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Wenn der Süden zu uns kommt

Alpengrün, das bedeutet eine empfindliche Vegetation mit so charakteristischen Arten wie: Edelweiß, Enzian und Schlüsselblumen. An Palmen wird in dem Zusammenhang wohl kaum einer denken. Palmen gehören in den Süden an den Sandstrand. Das stimmt zwar, doch wer unter Palmen wandeln will, muss inzwischen nicht mehr in die Ferne schweifen, denn sie wachsen jetzt auch in den Südschweizer Alpen.

Britta Fecke |
    Zwei Faktoren machen es möglich: der Zufall und die Klimaerwärmung. Durch Zufall landete eine Palme in den Schweizer Bergen und auf Grund des Klimawandels kann sie dort überleben.

    Prof. Peter Fabian vom Lehrstuhl für Bioklimatologie und Immissionsforschung an der TU München:

    Wir sehen die Erwärmung direkt aus den Klimadaten, aber auch an den Pflanzenreaktionen, dass sich hier viel getan hat, die Vegetationsphase hat sich verfrüht. Das Frühjahr ist 8 Tage früher, als das noch in den 60er Jahren der Fall war und der Herbst beginnt später, so das die Vegetationsphase insgesamt viel länger ist als früher. So zeigen also die Pflanzen das was die Daten sagen: das Klima hat sich verändert.

    So können inzwischen auch frostempfindliche Exoten wie Palmen in den Alpen überleben. Das frühe Frühjahr und der späte Herbst ermöglichen den Pflanzen in unseren Breiten erheblich längere Vegetationsphasen, die Blätter bleiben länger an den Bäumen, die Wiesen länger grün. In Kombination mit den milderen Winter ist das ein prima Klima für immergrüne Pflanzen. Die Exoten wandern von den Gärten und Parks in die Wälder. Der Sommergrüne Laubwald wandelt sich dann zum immergrünen Wald. Auch wenn das auf den ersten Blick erfreulich klingt, ist es beim genaueren Hinsehen ein großes Problem. In vielen Millionen Jahren haben sich Pflanzen- und Tierwelt auf einander abgestimmt - besteht ein gewisses Gleichgewicht zwischen Fressen und Gefressen werden.

    Gian Reto Walther vom Institut für Geobotanik in Hannover:

    Es mag den Anschein erwecken, dass das frühes Frühjahr nicht schlimm ist....aber das grazile Gleichgewicht aus den synchron abgestimmte Nahrungsketten ist aus dem Gleichgewicht. So ist zum Bsp.. ein Falter später da als seine Nahrungsquell. Wenn er von Pollen lebt und die Pflanze schon geblüht hat bevor der Falter schlüpft hat er keine Chance. Das sieht man erst jetzt, nach der Veränderung wo sich überall Lücken in der Kette auftun und man sieht erst jetzt was da passiert.

    Viele Ökosysteme verändern sich im Zuge der Klimaerwärmung und sind in ihrem sensiblen Ineinandergreifen gestört. Wenn diese Störung Palmen im Vorgarten bedeutet, mag das noch nicht so dramatisch klingen, aber es gibt andere Beispiele.
    So Gian Reto Walter:

    Das Problem ist in gewisser Weise im übertragenen Sinne zu sehen. Bei exotischen Arten wie Palmen empfinden wir es als angenehm, aber es müssen ja nicht immer angenehme Arten sein, sondern auch unangenehmere Arten: Durch die milderen Winter überleben in den Großstädten mehr Jungtiere der Ratten. Rattenplagen sind die Folge.

    Und das ist die Kehrseite der Medaille, die den Menschen direkt betrifft: wenn hier ein Schmetterling ausstirbt, weil er auf das verfrühte Nahrungsangebot nicht reagieren kann, wird das wenige erschüttern. Aber wenn Schädlinge die Ernten vernichten, und Ratten die Städte über bevölkern, dann sind die Folgen der Klimaerwärmung auch für den Menschen bedrohlich. Denn eines ist klar: wo Exoten wie Palmen eine Chance haben, hat auch die Malaria übertragenden Anopheles Mücke keine Probleme mehr. Palmen in den Alpen und Malaria in Norddeutschland. Derartige Beispiele gibt es viele:

    Ich denke es sind inzwischen genug Zeichen bekannt, die alle anzeigen, dass immer der gleiche Trend einer Veränderung zur Grunde liegt aus verschiedensten Ökosysteme. Tropische Korallenriffen, die bei zu warmen Wasser ausbleichen....Pinguine sterben aus, weil das Nahrungsangebot sich ändert. Man kann es aber auch in unseren Breiten sehen: der frühe Frühling all die Zeichen weisen in die gleiche Richtung nämlich höhere Temperaturen.

    Wie extrem die einzelnen Komponenten eines Ökosystems ineinandergreifen und wie schnell es aus dem Gleichgewicht gerät, so dass es am Ende nicht weiter bestehen kann, das zeigt ein Beispiel aus dem tropischen Meer. Dort ist der kritische Schwellenwert, der für das Überleben der Korallen von Bedeutung ist sehr nah:

    Das heißt noch eine geringe Klimaerwärmung und wir haben den Effekt den wir zuvor im indischen Ozean hatten, da sind 50 % der Korallenriffe abgestorben, weil die Meerestemperatur über 30 Grad Celsius. Die Koralle ist deshalb so empfindlich, weil Korallen eine Symbiose mit empfindlichen Grünalge eingehen und die stirbt bei Temperaturen über 30Grad ab und dann kriegt die Koralle keine Nahrung mehr und dann stirbt die Koralle komplett ab.

    Doch nicht nur die biotische Welt reagiert auf die Temperaturzunahme. Die Gletscher reagieren ähnlich, nämlich mit ihrem Rückzug. Diese mächtigen Ströme aus Eis gelten als repräsentative Indikatoren der veränderten Energiebilanz. Die Masse der Gletscher ist seit 1850 um mehr als die Hälfte zurückgegangen und der Meeresspiegel steigt jährlich um 2mm an. Eine Studie des World Wide Fund for Nature (WWF) die anläßlich der Weltklimakonferenz in Mailand vorgestellt wurde prophezeit das Abschmelzen fast aller Gletscher bis zum Ende des Jahrhunderts. Andreas Kääb vom geographischen Institut der Universität Zürich:

    Was man derzeit an Gletschern feststellt: es wird immer wärmer.....das sieht man im Hochgebirge es gibt nur einen Prozess, der Eis zum schmelzen bringt und das ist Wärme ..... man sieht es in allen Gebieten.

    Im letzten Jahrhundert stieg die mittlere jährliche Lufttemperatur in Bodennähe weltweit um 0,6 Grad an. und wenn der Ausstoß von Gasen wie Kohlendioxid oder Methan nicht weltweit erheblich gesenkt wird, wird die Temperatur weiter steigen. Das bringt die Polkappen und in den Gebirgen das Eis zum Schmelzen. Die Folgen der Schmelze sind unterschiedlich: Andreas Kääb:

    Gletscher reagieren mit Rückzug auf die Wärme, aber es gibt auch Gletscher, die fallen in sich zusammen. Es gibt Gletschervorfelder, denen nicht mehr ansieht, dass sie mal Gletscher waren. Es gibt Regionen auf der Welt wie im Himalaja da entstehen dann Seen.

    Wenn diese Quadratkilometer großen Seen auslaufen, wird das Tal überschwemmt!

    Der Anstieg der globalen Temperatur um 0,6 Grad Celsius hat viele Auswirkungen. Wärmere Luft nimmt mehr Wasser auf als kalte, somit wird insgesamt der Kreislauf von Verdunstung und Niederschlag intensiver. Außerdem kommt durch die Erwärmung insgesamt mehr Wasser ins System als zuvor, durch das Abschmelzen der Gletscher beispielsweise. Die Anzahl der extremen Regengüsse hat sich infolge dessen in den letzten 120 Jahren verdoppelt. In Kombination mit begradigten Flüssen werden diese heftige Regenfälle dann zu Sintfluten, und zum x-ten Jahrhunderthochwasser in nur einem Jahrzehnt! Prof. Eberhard Gwinner, Leiter der Max-Planck Forschungsstelle für Ornithologie:

    Was für mich am auffallensten ist, ist die Temperaturveränderung im Frühling. Außerdem haben wir viele Stürme, und starke Unwetter haben zugenommen, das sind eigentlich so die Eindrücke die ich hab.

    Das produzierte Kohlendioxid landet allerdings nicht komplett in der Atmosphäre. Die Pflanzen fangen das Gas während der Photosynthese wieder ein und bauen es dann um zu Blatt und Borke. Peter Fabian:

    Die Biomasse hat deutlich zugenommen, sie variiert um 20 Prozent in den letzten 10 Jahren. Das CO², dass wir in die Atmosphäre reinpusten trägt nicht vollständig zur Erhöhung des Pegels bei, weil es zum großen Teil hier - bei den Pflanzen - wieder weggepuffert wird. Wenn die Vegetation das Co² nicht aufgenommen hätte, wäre noch mehr CO² in der Atmosphäre. Aber niemand weiß, wie lange die Pufferwirkung noch vorhält.

    Nach den Berechnungen des wissenschaftlichen UN-Gremiums zum Klimawandel (IPCC) wird das Volumen des antarktischen Eises zunehmen, im Gegenzug wird aber das grönländische Eisschild abnehmen – nur schneller. Demzufolge wird in den nächsten Jahrzehnten eine Erhöhung des Meeresspiegels um etwa 5mm pro Jahr vorausgesagt. Über 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in Küstengebieten, sie werden den Risiken der Überschwemmung, der Stürme und den versalzten Böden ausgesetzt sein. Einige Inselgruppen und auch Küstenstreifen werden vor der dauerhaften Überschwemmung wohl nicht geschützt werden können.

    Sind die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Wasserhaushalt der Erde noch nicht gewiss, so hat sich in der Vogelwelt schon vieles verändert. Eberhard Gwinner, Ornithologe des Max Planck Institut.

    Also bei Vögeln sehen wir dramatische Änderungen in der Areal-verschiebung. Auch anderes Brutverhalten...viele dehnen ihre Areale nach Norden aus ....große Zahl der Arten wie der Bienenfresser oder das Schwarzkehlchen leben inzwischen im Norden...eine große Zahl von Arten.

    Während die einen Vogelarten neue Areale erobern, kämpfen die die schon da waren mit der neuen Konkurrenz. Eines von vielen Beispielen in Deutschland ist der Halsbandsittich. Der grüne Papagei bevölkert inzwischen Deutschlandweit Parks und Gärten und macht Fink, Meise und Specht lautstark Konkurrenz um Nahrung und Nistplatz.

    Probleme haben auch die Zugvögel. Der Vogelzug ist von verschiedenen externen Bedingungen abhängig. So bestimmen eine genaue Kombination aus Tageslänge und Temperatur die Zugunruhe – das heißt: die Bereitschaft der Zugvögel zum Winter oder Sommer- Quartier aufzubrechen. Jetzt ist diese Uhr in vielen Fällen nicht mehr gültig. Zu welchen Probleme das führt, zeigt eine Untersuchung am Trauerschnäpper, einem kleinen Zugvogel, der in Afrika überwintert und in Holland brütet

    Diese Vögel brüten jedes Jahr etwas früher, was am Nahrungsangebot liegt, die Insekten kommen immer früher, aber die Vögel kommen doch nicht früh genug aus dem Winterquartier wieder. So ist das Nahrungsangebot früher, aber die Art kann es nicht nutzen. So ziehen die Trauerschnäpper immer weniger Junge groß.

    Im Gegensatz zu verwandten Standvögeln, so kann es passieren das solche Arten die mit Verfrühung des Angebotes nicht mithalten können und dann unter Umständen Bestandsrückgänge erfahren können.

    Insgesamt zeigt sich, dass die Feinabstimmung, die sich in Jahrmillionen zwischen den Komponenten eines Ökosystems herausgebildet hat durcheinander geraten ist. Nahrungsketten werden unterbrochen, sehr plötzlich entstehen neue Konkurrenzverhältnisse, die heimische Arten auf Dauer verdrängen können. Was die veränderten klimatischen Bedingungen noch bringen, ist für die Wissenschaft oft auch nicht voraussehbar, denn:

    während sich die Veränderung in der Umwelt sehr schnell vollziehen hängen wir immer hintendran mit der Forschung. Wenn wir endlich ein Phänomen verstehen stehen wieder drei neue Phänomene vor uns, die wir auch angehen müssen.

    Die ökologischen Folgen der Klimaerwärmung schätzen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen als gravierend ein. Auch wenn viele Phänomene sich noch gar nicht richtig einordnen lassen. Einige Prognosen gelten allerdings schon jetzt als gesichert:

    Die Vegetations- und Klimazonen werden sich verschieben. Überschwemmungen und Stürme werden zunehmen. Bestimmte Küstenregionen und Inseln werden wohl im Meer untergehen. Während es in einigen Gebieten zu viel Wasser geben wird, werden sich andernorts die Wüsten ausbreiten. Bereits jetzt sind bis zu 20 Millionen Km² von der Desertifikation bedroht. Das entspricht einer Fläche von der Größe Kanadas und den USA zusammen. Die Wüstenbildung bedroht besonders Mittelasien, Nordwestchina, Nordafrika und die Sahelzone.

    Einige Prozesse lassen sich zwar nicht mehr aufhalten, aber durch eine bessere Energiebilanz der Industrienationen zumindest mildern. Wie, das beschreibt Professor Peter Fabian vom Lehrstuhl für Bioklimatologie und Immissionsforschung an der TU München:

    Ja grundsätzlich natürlich durch die Reduktion der Emissionen. Wir haben Sparpotential ..ungefähr 30 % der Co2 Emissionen auf dem Gebiet der BRD lassen sich vermeiden, es gibt da Vorschläge der Enquete-Kommission, die heute noch aktuell sind, ohne in die Steinzeit zurückzufallen, mit besserer Isolierung besserer Technik.

    Die Förderung und Nutzung von regenerativen Energiequellen ist dabei die beste Methode um Co²- Emissionen zu vermeiden. Dem steht die Förderung von fossilen Energieträgern wie Steinkohle komplementär entgegen.

    Müllvermeidung und die Reduzierung von Auspuffgasen – vor allem von Autos - punkten ebenfalls zugunsten der Atmosphäre. Und überhaupt: Energie die nicht verbraucht wird, kann auch keine Auswirkung auf das Weltklima haben! Mit dem Kyoto-Protokoll haben sich 120 Staaten der Welt darauf geeinigt etwas zum Schutz des Klimas zu tun. Aber, so Professor Fabian:

    Das Kyotoprotokoll ist wichtig: es ist die erste internationale Vereinbarung zur Reduzierung der Klimarelevanten Gase. Es ist aber in der Wirkung fast vernachlässigbar, dennoch ist es wichtig und ich würde mich immer dafür einsetzen das es ratifiziert wird.

    Der Ratifizierung des Protokolls steht noch vieles im Weg. Bevor der Vertrag völkerrechtlich in Kraft treten kann, müssten die ratifizierenden Staaten für 55 Prozent der Treibhausemissionen verantwortlich sein, und das weltweit - gemessen an den Emissionen im Jahr 1990. Inzwischen haben 120 Staaten das Vertragswerk von Kyoto unterzeichnet, aber die bringen es gemeinsam nur auf 44 Prozent statt auf 55 Prozent der Treibhausgase. Die USA sind die größten Produzenten klimarelevanter Gase, doch die stellen sich quer. Peter Fabian sieht das pragmatisch:

    Bei der Klimaproblematik sehe ich das genauso: wir brauche noch viele Stürme und Dürren -vor allem in Amerika- damit allen Beteiligten klar wird: hier muss was getan werden.

    Amerika wie auch Australien lehnen das Klimaschutzabkommen ab. Der amerikanische Präsident Georg W. Bush mit der Begründung, es schränke die Wirtschaft seines Landes ein.

    Weil die USA und Australien das Protokoll nicht ratifizieren, ist die Zustimmung der russischen Regierung unbedingt notwendig. Auf Russland entfielen 1990 gut 17 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes der Industrieländer. Solange Russland das Vertragswerk nicht unterzeichnet, kann es nicht in Kraft treten. In Moskau gibt es allerdings nicht wenige, die eine Klimaerwärmung begrüßen würden, schließlich käme man dann besser an die Bodenschätze, wenn in Sibirien die Permafrost-Böden aufweichen.

    Russland ließ auch während dieser Klimakonferenz in Mailand die Chance verstreichen, das Protokoll zu unterzeichen. Allerdings wurden aus Kreisen der russischen Delegation wiederholt Forderungen laut, die Gegenleistungen für eine Ratifizierung verlangten. Mit einer Unterschrift kann frühestens nach der Präsidentschaftswahl im März 2004 gerechnet werden.