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Wenn die Wirtschaft Politiker "fördert"

In den letzten Jahren haben die Unternehmer Kölbl und Kruse gleich in mehreren Städten Bauprojekte geplant und außerdem Geld an örtliche Parteien gespendet – in Duisburg an die CDU und in Essen und Dortmund an die SPD. Es besteht der Anfangsverdacht der Vorteilsgewährung.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Im Frühjahr 2010 war die Welt für Jürgen Rüttgers noch in Ordnung. Der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident packte selbst mit an, beim Spatenstich für das neue Landesarchiv in Duisburg. Der wellenförmige Neubau, konzipiert von Stararchitekt Norman Foster, war damals der ganze Stolz der Landesregierung – und das war Jürgen Rüttgers beim Spatenstich auch deutlich anzuhören:

    "Eins jedenfalls, das behaupte ich mal, und wenn ich so was sage, kommt das auch meistens so: Das wird das schönste Archivgebäude Deutschlands, Herr Professor. Jedenfalls hat es schon einmal beeindruckende Dimensionen."

    Beeindruckend sind auch die Korruptionsvorwürfe, die in Zusammenhang mit dem neuen Landesarchiv immer größere Dimensionen annehmen. Sie richten sich zum einen gegen die zuständige Landesbehörde BLB, vor allem aber gegen die Essener Projektentwickler Kölbl und Kruse, die das Grundstück für das Landesarchiv ursprünglich als erste erworben und dann mit einem ordentlichen Aufpreis an den BLB weiterverkauft hatten. Auch für den Neubau einer prestigeträchtigen Büroanlage namens Eurogate erhielten die beiden Unternehmer von der Stadt Duisburg den Zuschlag. Und so interessiert sich die Staatsanwaltschaft Wuppertal nun für die Beziehungen von Kölbl und Kruse zur Politik. Es besteht der Anfangsverdacht der Vorteilsgewährung. Hintergrund ist, dass die Unternehmer in den letzten Jahren in mehreren Städten Bauprojekte geplant und außerdem Geld an örtliche Parteien gespendet haben – in Duisburg an die CDU und in Essen und Dortmund an die SPD. Deren Landtagsabgeordnete Nadja Lüders aus Dortmund findet diese Spendenpraxis völlig in Ordnung:

    "Ja, das ist es. Das ist ein Vorgang, der kein Einzelfall ist. Jede Partei wirbt im Wahlkampf um Spenden, um die finanzieren zu können, die Wahlkämpfe, und so sind die Spenden auch, die von Herrn Kölbl und Herrn Kruse bei uns eingegangen sind, verbucht worden, und dann ordnungsgemäß mit Spendenbescheinigungen versehen worden."

    Kölbl und Kruse hatten zuvor die Projektleitung für ein neues Bürogebäude unweit des Dortmunder Hauptbahnhofs übernommen. Der Baudezernent hieß damals Ulrich Sierau. Als der Sozialdemokrat dann im Jahre 2009 für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte, erhielt die SPD eine Spende von 9800 Euro, überwiesen von Kölbl und Kruse. Der Verwendungszweck lautete "Ulrich Sierau". Damit sei deutlich gewesen, dass die Spende für den Kommunal- und nicht für den parallel laufenden Europawahlkampf bestimmt sei, so erklärt die Dortmunder Sozialdemokratin Nadia Lüders. Doch ausgelöst durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beschäftigt sich mit dieser Spendenpraxis jetzt sogar der Bundestagspräsident. Norbert Lammert klärt derzeit den Sachverhalt, qua Amt ist er für die Überprüfung von Parteispenden zuständig. Sozialdemokratin Lüders ist sauer:

    "Ich glaube aber, wenn der Herr Lammert diese Spenden jetzt, wie er angekündigt hat, untersuchen will, dann sollte er das vielleicht auch beim Bundespräsidenten mal genauer tun. Für mich ist das derzeit ein Ablenkungsmanöver von Herrn Wolff."

    Gemeint ist Christian Wulff, aber für dessen Privatdarlehen ist Lammert gar nicht zuständig, was Nadja Lüders aber nicht sagt. Dortmund ist indes nicht die einzige Kommune, die im Visier der Korruptionsermittler ist. Inzwischen wurde eine weitere Spende von Kölbl und Kruse an die Genossen in Essen bekannt. Man habe Politiker unterstützen wollen, die ein "investorenfreundliches Klima" schaffen, so werden die beiden Unternehmer bei "Zeit online" zitiert. Gegenüber dem Deutschlandfunk bestätigt der Anwalt der Projektentwickler, dass die genannten Parteispenden getätigt wurden und dass sie in Zusammenhang mit den Wahlkämpfen in Duisburg, Dortmund und Essen standen. Solche Unterstützung leisteten Kölbl und Kruse über Parteigrenzen hinweg: Auch der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Rolf Bietmann aus Köln soll Überweisungen erhalten haben. Schließlich ist da noch Adolf Sauerland. Der Duisburger Oberbürgermeister, der wegen der 21 Toten auf der Love-Parade ohnehin unter Druck steht, muss sich rechtfertigen, weil seine Partei, die CDU zwischen 2008 und 2009 38.000 Euro Spendengeld von Kölbl und Kruse erhalten hat. Nun ist Sauerland in diesem konkreten Fall in NRW der erste Kommunalpolitiker, gegen den wegen Vorteilsannahme ermittelt wird.