"Der Oktober hat ein von vielen Menschen erhofftes Signal für den Arbeitsmarkt gebracht. Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist knapp unter drei Millionen gesunken. "
So viel Freude dürfte lange kein Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit mehr gehabt haben, wie der derzeitige, Frank-Jürgen Weise. Monat für Monat kann er in Nürnberg vor die Presse treten und sinkende Arbeitslosenzahlen vermelden. Im Oktober fiel die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sogar erstmals seit 16 Jahren unter die Marke von drei Millionen. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die Krisenmeldungen aus der Wirtschaft häufen. Auch einen Monat später, im November, verkündete Weise gute Nachrichten. Es waren noch einmal 8000 weniger Menschen ohne Arbeit als im Vormonat.
Ortswechsel. Arbeitsagentur Berlin-Mitte. Auch hier ist von den aufgeregten Diskussionen um Konjunkturflaute und Stellenabbau nichts zu spüren. Die Wirtschaftskrise produziert keine Bilder - noch nicht. Lange Schlangen vor den Arbeitsämtern - Fehlanzeige. Die Arbeitsvermittlerin Susanne Date-Oldenburg arbeitet hier seit 12 Jahren. Ungewöhnliche Abläufe kann sie zur Zeit nicht feststellen.
"Wir haben zur Zeit noch keine besonderen Anzeichen, sondern es ist saisonal bedingt, dass zum Jahreswechsel viele befristete Verträge erst einmal davor stehen, ob es Möglichkeiten einer weiteren Beschäftigung gibt und diejenigen sich dann entsprechend ihrer Verpflichtung, sich rechtzeitig hier zu melden, melden. "
Die Zahlen der Bundesagentur und die Meldungen von sinkenden Börsenkursen, taumelnden Autoherstellern und einer Krise der Weltwirtschaft klaffen auseinander. Der Grund dafür ist einfach. Der Arbeitsmarkt ist ein sogenannter nachlaufender Indikator. Die guten Zahlen, die jetzt in jedem Monat veröffentlicht werden, gehen noch auf den gerade zu Ende gegangenen Aufschwung zurück. Viele Experten sehen darin auch einen Erfolg der Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung. Dieser Meinung ist auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die so genannten Wirtschaftsweisen. Der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup ist der Vorsitzende des Rates und er beurteilt die Arbeitsmarktlage so
"In der Vergangenheit haben wir in der Tat massive Arbeitsmarktprobleme gehabt, die aber weniger konjunktureller Natur waren, denen deshalb mit Strukturmaßnahmen begegnet werden muss. Und das ist erfolgreich gewesen. Ich denke schon, dass die gegenwärtige Regierung was die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angeht, die Früchte der Reform der letzten Jahre also erntet. "
Die Empfehlung der Sachverständigen: die Reformpolitik fortsetzen. Das hört der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister Olaf Scholz gerne. Dessen sozialdemokratische Vorgänger haben die Reformen auch gegen massiven Widerstand aus den eigenen Reihen durchgesetzt.
"Durch die Reformen, die wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, haben wir immerhin es ja schon geschafft, dass die Arbeitslosigkeit nicht erst dann zurück geht, wenn das Wirtschaftswachstum über zwei Prozent liegt. Wie weit wir es voran gebracht habe, dass kann man natürlich nicht sagen, wenn es jetzt um ein Wachstum nahe Null geht, dann ist das ganz bestimmt eine große Herausforderung. Mein persönliches Konzept ist aber jetzt nicht zu Lamentieren oder wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, sondern etwas zu tun. "
Die Herausforderungen sind tatsächlich groß. Die aktuellen Zahlen sehen gut aus. Doch die Experten sind sich einig - die Wirtschaftskrise wird im Laufe des Jahres 2009 zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen. Denn erste Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Lage verschlechtert. Diese Beobachtung hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise gemacht.
"Wir haben im Oktober schon deutliche Zunahme der Anzeige von Kurzarbeit bekommen. Und flächendeckend gibt es einen Informationsbedarf der Unternehmen nach den Reglungen von Kurzarbeit. "
Die Kurzarbeit ist ein Weg, um qualifizierte Fachkräfte auch in Zeiten ruckläufiger Aufträge zu halten. Aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit geht auch hervor, dass der Anstieg in der Zeitarbeit zum Stillstand gekommen ist. Sollte die Wirtschaft 2009 um ein halbes Prozent schrumpfen, so werden nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kurz IAB, Ende 2009 rund 470.000 Menschen mehr arbeitslos sein als Ende dieses Jahres. Im Jahresdurchschnitt würde die Zahl der Arbeitslosen auf knapp 3,4 Millionen steigen, das wären rund 130.000 mehr als 2008. Zu welchen Veränderungen es auf dem Arbeitsmarkt kommt, wenn die Wirtschaft stärker schrumpft, lässt sich laut IAB nicht seriös vorhersagen, da nicht klar sei, wie die Wirtschaftsakteure ihr Verhalten ändern würden. Andere Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass 2009 zwischen 500.000 und 600.000 Menschen ihren Job verlieren.
Doch etwas ist heute anders ist als früher - in der Boomphase ist auch die Sockelarbeitslosigkeit gesunken. In den vergangenen Jahrzehnten waren auch nach dem stärksten Aufschwung noch mehr Menschen ohne Arbeit als im vorangegangenen Aufschwung. Von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus wuchs ein Sockel nicht vermittelbarer Arbeitsloser.
Heute ist das anders. Die Experten von verschiedenen Wirtschaftsforschungseinrichtungen kommen zu dem Ergebnis: Heute entstehen bei weniger Wachstum mehr neue Jobs als früher. Dieser Meinung ist auch der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Joachim Möller:
"Das aus meiner Sicht entscheidende ist aber, dass durch die Reformen, und die Reformanstrengungen, dieser unselige Mechanismus der Verfestigung von Arbeitslosigkeit, den wir seit Mitte der 70er Jahre beobachtet haben, und der uns eine immer höhere Sockelarbeitslosigkeit beschert hat, dass dieser unselige Mechanismus gebrochen ist. Das gibt Hoffnung darauf, dass das Tief am Arbeitsmarkt nach 2009 bald wieder überwunden sein wird. Es besteht berechtigte Hoffnung darauf, dass der Arbeitsmarkt den kommenden Abschwung besser verkraftet als das früher der Fall gewesen ist. "
Doch wie hat die rot-grüne Regierung den Arbeitsmarkt verändert? Die Unternehmen können ihre Personalplanung flexibler gestalten. Etwa indem sie Leiharbeiter einsetzen dürfen oder leichter befristete Arbeitsverträge schließen können. Den Erwerbslosen sollten die Hartz-Reformen neue Wege in die Beschäftigung weisen. Fördern und fordern lautet das Motto. Doch die Reform dürfte auch zur Lohnzurückhaltung beigetragen haben. Von den Gewerkschaften wurde das beklagt, doch viele Experten sehen das als einen Beitrag zur neuen Jobs.
Anke Hassel ist Arbeitsmarktexpertin und lehrt an der Hertie-School of Governance in Berlin. Auch sie sieht die Reformen positiv.
"Im Vergleich zu der Zeit vor der Hartz-Gesetzgebung hat sich der Arbeitsmarkt hat in der Hinsicht verändert, dass er zum einen flexibler geworden ist, das zielt auf die Zeitarbeit ab, aber auch auf befristete Beschäftigung zum Beispiel. Er ist günstiger geworden insbesondere im Niedriglohn, niedrigqualifizierten Bereich. Aber auch insgesamt, Arbeitskosten sind gesunken im Vergleich zu anderen Ländern. Und er ist aktiviert worden, in dem Sinne, dass die Beschäftigungsquote gestiegen ist, also mehr Menschen sind in den Arbeitsmarkt integriert als vorher. Das alles drei sind günstige Entwicklungen, die uns jetzt auch in der Abschwungphase helfen werden, diejenigen, die ihren Arbeitsplatz jetzt auch verlieren, auch leichter in Arbeit zu bringen. "
Die Politik setzte mit den Arbeitsmarktreformen auch bei den Beratern in den Arbeitsämtern an. Nach einem Skandal um geschönte Vermittlungszahlen wurde die einstige Bundesanstalt für Arbeit umgekrempelt.
Welche der einzelnen Reformen tatsächlich zur Verbesserung der Lage beigetragen haben, ist schwer zu sagen. Doch für die Arbeitsvermittlerin Susanne Date-Oldenburg sind die Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz spürbar. Sie arbeitet in einer Arbeitsagentur und betreut Menschen, die gerade erst ihren Job verloren haben und Arbeitslosengeld I beziehen. Seit der Reform heißen sie hier Kunden. Früher hat Susanne Date-Oldenburg 1100 bis 1200 Leute betreut, heute sind es etwa 300.
"Das was sich verändert hat ist, dass die Kunden, dadurch, dass sie den ersten Kontakt im Servicecenter haben, oder in der Eingangszone haben, dort viele Aufgaben bereits erledigt werden, viele Informationen den Kunden gegeben werden. Das, was früher der Arbeitsvermittler noch mit gemacht hat, er hat Unterlagen mit ausgegeben, die jetzt über das Service-Center verschickt werden oder über die Eingangszone dem Kunden schon mitgegeben werden, so dass der Vermittler im Rahmen einer terminierten Beratung sich wirklich konzentrieren kann auf Fragen, welche Möglichkeiten gibt es, dass derjenige eine neue Beschäftigung möglichst schnell wieder findet und die Arbeitslosigkeit womöglich gar nicht erst eintritt. Deshalb hatte ich ja dann weniger Zeit für den Einzelnen und dass hat sich ja deutlich verändert. Und an ein Gespräch mit einer Stunde als erstes Gespräch, wenn einer zur Arbeitslosmeldung kommt daran kann ich mich nicht erinnern."
Doch bei einigen Reformen, die im Aufschwung zu einem positiven Ausschlag führten, schlägt das Pendel jetzt zurück.
Die ersten Verlierer dieser Krise dürften die Leiharbeiter oder Zeitarbeiter sein. Unternehmen nutzen die Zeitarbeit, um bei Auftragsschwankungen schnell reagieren und Personal einstellen oder auch wieder entlassen zu können.
Die Zeitarbeit hat in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wuchs dieser Markt allein von 2006 auf 2007 um mehr als 60 Prozent. Gerade in den Boomzeiten der deutschen Wirtschaft nutzen Arbeitgeber die flexiblen Möglichkeiten, relativ billig und mit wenig Aufwand Leiharbeiter einzustellen. Doch in Zeiten des Abschwungs kehrt sich diese Flexibilität ins Gegenteil um, in eine schnelle Kündigung.
Die zusätzliche Flexibilität geht in beide Richtungen. Immerhin waren von 1,4 Millionen neuen Stellen, die zwischen 2005 und 2007 entstanden sind, knapp 400.000 in der Leiharbeit. Und die sind besonders gefährdet, wenn die Konjunktur kippt.
Gleichzeitig ist die Leiharbeit aber auch ein Instrument, schlimmere Krisen zu verhindern, da Unternehmen schnell entlassen können. Genauso können sie aber auch bei anziehender Konjunktur wieder schneller einstellen. Nach Ansicht von Experten könne so eine Flaute kürzer währen und die Gefahr, dass die Langzeitarbeitslosigkeit wachse, nehme ab.
Damit Betriebe in schlechten Zeiten nicht gleich ihre Mitarbeiter entlassen müssen, gibt es das Kurzarbeitergeld. Um es den Arbeitgebern zu erleichtern, ihre Mitarbeiter auch in der Krise zu halten wird das Kurzarbeitergeld nicht mehr 12 Monate sondern 18 Monate lang gezahlt werden.
Bei Kurzarbeit wird die Arbeitszeit und damit auch der Lohn der Mitarbeiter verringert. Die Arbeitgeber können so Lohnkosten sparen, ohne entlassen zu müssen. Die Einkommensverluste der Angestellten werden durch das Kurzarbeitergeld zumindest teilweise von der Bundesagentur für Arbeit ausgeglichen.
Die Unternehmen sollen an ihren Beschäftigten festhalten, sagt Bundesarbeitsminister Olaf Scholz
"Das ist jetzt eine konjunkturelle Delle. Viele sagen, das geht nach einem Jahr, nach anderthalb Jahren vielleicht wieder ordentlich weiter. Und deshalb werden wir das Kurzarbeitergeld für 18 Monate zahlen. Wenn ein Unternehmen für einen Teil seiner Beschäftigten nichts zu tun hat, sie aber nicht entlässt, dann helfen wir ihnen dabei, vielleicht kann man das noch kombinieren, indem man statt zu entlassen qualifiziert."
Das Ziel der Bundesregierung ist es, Menschen mit zusätzlicher Qualifikation in den Betrieben zu belassen und Kostenentlastungen für die Bundesagentur für Arbeit zu erreichen Sie verwiest auf überaus positive Erfahrungen in den vergangenen drei Jahren mit dem Saison-Kurzarbeitergeld am Bau während der Wintermonate: Damit habe die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen um 35 Prozent gesenkt werden können, zugleich sei die Bundesagentur in dieser Zeit um 321 Millionen Euro entlastet worden.
Die Zahl der Kurzarbeiter hat sich zuletzt stark erhöht. Im November gingen laut BA 165 000 Anzeigen auf Kurzarbeit ein. Für 135 000 Beschäftigte und damit die übergroße Mehrheit wurde die Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen angeordnet, beim Rest aus saisonalen Gründen.
Für das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung wird darüber nachgedacht, das Kurzarbeitergeld für die Arbeitgeber attraktiver zu machen. Sie sollen bei den Sozialabgaben der Beschäftigten in Kurzarbeit um die Hälfte entlastet werden.
Die Bundesagentur für Arbeit stand in den letzten Jahren finanziell sehr gut da und vermeldete stets Überschüsse. Für 2009 sieht das anders aus. Die Behörde rechnet mit einem Haushaltsdefizit. Die Konjunkturflaute schlägt zu Buche. Denn wenn weniger Menschen Arbeit haben, gibt es weniger Beitragszahler. Hinzu kommt, dass die Ausgaben steigen - zum Beispiel für Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Ein weiterer Grund: Der Arbeitslosenbeitrag sinkt im kommenden Jahr. Das soll zu einer Entlastung der Arbeitnehmer und der Arbeitsgeber bei den Sozialabgaben führen. Doch es ist ein Nullsummenspiel, denn der Beitrag zur Krankenversicherung steigt.
Doch Peter Clever, Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit ist zuversichtlich. Er sagte im Deutschlandfunk:
"Wir gehen mit 16 Milliarden Rücklage in diesen Abschwung hinein, das hat es noch nie gegeben, die Bundesagentur ist handlungsfähig. Sie kann natürlich nicht einen großen Konjunktureinbruch verhindern, aber sie kann ihre Möglichkeiten aktiv gegenzusteuern nutzen. "
Trotz der erwarteten niedrigen Einnahmen seien die Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit deutlich aufgestockt worden, Annelie Buntenbach, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund im Verwaltungsrat sitzt, warnt jedoch vor Risiken des Haushaltes
"Die viel zu starke Beitragssatzsenkung, die nun gerade in einer Abschwungphase die Risiken für den Haushalt der Bundesagentur noch mal erhöht."
Auf die Bundesagentur könnten noch viel mehr zukommen, wenn die Arbeitslosigkeit deutlich steigt. Der Arbeitsmarkt steht nach der Ansicht von Experten zwar günstiger da als vor anderen Abschwung-Phasen. Das sieht auch Anke Hassel von der Hertie School of Governance so. Doch eine Schwachstelle gibt es ihrer Ansicht nach: die Weiterbildung. Da sei auch durch die Arbeitsmarktreformen zu wenig in Gang gekommen.
"Die Wirtschaft entwickelt sich ja weiter. Und auch die Anforderungen an die einzelnen Arbeitnehmer steigen ja tendenziell weiter. Und gleichzeitig haben wir immer einen immer größer werdenden Pool von Arbeitnehmern, die sehr gering qualifiziert sind. Und diese Kluft tut sich eben weiter auf. Und diese Gruppe von Arbeitnehmern wird immer schwieriger in Beschäftigung zu bringen sein. Das ist ein strukturelles Problem. Das hatten wir auch vor den Hartz-Gesetzen schon, dass hatten wir auch vor der Rezession. Aber mit jeder Rezession und dem wirtschaftlichen Abschwung wird sich dieses Problem weiter verschärfen. "
Dieses Problem hat auch die Regierung erkannt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat durchgesetzte, dass Arbeitslosen künftig ihren Hauptschulabschluss nachzuholen können. Das soll von den Arbeitsämtern gefördert werden.
"Damit sind nicht alle Probleme gelöst. Aber da fast alle der Arbeitslosen die keinen Schulabschluss haben auch zu den Langzeitarbeitslosen gehören muss ich ja etwas tun, da kann ich nicht einfach daneben stehen. Das gleiche gilt für die Frage was ist mit der beruflichen Qualifikation. Gerade im Hinblick auf die Langzeitarbeitslosigkeit wissen wir, die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen hat keinen beruflichen Abschluss. Das müssen wir ändern. Ich glaube, die Berufsausbildung, die duale, die Lehre, das ist die wichtigste Ausbildung in Deutschland. Und wenn wir da voran kommen. Wenn wir dafür sorgen, dass 60, 70 Prozent unserer Bevölkerung auch in Zukunft mit dieser Ausbildung auf den Arbeitsmarkt gehen und die anderen dann vielleicht noch ein Hochschulstudium haben, dann werden wir auch in der Zukunft gut zurecht kommen. "
Der stellvertretende Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Ulrich Walwei warnt zudem vor den Folgen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt. In den nächsten Jahren werden immer mehr gut qualifizierte Ältere in Rente gehen. Die Wirtschaftskrise überdecke gerade die längerfristigen Herausforderungen.
"Dass eigentlich aufgrund dieser beiden Dinge, demografischer Ersatzbedarf und steigende Qualifikationsanforderungen so etwas wie ein Qualifikations- oder Bildungsruck durch´s Land gehen müsste. Und leider können wir das in unseren Analysen so nicht feststellen. Es zeigen sich lediglich ein leichter Anstieg bei den immer stärker benötigten Akademikern und ein nur sehr geringer Rückgang bei den immer weniger benötigten Geringqualifizierten. Und was daraus folgt ist aus unserer Sicht heute schon klar. Beim nächsten Aufschwung, über den wir im Moment noch nicht reden, der aber bestimmt kommen wird, wachsen zunächst sichtbare Probleme weiter. Einerseits wird es dann für die Betriebe noch schwerer gut qualifizierte Arbeitskräfte einzustellen und für Geringqualifizierte wird es sicher nicht leichter einen Arbeitsplatz zu finden. "
Die Lösung sieht er nicht nur in der universitären und der betrieblichen Ausbildung und in der Organisation der Weiterbildung im Allgemeinen. Auch die frühkindliche Bildung müsse verbessert werden. Nur so könnten die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden.
Noch einmal Olaf Scholz:
"2015 haben wir zwei Alternativen. Die eine Alternative ist, wir haben genügend Fachkräfte und fast keine Arbeitslosigkeit. Schon wegen der demographischen Entwicklung wird es uns immer mehr an Fachkräften fehlen. Und die andere Alternative ist, wir haben nicht genug Fachkräfte und haben gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit und können die, die arbeitssuchend sind nicht auf die Arbeitsplätze, die da sind, vermitteln. Und was ich auch ganz wichtig finde, gerade unter Weiterbildung und Qualifizierungsgesichtspunkten: Wir müssen unsere Universitäten öffnen, für diejenigen, die einen Meister haben, die Techniker sind, die eine Berufsausbildung gemacht haben und ein paar Jahre Berufserfahrung haben. Weil das sind wahrscheinlich viel mehr chancenreiche Kandidaten für die fehlenden Ingenieursstudienplätze als manche andere. "
Peter Clever aus dem Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit warnt davor, zu schwarz zu sehen und darüber die Qualifikation und Weiterbildung zu vergessen.
" Ich glaube, weil der Erfolg, der jetzt hinter uns liegenden sehr guten Konjunktur ja auch mit einem Fachkräftemangel einherging, die Unternehmen ja sehr schmerzlich gespürt haben, ziehe ich daraus die Hoffnung, dass Unternehmen alles tun werden sich nicht vorschnell von Arbeitskräften zu trennen, weil sie wissen wie teuer es ist wieder die benötigten im Aufschwung wieder zu bekommen. Deshalb plädiere ich dafür jetzt im beginnenden Abschwung auch schon an den sicher wieder kommenden Aufschwung zu denken."
Ob die Experten Recht behalten, und der Arbeitsmarkt tatsächlich besser für den Abschwung gerüstet ist als früher - das wird sich im Laufe des nächsten Jahres in der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg nachprüfen lassen. Spätestens dann, wenn der Chef Frank-Jürgen Weise Monat für Monat vor die Presse tritt und die neusten Arbeitsmarktzahlen verkündet.
So viel Freude dürfte lange kein Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit mehr gehabt haben, wie der derzeitige, Frank-Jürgen Weise. Monat für Monat kann er in Nürnberg vor die Presse treten und sinkende Arbeitslosenzahlen vermelden. Im Oktober fiel die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sogar erstmals seit 16 Jahren unter die Marke von drei Millionen. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die Krisenmeldungen aus der Wirtschaft häufen. Auch einen Monat später, im November, verkündete Weise gute Nachrichten. Es waren noch einmal 8000 weniger Menschen ohne Arbeit als im Vormonat.
Ortswechsel. Arbeitsagentur Berlin-Mitte. Auch hier ist von den aufgeregten Diskussionen um Konjunkturflaute und Stellenabbau nichts zu spüren. Die Wirtschaftskrise produziert keine Bilder - noch nicht. Lange Schlangen vor den Arbeitsämtern - Fehlanzeige. Die Arbeitsvermittlerin Susanne Date-Oldenburg arbeitet hier seit 12 Jahren. Ungewöhnliche Abläufe kann sie zur Zeit nicht feststellen.
"Wir haben zur Zeit noch keine besonderen Anzeichen, sondern es ist saisonal bedingt, dass zum Jahreswechsel viele befristete Verträge erst einmal davor stehen, ob es Möglichkeiten einer weiteren Beschäftigung gibt und diejenigen sich dann entsprechend ihrer Verpflichtung, sich rechtzeitig hier zu melden, melden. "
Die Zahlen der Bundesagentur und die Meldungen von sinkenden Börsenkursen, taumelnden Autoherstellern und einer Krise der Weltwirtschaft klaffen auseinander. Der Grund dafür ist einfach. Der Arbeitsmarkt ist ein sogenannter nachlaufender Indikator. Die guten Zahlen, die jetzt in jedem Monat veröffentlicht werden, gehen noch auf den gerade zu Ende gegangenen Aufschwung zurück. Viele Experten sehen darin auch einen Erfolg der Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung. Dieser Meinung ist auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die so genannten Wirtschaftsweisen. Der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup ist der Vorsitzende des Rates und er beurteilt die Arbeitsmarktlage so
"In der Vergangenheit haben wir in der Tat massive Arbeitsmarktprobleme gehabt, die aber weniger konjunktureller Natur waren, denen deshalb mit Strukturmaßnahmen begegnet werden muss. Und das ist erfolgreich gewesen. Ich denke schon, dass die gegenwärtige Regierung was die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angeht, die Früchte der Reform der letzten Jahre also erntet. "
Die Empfehlung der Sachverständigen: die Reformpolitik fortsetzen. Das hört der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister Olaf Scholz gerne. Dessen sozialdemokratische Vorgänger haben die Reformen auch gegen massiven Widerstand aus den eigenen Reihen durchgesetzt.
"Durch die Reformen, die wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, haben wir immerhin es ja schon geschafft, dass die Arbeitslosigkeit nicht erst dann zurück geht, wenn das Wirtschaftswachstum über zwei Prozent liegt. Wie weit wir es voran gebracht habe, dass kann man natürlich nicht sagen, wenn es jetzt um ein Wachstum nahe Null geht, dann ist das ganz bestimmt eine große Herausforderung. Mein persönliches Konzept ist aber jetzt nicht zu Lamentieren oder wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, sondern etwas zu tun. "
Die Herausforderungen sind tatsächlich groß. Die aktuellen Zahlen sehen gut aus. Doch die Experten sind sich einig - die Wirtschaftskrise wird im Laufe des Jahres 2009 zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen. Denn erste Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Lage verschlechtert. Diese Beobachtung hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise gemacht.
"Wir haben im Oktober schon deutliche Zunahme der Anzeige von Kurzarbeit bekommen. Und flächendeckend gibt es einen Informationsbedarf der Unternehmen nach den Reglungen von Kurzarbeit. "
Die Kurzarbeit ist ein Weg, um qualifizierte Fachkräfte auch in Zeiten ruckläufiger Aufträge zu halten. Aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit geht auch hervor, dass der Anstieg in der Zeitarbeit zum Stillstand gekommen ist. Sollte die Wirtschaft 2009 um ein halbes Prozent schrumpfen, so werden nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kurz IAB, Ende 2009 rund 470.000 Menschen mehr arbeitslos sein als Ende dieses Jahres. Im Jahresdurchschnitt würde die Zahl der Arbeitslosen auf knapp 3,4 Millionen steigen, das wären rund 130.000 mehr als 2008. Zu welchen Veränderungen es auf dem Arbeitsmarkt kommt, wenn die Wirtschaft stärker schrumpft, lässt sich laut IAB nicht seriös vorhersagen, da nicht klar sei, wie die Wirtschaftsakteure ihr Verhalten ändern würden. Andere Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass 2009 zwischen 500.000 und 600.000 Menschen ihren Job verlieren.
Doch etwas ist heute anders ist als früher - in der Boomphase ist auch die Sockelarbeitslosigkeit gesunken. In den vergangenen Jahrzehnten waren auch nach dem stärksten Aufschwung noch mehr Menschen ohne Arbeit als im vorangegangenen Aufschwung. Von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus wuchs ein Sockel nicht vermittelbarer Arbeitsloser.
Heute ist das anders. Die Experten von verschiedenen Wirtschaftsforschungseinrichtungen kommen zu dem Ergebnis: Heute entstehen bei weniger Wachstum mehr neue Jobs als früher. Dieser Meinung ist auch der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Joachim Möller:
"Das aus meiner Sicht entscheidende ist aber, dass durch die Reformen, und die Reformanstrengungen, dieser unselige Mechanismus der Verfestigung von Arbeitslosigkeit, den wir seit Mitte der 70er Jahre beobachtet haben, und der uns eine immer höhere Sockelarbeitslosigkeit beschert hat, dass dieser unselige Mechanismus gebrochen ist. Das gibt Hoffnung darauf, dass das Tief am Arbeitsmarkt nach 2009 bald wieder überwunden sein wird. Es besteht berechtigte Hoffnung darauf, dass der Arbeitsmarkt den kommenden Abschwung besser verkraftet als das früher der Fall gewesen ist. "
Doch wie hat die rot-grüne Regierung den Arbeitsmarkt verändert? Die Unternehmen können ihre Personalplanung flexibler gestalten. Etwa indem sie Leiharbeiter einsetzen dürfen oder leichter befristete Arbeitsverträge schließen können. Den Erwerbslosen sollten die Hartz-Reformen neue Wege in die Beschäftigung weisen. Fördern und fordern lautet das Motto. Doch die Reform dürfte auch zur Lohnzurückhaltung beigetragen haben. Von den Gewerkschaften wurde das beklagt, doch viele Experten sehen das als einen Beitrag zur neuen Jobs.
Anke Hassel ist Arbeitsmarktexpertin und lehrt an der Hertie-School of Governance in Berlin. Auch sie sieht die Reformen positiv.
"Im Vergleich zu der Zeit vor der Hartz-Gesetzgebung hat sich der Arbeitsmarkt hat in der Hinsicht verändert, dass er zum einen flexibler geworden ist, das zielt auf die Zeitarbeit ab, aber auch auf befristete Beschäftigung zum Beispiel. Er ist günstiger geworden insbesondere im Niedriglohn, niedrigqualifizierten Bereich. Aber auch insgesamt, Arbeitskosten sind gesunken im Vergleich zu anderen Ländern. Und er ist aktiviert worden, in dem Sinne, dass die Beschäftigungsquote gestiegen ist, also mehr Menschen sind in den Arbeitsmarkt integriert als vorher. Das alles drei sind günstige Entwicklungen, die uns jetzt auch in der Abschwungphase helfen werden, diejenigen, die ihren Arbeitsplatz jetzt auch verlieren, auch leichter in Arbeit zu bringen. "
Die Politik setzte mit den Arbeitsmarktreformen auch bei den Beratern in den Arbeitsämtern an. Nach einem Skandal um geschönte Vermittlungszahlen wurde die einstige Bundesanstalt für Arbeit umgekrempelt.
Welche der einzelnen Reformen tatsächlich zur Verbesserung der Lage beigetragen haben, ist schwer zu sagen. Doch für die Arbeitsvermittlerin Susanne Date-Oldenburg sind die Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz spürbar. Sie arbeitet in einer Arbeitsagentur und betreut Menschen, die gerade erst ihren Job verloren haben und Arbeitslosengeld I beziehen. Seit der Reform heißen sie hier Kunden. Früher hat Susanne Date-Oldenburg 1100 bis 1200 Leute betreut, heute sind es etwa 300.
"Das was sich verändert hat ist, dass die Kunden, dadurch, dass sie den ersten Kontakt im Servicecenter haben, oder in der Eingangszone haben, dort viele Aufgaben bereits erledigt werden, viele Informationen den Kunden gegeben werden. Das, was früher der Arbeitsvermittler noch mit gemacht hat, er hat Unterlagen mit ausgegeben, die jetzt über das Service-Center verschickt werden oder über die Eingangszone dem Kunden schon mitgegeben werden, so dass der Vermittler im Rahmen einer terminierten Beratung sich wirklich konzentrieren kann auf Fragen, welche Möglichkeiten gibt es, dass derjenige eine neue Beschäftigung möglichst schnell wieder findet und die Arbeitslosigkeit womöglich gar nicht erst eintritt. Deshalb hatte ich ja dann weniger Zeit für den Einzelnen und dass hat sich ja deutlich verändert. Und an ein Gespräch mit einer Stunde als erstes Gespräch, wenn einer zur Arbeitslosmeldung kommt daran kann ich mich nicht erinnern."
Doch bei einigen Reformen, die im Aufschwung zu einem positiven Ausschlag führten, schlägt das Pendel jetzt zurück.
Die ersten Verlierer dieser Krise dürften die Leiharbeiter oder Zeitarbeiter sein. Unternehmen nutzen die Zeitarbeit, um bei Auftragsschwankungen schnell reagieren und Personal einstellen oder auch wieder entlassen zu können.
Die Zeitarbeit hat in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wuchs dieser Markt allein von 2006 auf 2007 um mehr als 60 Prozent. Gerade in den Boomzeiten der deutschen Wirtschaft nutzen Arbeitgeber die flexiblen Möglichkeiten, relativ billig und mit wenig Aufwand Leiharbeiter einzustellen. Doch in Zeiten des Abschwungs kehrt sich diese Flexibilität ins Gegenteil um, in eine schnelle Kündigung.
Die zusätzliche Flexibilität geht in beide Richtungen. Immerhin waren von 1,4 Millionen neuen Stellen, die zwischen 2005 und 2007 entstanden sind, knapp 400.000 in der Leiharbeit. Und die sind besonders gefährdet, wenn die Konjunktur kippt.
Gleichzeitig ist die Leiharbeit aber auch ein Instrument, schlimmere Krisen zu verhindern, da Unternehmen schnell entlassen können. Genauso können sie aber auch bei anziehender Konjunktur wieder schneller einstellen. Nach Ansicht von Experten könne so eine Flaute kürzer währen und die Gefahr, dass die Langzeitarbeitslosigkeit wachse, nehme ab.
Damit Betriebe in schlechten Zeiten nicht gleich ihre Mitarbeiter entlassen müssen, gibt es das Kurzarbeitergeld. Um es den Arbeitgebern zu erleichtern, ihre Mitarbeiter auch in der Krise zu halten wird das Kurzarbeitergeld nicht mehr 12 Monate sondern 18 Monate lang gezahlt werden.
Bei Kurzarbeit wird die Arbeitszeit und damit auch der Lohn der Mitarbeiter verringert. Die Arbeitgeber können so Lohnkosten sparen, ohne entlassen zu müssen. Die Einkommensverluste der Angestellten werden durch das Kurzarbeitergeld zumindest teilweise von der Bundesagentur für Arbeit ausgeglichen.
Die Unternehmen sollen an ihren Beschäftigten festhalten, sagt Bundesarbeitsminister Olaf Scholz
"Das ist jetzt eine konjunkturelle Delle. Viele sagen, das geht nach einem Jahr, nach anderthalb Jahren vielleicht wieder ordentlich weiter. Und deshalb werden wir das Kurzarbeitergeld für 18 Monate zahlen. Wenn ein Unternehmen für einen Teil seiner Beschäftigten nichts zu tun hat, sie aber nicht entlässt, dann helfen wir ihnen dabei, vielleicht kann man das noch kombinieren, indem man statt zu entlassen qualifiziert."
Das Ziel der Bundesregierung ist es, Menschen mit zusätzlicher Qualifikation in den Betrieben zu belassen und Kostenentlastungen für die Bundesagentur für Arbeit zu erreichen Sie verwiest auf überaus positive Erfahrungen in den vergangenen drei Jahren mit dem Saison-Kurzarbeitergeld am Bau während der Wintermonate: Damit habe die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen um 35 Prozent gesenkt werden können, zugleich sei die Bundesagentur in dieser Zeit um 321 Millionen Euro entlastet worden.
Die Zahl der Kurzarbeiter hat sich zuletzt stark erhöht. Im November gingen laut BA 165 000 Anzeigen auf Kurzarbeit ein. Für 135 000 Beschäftigte und damit die übergroße Mehrheit wurde die Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen angeordnet, beim Rest aus saisonalen Gründen.
Für das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung wird darüber nachgedacht, das Kurzarbeitergeld für die Arbeitgeber attraktiver zu machen. Sie sollen bei den Sozialabgaben der Beschäftigten in Kurzarbeit um die Hälfte entlastet werden.
Die Bundesagentur für Arbeit stand in den letzten Jahren finanziell sehr gut da und vermeldete stets Überschüsse. Für 2009 sieht das anders aus. Die Behörde rechnet mit einem Haushaltsdefizit. Die Konjunkturflaute schlägt zu Buche. Denn wenn weniger Menschen Arbeit haben, gibt es weniger Beitragszahler. Hinzu kommt, dass die Ausgaben steigen - zum Beispiel für Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Ein weiterer Grund: Der Arbeitslosenbeitrag sinkt im kommenden Jahr. Das soll zu einer Entlastung der Arbeitnehmer und der Arbeitsgeber bei den Sozialabgaben führen. Doch es ist ein Nullsummenspiel, denn der Beitrag zur Krankenversicherung steigt.
Doch Peter Clever, Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit ist zuversichtlich. Er sagte im Deutschlandfunk:
"Wir gehen mit 16 Milliarden Rücklage in diesen Abschwung hinein, das hat es noch nie gegeben, die Bundesagentur ist handlungsfähig. Sie kann natürlich nicht einen großen Konjunktureinbruch verhindern, aber sie kann ihre Möglichkeiten aktiv gegenzusteuern nutzen. "
Trotz der erwarteten niedrigen Einnahmen seien die Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit deutlich aufgestockt worden, Annelie Buntenbach, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund im Verwaltungsrat sitzt, warnt jedoch vor Risiken des Haushaltes
"Die viel zu starke Beitragssatzsenkung, die nun gerade in einer Abschwungphase die Risiken für den Haushalt der Bundesagentur noch mal erhöht."
Auf die Bundesagentur könnten noch viel mehr zukommen, wenn die Arbeitslosigkeit deutlich steigt. Der Arbeitsmarkt steht nach der Ansicht von Experten zwar günstiger da als vor anderen Abschwung-Phasen. Das sieht auch Anke Hassel von der Hertie School of Governance so. Doch eine Schwachstelle gibt es ihrer Ansicht nach: die Weiterbildung. Da sei auch durch die Arbeitsmarktreformen zu wenig in Gang gekommen.
"Die Wirtschaft entwickelt sich ja weiter. Und auch die Anforderungen an die einzelnen Arbeitnehmer steigen ja tendenziell weiter. Und gleichzeitig haben wir immer einen immer größer werdenden Pool von Arbeitnehmern, die sehr gering qualifiziert sind. Und diese Kluft tut sich eben weiter auf. Und diese Gruppe von Arbeitnehmern wird immer schwieriger in Beschäftigung zu bringen sein. Das ist ein strukturelles Problem. Das hatten wir auch vor den Hartz-Gesetzen schon, dass hatten wir auch vor der Rezession. Aber mit jeder Rezession und dem wirtschaftlichen Abschwung wird sich dieses Problem weiter verschärfen. "
Dieses Problem hat auch die Regierung erkannt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat durchgesetzte, dass Arbeitslosen künftig ihren Hauptschulabschluss nachzuholen können. Das soll von den Arbeitsämtern gefördert werden.
"Damit sind nicht alle Probleme gelöst. Aber da fast alle der Arbeitslosen die keinen Schulabschluss haben auch zu den Langzeitarbeitslosen gehören muss ich ja etwas tun, da kann ich nicht einfach daneben stehen. Das gleiche gilt für die Frage was ist mit der beruflichen Qualifikation. Gerade im Hinblick auf die Langzeitarbeitslosigkeit wissen wir, die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen hat keinen beruflichen Abschluss. Das müssen wir ändern. Ich glaube, die Berufsausbildung, die duale, die Lehre, das ist die wichtigste Ausbildung in Deutschland. Und wenn wir da voran kommen. Wenn wir dafür sorgen, dass 60, 70 Prozent unserer Bevölkerung auch in Zukunft mit dieser Ausbildung auf den Arbeitsmarkt gehen und die anderen dann vielleicht noch ein Hochschulstudium haben, dann werden wir auch in der Zukunft gut zurecht kommen. "
Der stellvertretende Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Ulrich Walwei warnt zudem vor den Folgen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt. In den nächsten Jahren werden immer mehr gut qualifizierte Ältere in Rente gehen. Die Wirtschaftskrise überdecke gerade die längerfristigen Herausforderungen.
"Dass eigentlich aufgrund dieser beiden Dinge, demografischer Ersatzbedarf und steigende Qualifikationsanforderungen so etwas wie ein Qualifikations- oder Bildungsruck durch´s Land gehen müsste. Und leider können wir das in unseren Analysen so nicht feststellen. Es zeigen sich lediglich ein leichter Anstieg bei den immer stärker benötigten Akademikern und ein nur sehr geringer Rückgang bei den immer weniger benötigten Geringqualifizierten. Und was daraus folgt ist aus unserer Sicht heute schon klar. Beim nächsten Aufschwung, über den wir im Moment noch nicht reden, der aber bestimmt kommen wird, wachsen zunächst sichtbare Probleme weiter. Einerseits wird es dann für die Betriebe noch schwerer gut qualifizierte Arbeitskräfte einzustellen und für Geringqualifizierte wird es sicher nicht leichter einen Arbeitsplatz zu finden. "
Die Lösung sieht er nicht nur in der universitären und der betrieblichen Ausbildung und in der Organisation der Weiterbildung im Allgemeinen. Auch die frühkindliche Bildung müsse verbessert werden. Nur so könnten die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden.
Noch einmal Olaf Scholz:
"2015 haben wir zwei Alternativen. Die eine Alternative ist, wir haben genügend Fachkräfte und fast keine Arbeitslosigkeit. Schon wegen der demographischen Entwicklung wird es uns immer mehr an Fachkräften fehlen. Und die andere Alternative ist, wir haben nicht genug Fachkräfte und haben gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit und können die, die arbeitssuchend sind nicht auf die Arbeitsplätze, die da sind, vermitteln. Und was ich auch ganz wichtig finde, gerade unter Weiterbildung und Qualifizierungsgesichtspunkten: Wir müssen unsere Universitäten öffnen, für diejenigen, die einen Meister haben, die Techniker sind, die eine Berufsausbildung gemacht haben und ein paar Jahre Berufserfahrung haben. Weil das sind wahrscheinlich viel mehr chancenreiche Kandidaten für die fehlenden Ingenieursstudienplätze als manche andere. "
Peter Clever aus dem Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit warnt davor, zu schwarz zu sehen und darüber die Qualifikation und Weiterbildung zu vergessen.
" Ich glaube, weil der Erfolg, der jetzt hinter uns liegenden sehr guten Konjunktur ja auch mit einem Fachkräftemangel einherging, die Unternehmen ja sehr schmerzlich gespürt haben, ziehe ich daraus die Hoffnung, dass Unternehmen alles tun werden sich nicht vorschnell von Arbeitskräften zu trennen, weil sie wissen wie teuer es ist wieder die benötigten im Aufschwung wieder zu bekommen. Deshalb plädiere ich dafür jetzt im beginnenden Abschwung auch schon an den sicher wieder kommenden Aufschwung zu denken."
Ob die Experten Recht behalten, und der Arbeitsmarkt tatsächlich besser für den Abschwung gerüstet ist als früher - das wird sich im Laufe des nächsten Jahres in der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg nachprüfen lassen. Spätestens dann, wenn der Chef Frank-Jürgen Weise Monat für Monat vor die Presse tritt und die neusten Arbeitsmarktzahlen verkündet.