" Ich bin zwei Jahre oder so nicht zur Schule gegangen, ich kann nicht gut schreiben. Ich hab ein Problem. Ich kann nicht so gut reden, zwei Probleme. "
Erhan Keskin (Name von der Red. geändert) aus der werkpädagogischen Steinmetzklasse des Pestalozzi-Fröbel-Projektes ist 17 Jahre alt. Seit acht Wochen besucht er wieder regelmäßig einen Unterricht. Für den türkischstämmigen Jugendlichen ist das eine kleine Revolution.
" In der 5. Klasse hat es angefangen bei mir, wo ich - Dings - war. Wissen Sie? Ich bin sitzen geblieben, ich hatte kein Bock mehr auf Schule. Meine Lehrerin hat gesagt, er ist so schlecht geworden. Danach hatte ich keinen Bock mehr, einfach, ich hab einfach geschwänzt. "
Wie viele Schulverweigerer scheiterte Erhan am Übertritt zur Oberschule. Sein schulisches Wissen endet auf dem Stand eines Grundschülers, wie er selbst sagt. Nie hat er sich im Unterricht motiviert gefühlt, nie einen Erfolg erlebt. Er will keinem die Schuld daran geben, sich selbst aber auch nicht.
Einmal abgeschrieben, immer abgeschrieben, so einfach lautet die Botschaft, mit der er sich lange abgefunden hat. Seine Schullaufbahn führte ihn auf verschiedene Hauptschulen in Kreuzberg, seine Erfahrungen dort waren nicht besser:
" In meiner alten Schule gab es - Dings - Kiffer, Heroinsüchtige, Dealer, alles, alles, was Sie suchen. Deswegen, ich hatte keinen Bock auf diese Schule. Was soll ich auf dieser Schule, wenn ich mitmache bei denen, dann werde ich auch Heroin nehmen, alles. Kiffen, das ist scheiße für mich, deswegen haben wir geschwänzt. "
Auch wenn Erhan, der seine schwarzen Haare nach hinten gelt, gern den coolen Typen gibt, stolz ist er nicht auf sein Verhalten. Hinter der abgebrühten Fassade steckt ein verletzter Jugendlicher, der seine Geschichte gern loswerden will. Doch das Reden strengt ihn an. Ihm fehlt der Wortschatz, oft sucht er nach dem richtigen Ausdruck. Jetzt wünscht er, er hätte mehr gelernt. Stattdessen trieb er sich mit Freunden in Cafes rum oder stand sinnlos vor anderen Schulen.
" Manchmal hat's Spaß gemacht, aber es war behindert von uns. Draußen jeden Tag rumhängen, in dieser Kälte. Hier sind wir drinnen, warm. Zu Hause kein Stress. "
Erhan wohnt bei seinen Eltern. Sie kamen in den 70er Jahren aus einem Dorf nahe Istanbul nach Deutschland. Sein Vater, sagt er, kann kein Deutsch, seine Mutter versteht es, spricht es aber kaum. Sie betreiben einen kleinen Markstand in Kreuzberg.
" Mein Vater sagt: Hier, siehst du nicht, wie wir arbeiten? Mach deine Schule, dann wirst du vielleicht besser. "
Als sie vom Schuleschwänzen ihres Sohnes erfuhren, gab es Ärger:
" Die haben mich angeschrieen, kein Geld gegeben, was noch? Keine Ahnung. Brief ist jeden Tag nach Hause gekommen, ich hab's Brief immer geklaut, vom Briefkasten, ja, das war scheiße. "
Genutzt hat das alles nichts. Die alte Schule rief telefonisch zu Hause an, die Eltern waren trotz Drohungen machtlos. "Was würden Sie tun, wenn ihr Kind schwänzt?" Eltern von Schulkindern antworten:
" Handeln, ganz schnell, nicht wegschauen, handeln. Ich glaube auch, da hilft jetzt nicht, wenn man da mit Strenge reagiert, oder mit Verboten reagiert. "
" Na, erstmal auf jeden Fall ein Gespräch suchen und dann sie (erstmal) von den Freunden wegholen. Und sie morgens hinbringen, nachmittags abholen. Also würde ich mir nicht gefallen lassen. "
" Also, mit meinen Kindern würde ich erstmal ein verdammt ernstes Gespräch führen, wie, was, wo und welche Gründe das hat. Es muss ja ein Grund da sein. Und dann die Probleme versuchen zu lösen, auf eine vernünftige Art und Weise. "
" Wenn ich es rauskriege - wenn sie mich spätestens nach drei Tagen von der Schule angerufen haben - dann hinten eins drüber und am Schlafittchen selbst hingebracht. Und das machen wir so lange bis es wieder funktioniert. "
Was scheinbar einfach klingt, ist in der Realität schwierig. Oft liegen die Ursachen in der Familie mitbegründet, weshalb Eltern von Schulschwänzern nicht gerne reden. Sie fühlen sich hilflos, schuldig, schämen sich, dass ihr Kind die Schule nicht packt. Oder sie sind, wie in Erhans Familie, selbst vollkommen überfordert mit dem eigenen Leben. Wie viele unterschiedliche Ursachen Schuldistanz hat, erfährt Schulleiter Karl Antony vom Pestalozzi-Fröbel-Haus täglich:
" Viele unserer Schüler hatten in ihrer Familie Belastungen erlebt, die sie als so stark empfunden haben, dass sie wenig Kraft für die Schule hatten. Dass sie sich da nicht mehr konzentrieren konnten, unruhig wurden. Es gibt auch Schüler, die haben in der Schule Konflikte erlebt - teilweise mit Lehrern, teilweise mit anderen Schülern -, so dass sie sich halt mehr und mehr zurückgezogen haben und vielleicht im Freundeskreis die Sachen gemacht haben, die ihnen dann mehr Zufriedenheit gegeben haben. "
Gemeinsam ist fast allen Schulschwänzern, dass jemand fehlt, der ihnen wieder einen Wert und Sinn vermittelt und sie unterstützt. Die Schule des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, in die Erhan geht, will das leisten. Er ist Realist, was seine Ziele angeht. Natürlich will er einmal viel Geld verdienen, zuerst einmal aber gut Reden und Schreiben lernen. Hier macht er den Anfang:
Erhan: " Ich komm zur Schule, das habe ich gelernt, das andere kommt noch. "
Erhan Keskin (Name von der Red. geändert) aus der werkpädagogischen Steinmetzklasse des Pestalozzi-Fröbel-Projektes ist 17 Jahre alt. Seit acht Wochen besucht er wieder regelmäßig einen Unterricht. Für den türkischstämmigen Jugendlichen ist das eine kleine Revolution.
" In der 5. Klasse hat es angefangen bei mir, wo ich - Dings - war. Wissen Sie? Ich bin sitzen geblieben, ich hatte kein Bock mehr auf Schule. Meine Lehrerin hat gesagt, er ist so schlecht geworden. Danach hatte ich keinen Bock mehr, einfach, ich hab einfach geschwänzt. "
Wie viele Schulverweigerer scheiterte Erhan am Übertritt zur Oberschule. Sein schulisches Wissen endet auf dem Stand eines Grundschülers, wie er selbst sagt. Nie hat er sich im Unterricht motiviert gefühlt, nie einen Erfolg erlebt. Er will keinem die Schuld daran geben, sich selbst aber auch nicht.
Einmal abgeschrieben, immer abgeschrieben, so einfach lautet die Botschaft, mit der er sich lange abgefunden hat. Seine Schullaufbahn führte ihn auf verschiedene Hauptschulen in Kreuzberg, seine Erfahrungen dort waren nicht besser:
" In meiner alten Schule gab es - Dings - Kiffer, Heroinsüchtige, Dealer, alles, alles, was Sie suchen. Deswegen, ich hatte keinen Bock auf diese Schule. Was soll ich auf dieser Schule, wenn ich mitmache bei denen, dann werde ich auch Heroin nehmen, alles. Kiffen, das ist scheiße für mich, deswegen haben wir geschwänzt. "
Auch wenn Erhan, der seine schwarzen Haare nach hinten gelt, gern den coolen Typen gibt, stolz ist er nicht auf sein Verhalten. Hinter der abgebrühten Fassade steckt ein verletzter Jugendlicher, der seine Geschichte gern loswerden will. Doch das Reden strengt ihn an. Ihm fehlt der Wortschatz, oft sucht er nach dem richtigen Ausdruck. Jetzt wünscht er, er hätte mehr gelernt. Stattdessen trieb er sich mit Freunden in Cafes rum oder stand sinnlos vor anderen Schulen.
" Manchmal hat's Spaß gemacht, aber es war behindert von uns. Draußen jeden Tag rumhängen, in dieser Kälte. Hier sind wir drinnen, warm. Zu Hause kein Stress. "
Erhan wohnt bei seinen Eltern. Sie kamen in den 70er Jahren aus einem Dorf nahe Istanbul nach Deutschland. Sein Vater, sagt er, kann kein Deutsch, seine Mutter versteht es, spricht es aber kaum. Sie betreiben einen kleinen Markstand in Kreuzberg.
" Mein Vater sagt: Hier, siehst du nicht, wie wir arbeiten? Mach deine Schule, dann wirst du vielleicht besser. "
Als sie vom Schuleschwänzen ihres Sohnes erfuhren, gab es Ärger:
" Die haben mich angeschrieen, kein Geld gegeben, was noch? Keine Ahnung. Brief ist jeden Tag nach Hause gekommen, ich hab's Brief immer geklaut, vom Briefkasten, ja, das war scheiße. "
Genutzt hat das alles nichts. Die alte Schule rief telefonisch zu Hause an, die Eltern waren trotz Drohungen machtlos. "Was würden Sie tun, wenn ihr Kind schwänzt?" Eltern von Schulkindern antworten:
" Handeln, ganz schnell, nicht wegschauen, handeln. Ich glaube auch, da hilft jetzt nicht, wenn man da mit Strenge reagiert, oder mit Verboten reagiert. "
" Na, erstmal auf jeden Fall ein Gespräch suchen und dann sie (erstmal) von den Freunden wegholen. Und sie morgens hinbringen, nachmittags abholen. Also würde ich mir nicht gefallen lassen. "
" Also, mit meinen Kindern würde ich erstmal ein verdammt ernstes Gespräch führen, wie, was, wo und welche Gründe das hat. Es muss ja ein Grund da sein. Und dann die Probleme versuchen zu lösen, auf eine vernünftige Art und Weise. "
" Wenn ich es rauskriege - wenn sie mich spätestens nach drei Tagen von der Schule angerufen haben - dann hinten eins drüber und am Schlafittchen selbst hingebracht. Und das machen wir so lange bis es wieder funktioniert. "
Was scheinbar einfach klingt, ist in der Realität schwierig. Oft liegen die Ursachen in der Familie mitbegründet, weshalb Eltern von Schulschwänzern nicht gerne reden. Sie fühlen sich hilflos, schuldig, schämen sich, dass ihr Kind die Schule nicht packt. Oder sie sind, wie in Erhans Familie, selbst vollkommen überfordert mit dem eigenen Leben. Wie viele unterschiedliche Ursachen Schuldistanz hat, erfährt Schulleiter Karl Antony vom Pestalozzi-Fröbel-Haus täglich:
" Viele unserer Schüler hatten in ihrer Familie Belastungen erlebt, die sie als so stark empfunden haben, dass sie wenig Kraft für die Schule hatten. Dass sie sich da nicht mehr konzentrieren konnten, unruhig wurden. Es gibt auch Schüler, die haben in der Schule Konflikte erlebt - teilweise mit Lehrern, teilweise mit anderen Schülern -, so dass sie sich halt mehr und mehr zurückgezogen haben und vielleicht im Freundeskreis die Sachen gemacht haben, die ihnen dann mehr Zufriedenheit gegeben haben. "
Gemeinsam ist fast allen Schulschwänzern, dass jemand fehlt, der ihnen wieder einen Wert und Sinn vermittelt und sie unterstützt. Die Schule des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, in die Erhan geht, will das leisten. Er ist Realist, was seine Ziele angeht. Natürlich will er einmal viel Geld verdienen, zuerst einmal aber gut Reden und Schreiben lernen. Hier macht er den Anfang:
Erhan: " Ich komm zur Schule, das habe ich gelernt, das andere kommt noch. "