganfalls, er muss dies seinem Arzt mitteilen und er muss körperlich immer in Bewegung bleiben, weil dies die wichtigste Therapiemaßnahme ist, die wir konservativ haben.